Zwei Regierungsgebäude im neuen Imagefilm der CDU zu verwechseln, ist das eine. Einen generischen Videoclip zu produzieren, der viel will und wenig ist, das andere. Oder steckt mehr dahinter? Hier findest du eine fachliche Analyse des neuen PR-Films, der jüngst wegen der Verwechslung des Berliner Reichstags mit dem georgischen Präsidentenpalast bundesweit in die Schlagzeilen geraten ist.
„Wir kreieren bewegende Inhalte, die Marken bewegen. Wir verknüpfen die digitale mit der analogen Welt.“, so frohgemut die Erklärung auf der Webseite der Agentur Guru. Diese betitelt sich in der Eigenwerbung munter als „Institute for Moving Content aus Hamburg“.
Die Hamburger haben für die CDU das neue Corporate Logo erarbeitet. Und ihren Klienten wohl mit dem Werbefilm dazu gleich haushoch in die Schlagzeilen katapultiert. Dies, weil im Videoclip für weniger als die Dauer einer Sekunde ein Archivbild verwechselt wurde.
Bei allem medialen Getöse und Geschrei in den sozialen Medien der letzten Tage muss man sich fragen: hat sich bitte jemand den 58 Sekunden langen Imagefilm mit eingeschaltetem Denkapparat angesehen?
Unbestritten, der Präsidentenpalast in Tiflis ist so viel – oder genauso wenig – mit dem deutschen Reichstag vergleichbar, wie ein Hamburger von Burger King mit einem von MacDonalds. Norman Foster hin oder her. So wenig darf auch ein Videoeditor wissen, der schon zwei Nächte durchgearbeitet hat. Und ja, so etwas ist peinlich.
Zuerst einmal für den Kunden, die CDU, deren Fachspezialisten mit Sicherheit den Imagefilm als letzte Kontrollinstanz zur Publikation freigegeben haben. Und sowas ist eine kleine Katastrophe für die Agentur, welche als Vertrauenspartner auch unter Druck fehlerfreie Filmarbeit abliefern sollte.
Wenn eine solche Verwechslung passiert, ist das schlimm. Aber viel schlimmer, geradezu tragisch, ist das Video als Gesamtwerk.
Das CDU-Imagevideo
Das hier gezeigte neue Imagevideo der CDU ist die innerhalb von Stunden als Folge des Mediensturms nachgebesserte Version – nun mit dem richtigen Reichstag (bei Sekunde 20).
CDU Imagevideo
Das Imagevideo dient als kommunikative Unterstützung für die optische Neuausrichtung der CDU. Deren neues Corporate Design soll die Grundwerte der Partei widerspiegeln und belegen, dass diese im Einklang mit der Gesellschaft und der aktuellen Zeit steht. Als bedeutende Volkspartei in Deutschland soll die CDU in einer dynamischen und kohärenten Weise präsentiert werden, ohne die breite Diversität innerhalb der Partei zu vernachlässigen: als Einheit, selbstbewusst und harmonisch.
Ob Standpauken und Backpfeifen mit der Rückmeldung der CDU an die vermutete Videoproduktion in Hamburg einhergegangen sind, man weiß es nicht.
Gegen außen hat die Kommunikationsabteilung der Partei jedenfalls (möglicherweise sogar mithilfe der Agentur) grandios reagiert. Wortwörtlich nachzulesen auf X am 20. September 2023: „Hey Community, großen Dank für eure zahlreichen Hinweise! Wir hatten echt viele Kuppeln zur Auswahl und haben uns jetzt für die einzig richtige entschieden.“
Analyse des neuen Videos der CDU
Zur Analyse des neuen Imagefilms der CDU bieten sich zwei unterschiedliche Betrachtungswinkel an:
Erstens steht immer die Frage im Raum, was inhaltlich transportiert wird – und wesentlicher – wie viel davon bei der Zielgruppe ankommt. Und zweitens der Untersuch, wie gut die Verschränkung von Aussagewunsch und Bewegtbild gelingt. Dabei gilt, das ist so was wie das Naturgesetz beim Einsatz von Film für Kommunikation und PR, dass die Form den Inhalt und der Inhalt die Form wechselseitig beeinflusst.
Das Schlimmste, was einem Imagevideo passieren kann: Es kommt so daher, wie man sich das vorstellt.
Das Grundkonzept des Videos überzeugt. Die Übersetzung des neuen Corporate Design als Schnittmaske, mit dahinter platzierten Videoinhalten, ist eine gute Entscheidung. Denkt man die ersten zwölf Sekunden. Dann aber wird der neue CDU-Imagefilm zu einer Semesterarbeit eines technikverliebten Filmstudierenden im ersten Semester an einer Filmschule, die um jeden Schüler froh ist. Was erfrischend beginnt, endet schnell in einem ermüdenden Bildgewitter und einer Endlosschlaufe.
Wer immer diesen Musikteppich ausgewählt hat, der die Imagebilder aus unterschiedlichen Bildarchiven einseift, gehört auf den Mond geschossen! Wenn man sich an Archivaufnahmen gütlich tut, Angst davor hat, das Interesse des Zuschauers zu verlieren, sollte man wenigstens verstehen, dass Videos, wie die Politik und das ganze Leben, ihre Kraft aus einem Wechsel von Rhythmen ziehen.
Gleichförmigkeit und das monotone, aber hier oftmals zu hohe Tempo der Montage ist eine Sünde, wenn es darum geht, als Partei mit einem Imagevideo seine Unterstützer zu bestätigen und indifferente Zielgruppen für sich einzunehmen. Hier erdrückt die Form den Inhalt. Zulasten der VTR, der Emotionen und des Erinnerungswerts.
Oder aber um die runde Ecke denken?
Möglicherweise aber ist hinter dem neuen CDU-Imagevideo auch eine ausgefuchste Truppe am Werk.
Was, wenn aus partei-internen, strategischen Gründen bei diesem Video die Summe nicht mehr als die Einzelteile sein durfte? Was, wenn man sich intern über die Austauschbarkeit, Beliebigkeit und Durchschnittlichkeit der Exekution dieses Imagefilms absolut im Klaren war? …
– worauf ein kluger Kopf entschieden hat, das Video mitsamt neuem Corporate Design mit einem Stunt viral gehen zu lassen … – und als Köder zwecks Steigerung der Aufmerksamkeit kurz mal den Reichstag mit einem Präsidentenpalast austauschen lassen hat.
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 21.09.2023
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