Dramatisierung von Sport im Film: Eine Analyse

sport im film analyse
Sport fesselt, er entfacht Emotionen und Leidenschaft | © Foto: Pavel Sokolov

Globale Events wie die Fußballweltmeisterschaften oder Wimbledon für die Fans von Tennis sind Höhepunkte im Leben vieler Menschen. Sportereignisse versprechen Emotionen, Spannung und Abenteuer. Doch wie kann man als Filmemacher die damit verbundene Faszination in einem Spielfilm oder einer Serie einfangen? Wie lässt sich die Faszination Sport erfolgreich in das Medium Film übersetzen?

Dieser Artikel erklärt die Techniken, die im Spielfilm und in Serien regelmäßig eingesetzt werden, um die Anziehungskraft des Sports in die Welt des Films zu bringen. Von der Verwendung von Musik, Sounddesign bis zu Slow-Motion-Sequenzen und der Dramatisierung von Sport in der Unterhaltungsindustrie. Er zeigt, wie Hollywood die Emotionen und Spannung, die das Live-Publikum bei einem Sportwettkampf fesseln, in universale Filmerzählungen verwandelt.

Eine mediale Aufbereitung in dramatisierter Form kann beim Sport nur gelingen, wenn drei Basis-Faktoren, die das Wesen des Sports definieren, bei der Adaption zu Unterhaltungszwecken beibehalten werden. Diese drei Schlüsselelemente sind:

  • Sport als Wette
  • Filmgenre
  • Magnetfunktion

Grafik: Basis-Elemente des Sportfilms

Was bedeutet das konkret für das Storytelling?

Sport ist immer eine Wette auf den Sieger

Sport ist vieles. Aber ganz besonders eines: eine gigantische Wette auf den Sieger. Ob es sich eine Einzelsportart oder um Mannschaftssport handelt: The Winner Takes it all. In den Worten des Berufsgolfers Eldrick „Tiger“ Woods: Der Zweite ist der erste Verlierer. Wer aber als Sieger aus einem Wettkampf hervorgeht, bleibt oft bis zur letzten Sekunde unklar. Hierin gleicht sich das Wesen von Sport und Film auf unheimliche Weise:

Alles ist möglich. Und oft kommt es anders, als man denkt. Aus dieser Ungewissheit wächst eine Faszination, die nur schwer zu schlagen ist. Eng verbunden ist sie mit dem Privileg des Zuschauers, einen Kampf um Sieg oder Niederlage hautnah – aber ohne tatsächliche Risiken für das eigene physische Wohlergehen – miterleben zu können. Auf der Zuschauertribüne im Stadion, im Kino auf der großen Leinwand, mit Online Sportwetten Tipps am Computer oder auf dem Sofa im Heimkino.

Sportwettkämpfe und ganz besonders Einzelsportarten sind in gewisser Hinsicht immer noch Gladiatorenkämpfe.

Sportfilme: Genre als Leitplanke

Filme und Serien folgen – oft versteckt – immer einem Baumuster: dem Filmgenre! Genre beim Spielfilm sind vergleichbar mit den Spielregeln im Sport. Jede Sportart hat ihre eigenen Regeln, auf die sich alle Beteiligten, Sportler wie Zuschauer, verlassen können. Diese Gesetzesmäßigkeiten sind zwar gelernt, aber durch ihre allgemeine Akzeptanz allgemein verbindlich.

Die wichtigsten Genres im Sportfilm:

  • Biopics:

    Biografische Sportfilme erzählen das Leben einer bestimmten Person oder einer Gruppe von Personen, die in der Sportwelt bekannt sind. Normalerweise gleich die Handlung einer Heldenreise, bei der es vor dem Sieg unterschiedliche Herausforderungen zu überwinden gilt. Filmmuster: „Rush“, „The Fighter“, „I, Tonya“

  • Dokumentarfilme:

    Sportdokumentationen zeigen als Kompilation bestehender TV-Aufnahmen und neu gedrehten Interviewsequenzen die – mehr oder weniger wahre, weil für die breite Öffentlichkeit mit Einwilligung der/des Porträtierten erzählte – Story einer bestimmten Person, eines Teams oder einer Sportveranstaltung. Anschauungsbeispiele für Sport-Dokumentarfilme: „O.J.: Made in America“, „The Internet’s Own Boy: The Story of Aaron Swartz“, „The Square“

  • Tragödie:

