Immersion: Diese 7 Punkte musst du für erfolgreiche VR-Videos berücksichtigen

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Du bist im Spiel und du bist das Spiel: Immersion | © Symbolbild: Pavel Sokolov

Virtuelle Realität ist ein Megatrend. Eng mit ihm verbunden ist das Prinzip der Immersion. Aber diese ist weitaus umfassender, viel grundsätzlicher. Sie betrifft einerseits alle anderen klassische Disziplinen in der Kommunikation mit Bewegtbild. Andererseits ist sie für VR-Videos ein absoluter Erfolgsfaktor.

Wer Wirkung erzeugen will, muss den Zuschauer fesseln. Dieser soll sich vergessen, muss eintauchen in bewegte Bilder und sich von ihnen wegtragen lassen. Genau darum geht es bei der Immersion. Sie ist das tiefere Ziel jeder Kommunikationsmaßnahme. Dieser Artikel erklärt, was das für die und VR-Videos Praxis bedeutet.

1Was heißt Immersion für VR-Videos?

Für Film, VR-Videos oder Games lässt sich Immersion also ganz einfach mit „eintauchen“ übersetzen.

Während beim Wort Illusion die falsche Interpretation der Wirklichkeit für den Zuschauer bereits eine Tatsache ist, beschreibt das Eintauchen in fremde oder andere Realitäten die Vorstufe dazu, den Weg zur Illusion. In der Praxis werden beide Begriffe allerdings unscharf abgegrenzt. Trotzdem ist es üblich geworden, im Zusammenhang mit virtueller Realität von immersiven Welten (Immersive Space), statt von Illusionen zu sprechen.

Psychologisch kann der Prozess des Eintauchens in eine andere, scheinbar echte Umwelt verglichen werden mit der süchtig machenden Erfahrung eines Tauchers im Meer, der sich immer wieder aufs Neue tief unter die Wasseroberfläche sinken lässt. Dies, um eine ihm unbekannte Unterwasserwelt zu entdecken.

Immersion wurde zeitgleich mit der virtuellen Realität ein Thema. Es gibt sie schon viel länger als VR-Videos. Denn sie hatte ihre Geburtsstunde schon vor 50 Jahren, als sie von Ivan Sutherland erfunden wurde.

2Wie funktioniert virtuelle Realität?

Zum Verständnis des Eintauchens und der Immersion helfen zwei wesentliche Schlüsselbegriffe, die auch für die „normale“ Kommunikation mit Bewegtbild eine wichtige Bedeutung besitzen: Identifikation und Realitätsnähe (Authentizität).

Die Identifikation bedeutet nichts anders, als dass dem Zuschauer das, was er sieht, nicht gleichgültig ist, ihn die Geschehnisse, mit denen er konfrontiert wird, nicht kaltlassen. Wer sich von dem, was er sieht, in keiner Art und Weise angesprochen fühlt, wird keine weitere Energie und Emotionen dafür verschwenden.

Am einfachsten ist die Identifikation, wenn sie mit Personen erfolgen kann. Objekte lösen beim Durchschnittsmenschen in der Regel weniger Gefühle aus, als Mitmenschen. Ebenso, Drehbuchautoren wissen das seit jeher, fällt es leichter, sich mit Menschen zu identifizieren, deren Gefühle der eigenen Lebensrealität entsprechen, als mit Menschen, die total „andersherum“ gewickelt sind.

3Schon die alten Griechen und Da Vinci waren immersiv

Immersion bedeutet ein Eintauchen in andere Welten. Der Wunsch danach ist alles andere als neu.

Schon im antiken Griechenland wurden möglichst echt aussehende Bühnenbilder angefertigt, um bei Theatervorführungen für das Publikum die Grenzen zwischen Realität und Vorführung zu sprengen. Das Dekor war dabei im antiken Theater perspektivisch auf den Zuschauerraum ausgerichtet. Die Verjüngung im Hintergrund simulierte Raumtiefe, indem alle Fluchtlinien des Bühnenbildes möglichst auf einen Punkt zuliefen.

