
Die Kraft der bewegten Bilder entsteht aus ihrer Abbildung der Realität. Wesentliche Stichworte sind Lebensnähe und insbesondere die Kombination von Menschen, Informationen und Emotionen. Wie aber spielen diese Faktoren (Person, Text, Stimme und Körpersprache, also die Art, wie etwas transportiert wird) zusammen?
Um es gleich vorwegzuschicken: Film und Video sind genauso wenig eine präzise Wissenschaft wie die Kommunikation. Eine der wichtigsten Erkenntnisse darüber, was Kommunikation erfolgreich macht, ist nahezu immer ein Missverständnis statt einer g’mähten Wiese.
Aber der Reihe nach:
Albert Mehrabian, ein US-amerikanischer Wissenschaftler mit persischen Wurzeln, hat schon in den Sechzigerjahren untersucht, was es mit den Bestandteilen unserer Kommunikation auf sich hat.
Entstanden ist daraus die berühmte 7-38-55-Regel. Sie wird mehrheitlich als Beleg dafür genommen, welchen Anteil Worte, die Art und Weise, wie man etwas mit der Stimme kommuniziert, und die Körpersprache am Erfolg einer Informationsübermittlung besitzen.
Die Mehrabian-Regel betont die Wichtigkeit der Körpersprache
Text oder Worte besitzen nach der Regel von Mehrabian und weitverbreiteter Meinung nur einen Anteil von 7 % an der Wirkung dessen, was Kommunikation transportiert.
Die restlichen 93 % beinhalten das Wesentliche: wie wir etwas sagen, das heißt in welcher Stimmlage und mit welcher Körpersprache.

Der Vater der nonverbalen Kommunikation
Albert Mehrabian ist ein US-amerikanischer Psychologieprofessor, der sich auf die Entwicklung psychologischer Skalen und theoretischer Modelle zur Messung komplexer psychologischer Phänomene spezialisiert hat. Bekannt ist er für seine Pionierarbeit auf dem Gebiet der nonverbalen Kommunikation sowie die Entwicklung eines mathematischen Modells zur Messung von Emotionen. Seine Skalen werden noch heute verwendet, um Personen mit hohem Erfolgspotenzial und starken sozialen Fähigkeiten zu identifizieren.
Als Pionier auf dem Gebiet der nonverbalen Kommunikation hat Mehrabian wesentlich dazu beigetragen, die Bedeutung nonverbaler Signale für zwischenmenschliche Beziehungen, Führungsstile und politische Kampagnen zu erkennen.
Die Körpersprache, Gesten, Körperhaltung, Gesichtsausdruck, Bewegungen etc. schlagen dabei mit 55 % zu Buche. Zugleich ist, gerade beim Video, noch gewichtiger als der Umstand, dass es sich um mehr als die Hälfte handelt, die Tatsache, dass Menschen aus genau diesen Faktoren ableiten, was sie fühlen.
38 % Gewicht kommt der Stimme beziehungsweise der Stimmlage zu.
Zusammengefasst:
Gute Kommunikation wird in erster Linie geprägt durch die Art und Weise, wie etwas gesagt und ausgedrückt wird. So seltsam es klingt: Die eigentliche Botschaft (Worte oder Text) spielt mit mickrigen 7 % eine absolut untergeordnete Rolle.
Text, Interpretation und Körpersprache in Videos
Für Filmemacher und Videokünstler beweisen die einst als bahnbrechend geltenden Erkenntnisse von Albert Mehrabian, dass das Medium bewegte Bild geradezu für Kommunikation bestimmt ist. Oh, wie praktisch.
Der Drehbuchautor schreibt, der Sprecher transportiert den Off-Kommentar im Dokumentarfilm und der Schauspieler ist durch seine professionelle Ausbildung in der Lage, auf der Klaviatur von Ausdrucksweise und Körpersprache virtuos zu spielen. Weil Videos und Filme, anders als eine Live-Show, mit höchster Präzision geplant und umgesetzt werden, spielt auch die Tagesform eine kleinere Rolle als bei Theaterschauspielern oder Zirkusartisten.