    Filmdramas fokussieren in erster Linie den Kampf und die Widerstände, welche die Hauptfigur, meist unter tragischen Umständen, auf dem Weg zum Ziel überwinden muss – nur um dann dennoch (zumindest aus objektiver Sicht, mehr dazu im übernächsten Absatz) mit tragischem Getöse zu scheitern. Sportfilm-Beispiele dazu: „Remember the Titans“, „The Blind Side“, „Coach Carter“

  • Komödien:

    Eine Komödie lässt sich strukturell als Zwilling der Tragödie, aber mit Happy End beschreiben. Filmbeispiele: „Dodgeball: A True Underdog Story“, „Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby“, „Blades of Glory“

  • Action:

    Action-Sportfilme verbildlichen Sportwettkämpfe mit Nahaufnahmen, schnellen Schnittfolgen, temporeichen Kamerafahrten in Kombination mit Musik und Sound Design. Vielfach dominiert die Form der Umsetzung in den Schlüsselszenen (Wettkampf) den Content. Beispiele von Sportfilmen aus diesem Genre: „Rocky“, „Creed“, „The Karate Kid“

Filmpuls-Autorin Gabriela Weingartner geht bei der Klassifizierung des Sportfilms einen Schritt weiter. Nach ihrem Dafürhalten ist der Sportfilm ein eigenständiges Filmgenre, nämlich „der friedliche Bruder des Kriegsfilms“. Der Konflikt oder die Herausforderung, die der Held bewältigen muss, findet für sie klassischen Sportfilm nicht auf dem Schlachtfeld, sondern auf dem Spielfeld statt. Nicht die technologische Überlegenheit entscheidet über den Sieg, es ist das Überwinden der persönlichen Grenzen durch Selbsterkenntnis.

Was macht die Faszination von Sport als Entertainment aus?

Beim Sportfilm begeistern nicht nur das Spiel oder die Sportart den Zuschauer. Wie auf der Zuschauertribüne lassen einem die Emotionen und Herausforderungen, welche die am Sportwettkampf beteiligten Athleten erleben, mitfiebern. Zugleich erhöht das Hintergrundwissen der Fans über ihre Sport-Idole oder ihre Lieblingsmannschaft die Identifikation.

Die Faszination des Sportfilms ruht auf denselben drei Säulen wie der Sport in der realen Welt:

  • Emotionen:

    Die Gefühle, die der Sport auslöst, fesseln den Zuseher. Konflikte im Team beim Mannschaftsport, oder der Zusammenhalt der Mannschaft, der Einsatz und die Hingabe der Athleten reißt den Betrachter mit. Filmbeispiel: „Rudy“ oder „Rocky“.

  • Soziales Umfeld:

    Sportfilme führen dem Publikum oft gesellschaftliche Probleme und Herausforderungen vor Augen. Sie demonstrieren, wie menschliche Konflikte im wahrsten Wortsinn auf spielerische Weise durch Sport überwunden werden können. Beispiele für Filme, die gesellschaftliche Themen aufgreifen, sind „42“ oder „Remember the Titans“.

  • Die Sportart als solche:

    Viele Sportarten faszinieren entweder durch ihre virtuose Beherrschung (etwa Tennis bei Roger Federer, Cristiano Ronaldo beim Fußball), das darin mitschwingende Risiko (Boxen, Abfahrtsrennen) oder Hightech-Aspekte (Formel 1). Bei der medialen Wiedergabe der Faszination Sport spielen darum die Kameraführung und das Sounddesign, nebst der Dramaturgie, eine entscheidende Rolle. Exemplarische Filme dafür sind: „Rush“ oder „The Blind Side“.

Kurzum:

Sport ist ein fester Bestandteil unserer Kultur. Man vergegenwärtige sich etwa die Losung des Weltfußballverbandes FIFA: „For the Game. For the World“.

Dramatisieren von Sport für Filme und Serien

Innerhalb eines Filmgenres – eine geschickte Integration der Ursachen der Faszination am Sport in Handlung und Bildwelten vorausgesetzt – kann grundsätzlich jede Sportart als Filmszene dramatisiert werden. Dies, indem man ganz gezielt bewährte Techniken und Stilmittel einsetzt, um die Emotionen und die Spannung beim Zuschauer zu erhöhen.

Der moralisch und ethisch erlaubte Grad dieser „dramaturgischen Aufbereitung“ beim Sportfilm bewegt sich dabei auf dem anspruchsvollen Grat zwischen realistischer Darstellung und Überhöhung:

Einerseits ist wichtig, dass die Filmemacher die sportlichen Leistungen und Ereignisse möglichst realistisch darstellen. Dies, um die Glaubwürdigkeit der filmischen Fiktionalisierung zu erhöhen. Andererseits ist es jedoch auch erforderlich, dass manche Momente dramatisch überhöht werden, um Identifikation, Spannung und Emotionen zu steigern. Letztlich entscheidend aber ist, dass mediale Überhöhungen nicht gegen die Integrität der Athleten verstoßen.