Schon vor Da Vinci entwickelte die Malerei dieses frühe Prinzip der Immersion weiter, mit dem identischen Ziel. Jahrhunderte später hat die noch junge Fotografie dasselbe Ansinnen aufgenommen und machte sich damit auf den Siegeszug, der über den Film zu den heutigen digitalen Bilderwelten führte.

4Die dramaturgische Zauberformel der Immersion

Die Dramaturgie macht aus dem Erfordernis der Identifikation eine einfach nachvollziehbare Formel:

Dem Zuschauer bekannte, menschliche Verhaltensweisen, die sich in unbekannten Welten bewähren müssen, erzeugen beim Publikum deutlich stärkere Gefühle als dem Zuschauer unbekannte Wesenszüge eines Darstellers, der mit dem Zuschauer bekannten Herausforderungen kollidiert.

Oder auf andere Art formuliert: Bekannte Personen in unbekannten Situationen „funktionieren“ in einem VR-Video immer besser als unbekannte Personen in bekannten Situationen. Ich will sehen, was eine andere Person, die ich selbst sein könnte, in einer mir unbekannten Situation (einer Herausforderung) tut. Immersion und virtuelle Realität folgen diesem Prinzip.

Identifikation kann nur entstehen, wenn noch ein zweites Element gegeben ist: die Glaubwürdigkeit. Der Zuschauer muss glauben (wollen), was er sieht.

Je realer die Person erscheint, mit welcher der Zuschauer sich identifizieren soll, je mehr die ihm unbekannte (bedrohliche) Umwelt eine Tatsache zu sein scheint, desto leichter fällt es, in die fremde Realität einzutauchen. Das Eintauchen in ein VR-Video kann auf zwei Arten erfolgen: passiv oder aktiv.

5Passive, filmische Immersion

Erfolgt das Eintauchen in eine andere Welt ohne aktives Zutun des Zuschauers (das Zusehen und Zuhören des Zuschauers wird dabei nicht als aktiv verstanden), spricht man im Kontext der virtuellen Realität von filmischer Immersion.

Der Film hat dieses Prinzip der alten räumlichen Künste – die Distanz und die abgesonderte Geschlossenheit des Kunstwerkes – zerstört. Die bewegliche Kamera nimmt mein Auge und damit mein Bewusstsein, mit: mitten in das Bild, mitten in den Spielraum der Handlung hinein. Ich sehe nichts von außen. Alles sehe ich so, wie die handelnden Personen es sehen müssen.
Béla Balázs, 1938

Der Sog der Immersion, welcher den Zuschauer in die Handlung zieht, entsteht nur durch das Medium VR-Video und damit nur indirekt durch das Verhalten des Zuschauers. Der Zuschauer trägt nichts zur Handlung bei und der Film bleibt immer gleich. Der Filmemacher hat die Kontrolle über den Zuschauer.

6Aktive Immersion

Die aktive Immersion dreht das Rad und damit den Grad des Eintauchens nochmals eine Stufe weiter.

Bewegte Bilder haben einen mehr als viermal höheren Erinnerungswert (80 %) als Text, der gelesen werden muss (17 %). Bekommt der Mensch die Gelegenheit, beispielsweise in einem VR-Video, selbst aktiv seinen Blickwinkel in einer virtuellen Welt zu bestimmen, steigert sich der Erinnerungswert im Vergleich zu einem normalen Film oder VR-Video nochmals. Er kommt diesfalls bei unglaublichen 90 % zu liegen.

Als Vergleich: für auditive Informationen, unter anderem News am Radio, liegt der Erinnerungswert am anderen Ende der Skala, bei nur 10 %!

Die Interaktion mit einer virtuellen Umgebung kann in einem VR-Video oder einem 360 Image Film genau so erfolgen wie in einem Game. Das Ausmaß der Immersion entspricht dabei der Spielerfahrung des Spielers. Der Grad der Intensität hängt, ergänzend zu den schon vorerwähnten Elementen, ab von

  • der Identifikation und
  • dem Ausmaß der Authentizität

sowie von drei weiteren, wesentlichen Faktoren ab

  1. den technischen Möglichkeiten zur Interaktion
  2. von der Zeitdauer der Interaktion (Film- oder Spiellänge)
  3. und der Persönlichkeit des Zuschauers (oder Spielers).

