Es sind die Geisterfahrer jeder Filmproduktion: Billige Ausreden, die einem mit der Selbstverständlichkeit eines mehrachsigen Trucks in einem amerikanischen Actionfilm auf der Gegenspur im dümmsten Moment entgegenkommen.
Dumm geboren und nichts dazugelernt? Wenn dem so ist und man nicht gerade für „Dumm und dümmer“ vor der Kamera steht, sollte man eher von einer Karriere im Filmgeschäft absehen. Dinge, die „einfach so“ passieren, gibt es in der Filmproduktion etwa gleich häufig wie weiße Mäuse in einer Schwarzwaldtorte.
Billige Ausreden
Während in großen Märkten wie den USA zu Recht von einer Filmindustrie gesprochen werden darf, ist das Filmhandwerk hierzulande oftmals vom System „learning by doing“ geprägt und durch Beziehungen getrieben. Mit diesem Umstand einhergehen leider immer wieder auch abenteuerlichen Erklärungen.
Hier kommen die Top 10 der billigsten und häufigsten Ausreden bei Videoprojekten:
Das Budget hat für ein besseres Ergebnis nicht gereicht
Wenn das Budget für ein besseres Ergebnis nicht reicht, so meist darum, weil das Budget nicht für einen besseren Produzenten oder Produktionsleiter gereicht hat. Denn an diesem, nur an diesem, obliegt die Verantwortung für das Setzen der Parameter für ein Bewegtbild-Projekt.
Dazu gehört auch die Eskalation, wenn Vorstellung und Vorgaben von Kundenseite nicht mit den Zahlen zusammengehen.
So etwas konnte man nicht wissen
Das Internet ist ein Paradies. Nicht nur im Umgang mit Bewegtbild ist es ratsam, einige Tage Lebenszeit in die Erarbeitung von Recherche-Strategien zu investieren und die Tools, die Google & Co. bieten, mit der notwendigen Tiefe für eine umfassende Web-Recherche kennenzulernen. Im Internet finden sich Antworten auf fast alles und nicht nur auf Dinge, die man niemals wissen wollte. Seit das Internet erfunden ist, gibt es keine Ausreden mehr, etwas nicht zu wissen.
Ebenso wichtig wie der Wille und die Fähigkeit, sich die richtigen Fragen zu stellen und gekonnt zu recherchieren und Entscheidungen zu fällen ist die Bereitschaft anzuerkennen, dass Wissen nur ein Teil der Medaille ist. Fachwissen ist für die wirkungsorientierte Filmproduktion unabdingbar. Wichtig ist aber auch der eigene Erfahrungsschatz und ohne Talent geht gar nichts. Fehlende Erfahrung und mangelndes Talent darf man niemanden vorwerfen, wohl aber, wenn der betreffende Zeitgenosse seine eigenen Fähigkeiten trotz postpubertärem Zustand nicht richtig einzuschätzen weiß.
Merke: Man kann nicht alles wissen. Aber es schadet auch nicht. Und, wichtiger, zu wissen und zu kommunizieren, was man nicht weiß, ist Pflicht.
<Bei gutem Wetter wären es schöne Aufnahmen geworden
Der Zuschauer sieht, was er sieht. Ob es Katzen hagelte oder ob Kaiserwetter die Drehtage dominierte: Die Umstände dürfen dem Publikum gleichgültig sein. Entscheidend ist immer nur eine einzige Frage: unterstützen die Bilder das Storytelling und die Dramaturgie oder nicht?
Alles andere ist Sache der Planung und des Managements des Wetter-Risikos und damit am Ende eine Frage der Professionalität.
Die Schauspieler waren schlecht
Weil Schauspieler keine Menschen sind, die plötzlich und unangemeldet auf einem Filmset auftauchen und wie ein fröhlicher Hund mal einfach nur spielen wollen, ist nicht der Schauspieler allein verantwortlich für seine Leistung.
Verantwortlich ist immer auch die Person, welche den Schauspieler ausgesucht hat, egal ob für die Suche Regisseur, Casting Director oder der Producer verantwortlich waren. Alles andere sind blöde Ausreden. Wer sich einen Hammer als Werkzeug aussucht, darf nicht erwarten, dass der Hammer als Schraubenschlüssel geeignet ist.
Der Auftraggeber wollte das unbedingt so haben
Wer zahlt, befiehlt. Das gilt im Leben wie in der Filmwirtschaft. Umgekehrt gilt aber auch, dass der Auftraggeber sich in der Regel einen erfahrenen Produzenten aussucht, weil dieser im Gegensatz um Auftraggeber weiß, wie Filme gemacht werden. Es ist dabei die Pflicht des Produzenten und Auftragnehmers, den Auftraggeber in dem Ausmaß zu führen, als es die angestrebte Wirkung eines Videos erfordert.
Wer alles ohne Nachdenken alles genau so umsetzt, wie das ein zur Detailverliebtheit neigender Kunde von ihm will, macht selten das, was der Kunde wirklich will. Der Job des Produzenten und Filmemachers bringt es mit sich, dass die Wünsche des Kunden in die Sprache des Mediums übersetzt werden müssen. Dazu braucht es die richtige Kommunikation und das perfekte Briefing.
Kommt hinzu, dass am Ende des Tages die wenigsten Kunden einen Produzenten wollen, der bei der Arbeit wie ein Fähnchen im Wind mal dies und mal das als richtig befürwortet. Kunden wollen und müssen durch den komplexen Produktionsprozess geführt werden. Produzenten und Produktionsfirmen haben diese Verantwortung wahrzunehmen. Alles andere sind Ausreden.