Bekannte Muster, wie Sport im Film und in Serien dramatisiert wird:

  • Verdichtung der Ereignisse:

    Der Inhalt der Filmstory oder Serie wird auf einen klaren Höhepunkt hin aufgebaut. Auf dem Weg dazu gilt es zuerst große Hindernisse zu überwinden. Ähnlich wie ein Stürmer im Fußball zuerst die gegnerischen Spieler auf dem Weg zum Torschuss umdribbeln muss, muss auch der Held (oder die Heldenmannschaft) im Film zuerst – oft scheinbar unüberwindbare – Hürden bewältigen, bevor das Siegertreppchen winkt.

  • Musik und Tonspur:

    Dramatische Musik unterstützt und verstärkt die Emotionen und Spannung. Wenn ein Fußballspieler ein entscheidendes Tor landet, erhöht explosive Musik, zusammen mit Sound Design, diesen Höhepunkt. Im Film „Rocky“ wird die Spannung in den Boxkämpfen durch die Musikebene und exakt darauf abgestimmte Bildsequenzen erhöht. Die Musik und die langsamen, detailreichen Aufnahmen der Kämpfe verstärken die Intensität der Ereignisse.

  • Slow-Motion-Sequenzen:

    Zeitlupen-Sequenzen (Slow Motion) unterstreichen in Sportfilmen die Wichtigkeit einer bestimmten Aktion oder eines Moments. Wenn ein Athlet eine überragende sportliche Leistung erbringt, betont eine Slow-Motion-Sequenz bildlich die Schönheit und Intensität dieses Moments. Zugleich können durch die Verwendung von Zeitlupe die Zuschauer die Aktionen auf dem Spielfeld besser verfolgen und sich stärker mit dem Spiel und den daran teilnehmenden Charakteren identifizieren.

  • Emotionale Bindung:

    Eine weitere Technik, die jeder Spielfilm und auch nahezu jeder Dokumentarfilm bei der Visualisierung von Sport im Film einsetzt, ist die Integration von Szenen aus dem Alltagsleben des Athleten zur Verstärkung der emotionalen Bindungen. „Das könnte auch ich sein“, soll sich der Zuseher sagen können, um anschließend umso stärker bei den Ereignissen mitzufiebern.

  • Wette auf den Sieg:

    Schließlich zeigen Sportfilme auch auffallend oft, wie einzelne Filmfiguren (Trainer, Angehörige) im Lauf der Filmhandlung hohe Wetten auf den späteren Gewinner setzen. Die dramaturgische Erklärung dafür ist ebenso einfach wie dramaturgisch geschickt: Mit einer Sportwette als Teil der Handlung eines Sportfilms gibt es im Film nun plötzlich zwei potenzielle Gewinner – oder Verlierer. Damit wird das dramaturgische Spannungsmoment beim Zuschauers verdoppelt. Der Sportwettkampf wird zum Schicksal, das über die Zukunft der Beteiligten bestimmt.

Eine interessante dramaturgische Spielart – die dem amerikanischen Happy End-Mantra widerspricht, aber trotzdem zuverlässig funktioniert – ist die Trennung von objektiven und subjektiven Zielen des Sporttreibenden (oder alternativ: einer Sportmannschaft).

Dieser Kunstgriff ermöglicht es dem Storytelling, die Hauptfigur am objektiven Ziel, meist ist das der Sieg an einem Wettkampf – möglicherweise zur großen Überraschung des Zuschauers – grandios scheitern zu lassen, aber subjektiv als Sieger aus der Handlung hervorgehen zu lassen. Die Heldenfigur gewinnt nicht. Aber sie zieht aus ihrem Scheitern wichtige persönliche Erkenntnisse, die sie in Zukunft erfolgreicher oder glücklicher … – und auf diese Weise auf einer privaten Ebene doch noch zum Gewinner machen!

Nicht nur darum sind Sport und Sportfilme weit mehr als lediglich ein Spiel.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 03.02.2023

Carlo Olsson 99 Artikel
Carlo Olsson begleitet die Herstellung von Filmen, Videos und TV-Serien im Auftrag von Unternehmen, Agenturen und Produktionsfirmen. In seiner Freizeit spielt er Eishockey und beschäftigt sich mit barocker Klangdramatik.

Teile jetzt deine Erfahrungen

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Links zu Werbezwecken werden ausgefiltert.


*