7Die Erinnerungsskala von Bartle

Richard Allan Bartle hat zur Bewertung der aktiven Immersion eine Skala aufgestellt. Sie beruht darauf, wie sich der Zuschauer/Spieler rückwirkend an sein immersives Erlebnis erinnert. Der englische Forscher hat dabei vier Stufen der Immersion erkannt, die er jeweils einem Spielertyp zuordnet. Sie gelten auch für VR-Video und die virtuelle Realität:

  • Stufe 1 – der Spieler: der Zuschauer oder User bewegt sich durch eine virtuelle Welt. Er nimmt sich dabei stets als das reale Ich wahr, das eine fremde Welt erlebt. Nicht anders als bei einem Brettspiel bleibt der Spieler immer sich selbst.
  • Stufe 2 – der Avatar: der Zuschauer nutzt eine künstliche Figur (= Avatar), um fremde Welten zu erkunden. Er spricht über die Spielfigur wie über eine fremde Person („meine/die Figur hat das gemacht und dies erlebt“ etc.)
  • Stufe 3 – der Charakter: Der User nutzt eine Spielfigur, um ihm unbekannte Welten zu erleben. Er spricht über diese wie über eine sich selbst („ich habe dieses getan und jenes erlebt“ etc.)
  • Stufe 4 – die Persona (das Eigenbild): Der Nutzer unterscheidet nicht mehr zwischen der Spielfigur, die er nicht mehr als solche wahrnimmt, und der eigenen Persönlichkeit. Er verschmilzt mit der virtuellen Welt, geht während dem Erlebnis gänzlich in dieser auf, taucht nicht mehr ein, sondern unter. Auf dieser Stufe kann oft beobachtet werden, dass nicht nur labilen Persönlichkeiten das Zurückkommen und Ankommen zurück in die Realität schwerfällt.

Die vier Erlebnis-Stufen von Bartle für die Immersion belegen eindrücklich, dass der immer wieder behauptete, unabänderliche Siegeszug von VR-Videos nicht nur von der Technik, sondern noch viel mehr vom Inhalt abhängt. Wer sich mit einer Taucherausrüstung in eine flache Pfütze mit trübem Wasser legt, wird, anders als ein Taucher auf den Malediven, kaum von einem einzigartigen Erlebnis berichten und Andere begeistert zu gleichem Tun animieren.

Zusammenfassung zu VR im Kontext mit Immersion

Das musst du wissen

  • Virtuelle Realität besitzt eine hohe technische Komponente. Umgekehrt definiert Immersion die Ansprüche an das Storytelling.
  • Immersion ist der eigentliche Zweck der virtuellen Realität. Sie soll den Zuschauer in eine andere Realität eintauchen lassen, ihn entführen und ihn neue Welten entdecken lassen.
  • Man unterscheidet zwischen aktiver und passiver Immersion. Passivität ist dann gegeben, wenn keine Interaktion erfolgt. Aktive Immersion heißt, mit dem Inhalt interagieren. Das kann durch die Wahl des Blickwinkels geschehen oder durch Mitlenken der Handlung bei Games.
  • Bei der aktiven Immersion spielen die Technik, die Persönlichkeit des Spielers und die Zeitdauer, während der interagiert wird, eine wesentliche Rolle.
  • Der Grad des Eintauchens und Sich-Vergessens in einem Medium lässt sich nach Bartle mit vier Stufen wachsender Intensität beschreiben.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 01.06.2017

Volker Reimann 22 Artikel
Mag. Volker Reimann ist TrendScout für virtuelle Realität, Games und interaktives Bewegtbild. Er ist überzeugt davon, dass bald schon über gezielte Nervenstimulation realitätsnahe Projektionen direkt in das menschliche Hirn möglich sind.

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