Text und Worte
Wer als Autor Konzepte oder als Sprecher-Texte für Auftragsfilme schreibt, oder sogar ganze Drehbücher für Spielfilme, wählt seine Worte und Sätze ganz gezielt. Die 7-38-55-Regel mag für Außenstehende ein Indiz sein, diesen wesentlichen Teil der Filmarbeit, gerade wenn es um Maßnahmen im Bereich Marketing und Kommunikation geht, frohgemut auf die leichte Schulter zu nehmen.
Falsch ist das aus zwei Gründen: Erstens wird die Textarbeit beim Film (mit Ausnahme von Serien, bei denen oft ein sogenannter Writers‘ Room, also ein ganzes Autorenteam, eingesetzt wird) in der Regel von nur einer Person geleistet. Entsprechend tief sind die Kosten im Vergleich zum üblichen Produktionsaufwand. Zweitens ist das Wort (man kann dem auch Konzept sagen) nichts anderes als das Fundament, auf dem alles andere aufgebaut wird. Kurz gesagt: Ohne ein gutes Konzept kann man genauso gut versuchen, aus einem Kaktus Wasser zu pressen.
Stimme, Stimmlage und Tonfall
In der Welt der Imagefilme und Auftragsvideos gehört eine begleitende Kommentarstimme zum Standard. Und bei 38 % muss man schon sehr blind sein, um nicht zu erkennen, wie wichtig das richtige Sprecher-Casting für solche Audio-Aufnahmen ist.
Doch da gibt es noch mehr zu beachten, denn das Angebot an Sprechern ist so breit gefächert wie der sprichwörtliche Wiener Schnitzelteig – und die Konkurrenz mindestens genauso stark. Zum Glück sind die Tarife durch die Sprecherverbände meist mehr als fair geregelt. Doch wer sich als Experte offenbaren möchte, sollte seine Sprecherwahl überaus sorgfältig treffen – denn ruckzuck ist hier definitiv der falsche Weg.
Mimik, Gestik, Körpersprache
Na ja, man kann’s durchaus auch mal zynisch betrachten: Ganze 55 %, also mehr als die halbe Miete, hängen allein davon ab, wer da vor der Kamera steht – und das ungeachtet dessen, was aus dem Mund kommt oder wie die Stimme klingt. Hier kann man sich merken, was einen Schauspieler von einem guten Schauspieler unterscheidet: Der gute Darsteller spielt die Rolle nicht, er ist sie, lebt sie und verkörpert sie mit Haut und Haar. Das nötige Quäntchen an Talent vorausgesetzt, fügt sie oder er dem Text noch einmal eine komplett neue Dimension hinzu.
Wer mehr über die Transformation von Text in Bild und die damit verbundenen Chancen und Risiken verstehen will, sollte sich mit der Äquivalenz-Theorie vertieft auseinandersetzen.
Wo der Hund begraben liegt
Die sogenannte 7-38-55-Regel, wie sie in der breiten Öffentlichkeit und von vielen Filmemachern verstanden wird, zeigt in meinen Augen überdeutlich, wo der Hase im Pfeffer liegt.
Man könnte meinen, dass es sich hierbei um eine bewährte Theorie handelt. Doch nur wenige wissen, dass Albert Mehrabian – ein renommierter Psychologieprofessor aus den USA – über Jahre vehement betont hat, dass seine Forschung niemals den Anteil der Elemente Worte, Stimme/Tonfall und Körpersprache an der Kommunikation untersucht hat.
Seine Forschung und die damit verbundenen Tests waren alle darauf ausgerichtet, herauszufinden, was geschieht, wenn sich diese drei Faktoren widersprechen. Und nur in diesem Zusammenhang lässt sich streng wissenschaftlich belegen, dass im Widerspruch die Interpretation wichtiger als der Ton und dieser wiederum wichtiger als die eigentliche Botschaft sind. Allerdings muss hierbei erwähnt werden, dass diese Ergebnisse bereits mehr als 50 Jahre alt sind und nicht mehr den aktuellen Stand der Forschung widerspiegeln.
Trotzdem sollte sich kein seriöser Videoproduzent erlauben, sich nicht auf die eine oder andere Weise mit der 7-38-55-Regel auseinanderzusetzen. Denn in der Wissenschaft wie auch in der Videoproduktion und Unternehmenskommunikation gilt: Profis erkennt man sofort.
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 11.05.2023

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