Billige Ausreden: Das macht man nun mal so
Jedes Video ist ein Unikat und gewissermaßen ein Prototyp. Filme sind Projekte. Gleichzeitig ist das Filmgeschäft eine Branche, in der die Spielregeln, technisch bedingt, aber auch durch neue Erzählformen in den sozialen Medien, immer wieder ändern. Informationen sind nicht nur wichtig, wichtige Informationen ändern auch immer wieder.
Filmemacher ist ein Beruf und kein Experimentierfeld für Selbstverwirklichung. Ob Schule, Studium oder selbst gelernt: Die Regeln des Filmhandwerks sollte man darum einerseits zuerst einmal kennen. Und andererseits immer auch hinterfragen. Wer heute die Dinge so tut, wie sie gestern richtig waren, macht sie schon morgen ebenso falsch, wie der instinktiv entscheidende Amateur, der ohne solide Wissensgrundlagen vorprescht.
Ich hab’ mich auch gewundert
„Dinge gibt’s, die gibt’s gar nicht“. Das gilt ganz besonders für die Kreativwirtschaft. Wer einige Jahre in medialen Gewässern gesegelt ist, weiß davon manch Lied zu singen. Im Projektgeschäft gilt aber auch: „Kommunikation ist nicht alles, aber ohne Kommunikation ist alles nichts.“ Wer sich über etwas wundert, ohne diese Verwunderung zu thematisieren, macht sich selbst zum passiven Zuschauer und begeht die zweitgrößte Sünde nebst Unwissenheit: Er verhindert, dass agiert werden kann und riskiert, dass nur noch reagiert werden kann.
Die Reaktion ist immer kostspieliger und aufwendiger als eine Aktion und alle Ausreden. Spätestens dann, wenn der Zuschauer negativ auf ein Video reagiert.
Billige Ausreden: Das Publikum ist für diesen Film zu dumm
Es gibt verschiedene, auch noble, Gründe einen Spielfilm zu produzieren. Aber losgelöst davon, ob man sich selbst als Auftragsfilmer oder Autorenfilmer definiert, Spielfilm wie auch Videos macht man gemeinhin für den Zuschauer. Alles andere ist Unsinn. Wer seine Geschichte als Selbsttherapie unbedingt erzählen will, verfasst besser ein Buch oder eine Kurzgeschichte statt, wie es bei der Filmproduktion und Videoproduktion üblich ist, gleich das große Orchester auffahren zu lassen.
Von Carlo Ponti, italienischer Produzent (u. a. „La Strada“ und „Zabriskie Point“) und Ehemann von Sophia Loren, ist das Bonmot überliefert: „Wenn ein Spielfilm von mir ein Kassenschlager wird, ist er Kommerz. Wenn er keine Zuschauer hat, dann ist er Kunst.“ Wer wie Ponti seine Produktionen aus der eigenen Tasche mitfinanziert, darf so argumentieren. Alle anderen nicht.
Das wird komplett anders wirken, wenn Ton und Bild fertig bearbeitet sind
Hoffnung, Röhrenblick und Selbsttäuschung sind Drillinge, die es meisterhaft verstehen, sich bei der Postproduktion zu den besten Freunden von Regisseuren und Cuttern zu machen. Auch wenn dank digitaler Technik vieles, was früher unmöglich war, heute möglich (sprich: zu retten) ist: Ein schlechtes Video wird nicht besser, wenn die Bilder schärfer, bunter oder kontrastreicher und der Ton fertig gemischt sind.
Man muss keine Ausbildung als Förster genossen haben, um zu beurteilen, ob ein Baum schief in der Landschaft steht oder schön gewachsen ist.
Das hätte mir jemand sagen müssen
Ja und Nein. Als Praktikant und in ungeordneter Funktion, beispielsweise als Produktionsassistenz, darf man bei der Filmproduktion auf Sachebene detaillierte Ansagen und Handlungsanweisungen erwarten. Trotzdem gilt auch für die unteren Chargen schon, was später unabdingbar wird: Wer nicht mit der nächsthöheren Funktionsstufe mitdenkt, wird diese nächsthöhere Funktionsstufe kaum je erreichen. Filmarbeit ist immer auch Vertrauenssache.
Dazu gehört, darauf bauen zu können, dass man (in untergeordneter Funktion) immer auch Fragen stellen darf und (in leitender Position) dass das gesamte Team nicht nur am selben Strick zieht, sondern auch aktiv mitdenkt. Nur so kann ein Film oder kann ein Video mehr als die Summe seiner Einzelteile werden.
Was sind deine Favoriten an billigen Ausreden?
Gibt es Ausreden, die unserer Liste fehlen? Was war die dümmste Ausrede, die du im Zusammenhang mit Film bei der Entscheidungsfindung schon begegnet ist? Filmpuls freut sich auf deine Ausrede und auf deinen Kommentar!
Zusammengefasst
Das musst du wissen
- Eine Erklärung legt dar, wie etwas passiert ist. Im Unterschied dazu klammert die Ausrede dabei bewusst das eigene Verschulden aus.
- Bewusst falsche Erklärungen kommen in ihrer Wirkung einer Ausrede gleich.
- Je undurchsichtiger ein Projekt und je höher die Komplexität einer Sache, desto einfacher ist es, einer unwissenden Person statt einer billigen Ausrede eine fehlerhafte Erklärung als Herleitung eines unerwünschten Ergebnisses aufzutischen.
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 03.01.2017