Wenn es um die Begründung der Kraft von Bewegtbild geht, fällt schnell einmal der Begriff Emotionen. Was aber steckt hinter diesem Wort? Wie viele Gefühle muss ein Video hervorrufen, um Wirkung zu erzeugen und damit erfolgreich zu sein? Hier findest du Antworten auf diese Fragen.
Es ist unumstritten und wissenschaftlich längst belegt: Der Mensch ist nicht in der Lage, Entscheidungen losgelöst von Emotionen zu treffen. Das gilt für höchst rationale Berufe wie Zahnarzt, Richter oder Polizisten ebenso, wie für Kaufentscheidungen von Otto Normalverbraucher.
Davon bleiben auch Videos nicht unberührt. Bewegtbild gilt gemeinhin als idealer Träger für Emotionen. Auch wenn die Überschrift „Wie viele Kilogramm Emotionen benötigt ein Video pro Minute?“ bewusst mit einem Augenzwinkern gesetzt ist: Professionelles Wissen um Art und Wirkung von Gefühlen in Video und Film ist für Videoproduzenten genau so entscheidend wie für Auftraggeber von Imagefilmen oder Erklärvideos.
Das musst du wissen
- Wann und wie stark mit Emotionen gearbeitet werden soll, dafür gibt es bewährte Rezepte.
- Gefühle können durch Fakten ausgelöst werden.
- Im Kampf um Aufmerksamkeit gilt sinngemäß: Je wichtiger und bedeutungsvoller deine Botschaft ist, desto leiser darfst du sprechen.
- Wege und Anforderungen für den emotionalen Zugang zum Zielpublikum haben geändert.
- Emotionale Kommunikation birgt, missverstanden, große Risiken.
Mit oder ohne Emotionen
Noch immer gilt für die Arbeit mit Gefühlen in vielen Agenturen das herkömmliche, klassische Verständnis. Nach diesem gibt es zwei Ansätze für ein Videokonzept:
Emotional oder rational.
Abhängig vom gewählten Ansatz appelliert ein Video nach diesem Prinzip von Beginn weg auf die Gefühle des Zuschauers. Oder an die Vernunft.
Im letzteren Fall werden, wenn überhaupt, Emotionen nicht auf Konzeptstufe als wichtigstes Ziel, sondern erst bei der Realisation – gewissermaßen als Nebenprodukt – den im Video behaupteten Vorteilen (wie Qualität oder durch technische Innovationen geschaffene, nie gekannte Möglichkeiten) beigemischt.
Der rationale Ansatz, also der Verzicht auf Gefühle und großes Kino, steht immer dann im Vordergrund, wenn man ein Produkt oder eine Kernaussage kommuniziert, die aus sich allein die Kraft zur Überzeugung besitzt. Damit ist etwa ein Angebot gemeint, welches durch seinen (tieferen) Preis eine kosten-affine Zielgruppe gewissermaßen automatisch überzeugt und damit zu Käufern macht.
Wirtschaftlich sinnvoll ist dies, weil Emotionen immer auch teuer und damit ein Risiko darstellen. Sie entstehen zu lassen, erfordert Talent, Erfahrung und viel Wissen – wobei nie ganz sicher ist, was man am Ende des Tages beim Zuseher wirklich auslöst. Informationen dagegen sind, was sie sind.
Nur dort, wo deutliche und einfach verständliche Differenzierungsmerkmale nicht vorhanden oder erkennbar sind, setzt man nach dieser Verständnisart von Beginn weg auf eine Gefühls-basierte, emotional getriebene Kommunikation.
Anders gesagt: Fehlen die funktionalen Argumente, nimmt man auf Emotionen Zugriff, um sein Anliegen an den Mann respektive die Frau zu bringen.
Kritische Denker halten dieser Denkschule entgegen, dass jede Kommunikation in der Realität immer ein Mix aus Rationalität und Emotion ist. Das ist korrekt.
Trotzdem ist man oftmals gut beraten, diese Unterscheidung im Hinterkopf zu behalten. Sie hilft nicht nur dort, wo der Kostendruck ein wichtiges Wörtchen mitspricht, den eigenen Blick für die wesentlichen Dinge zu schärfen.
Emotionen auslösen kann man auch ohne Emotionen
Stell dir vor, du bekommst einen Steuerbescheid zugestellt. Diese amtlichen Schreiben auf langweiligem Papier sind selten ein Musterbeispiel emotional getriebener, kreativer Kommunikation. Aber auch wenn nur Steuerart, Zeitraum und Betrag auf diesem Blatt Papier stehen – diese Art Dokument löst bei fast jedem Bürger eine Vielzahl an komplexen Gefühlen aus.
Mit diesem Beispiel dürfte hinreichend klar sein, dass auch rein rationale Konzepte und Videos das Potenzial haben, große Gefühle beim Empfänger auszulösen.
Emotionen sind also nicht beschränkt nur auf das, was du als Absender kommunizierst. Sondern immer die Summe der am Ende gefühlten Befindlichkeit aus dem Verhalten von Kommunikator und Rezipient (Empfänger).
Was bedeutet das? Nichts anderes, als dass du dein Zielpublikum kennen musst. Nicht gut, sondern hervorragend! Ansonsten kannst du nicht abschätzen, was dein Video auslöst. Dies ungeachtet davon, ob du für dein Imagevideo, Erklärvideo oder Produktvideo mit oder ohne Emotionen gearbeitet hast.
Inhaltliche Tiefe erforderlich
Emotionen sind immer dann billig, oberflächlich und ohne viel Nachhall, wenn sie auf Content aufgepfropft werden, der KEINE inhaltliche Tiefe aufweist.
Unsere Gefühlswelt ist komplex und unsere Emotionen sind es auch. Auch wenn niederschwellige Reize kurzfristig für Aufmerksamkeit sorgen, mit echten Emotionen hat ein knapper Bikini in einem TV-Spot nichts zu tun. Mit Sexismus dagegen umso mehr.
Wer auf Gefühle setzt, muss danach streben, den Menschen ins Herz treffen. Aber ohne, dass der Kopf dagegen ein Veto einlegt.
Darin liegt das Rezept zum Erfolg.
Wer Wichtiges zu sagen hat, muss weniger laut schreien
Die digitalen Medien, insbesondere Facebook, YouTube, Instagram, Twitter und Co. mögen viel verändert haben. Was aber geblieben ist: der Kampf um Aufmerksamkeit.
Nach wie vor gilt nicht nur sprichwörtlich: Wer am lautesten schreit, der wird gehört.
In der Sprache der Werber und Marketingprofis spricht man dabei von der erforderlichen Einzigartigkeit eines Konzepts und einer einnehmenden Umsetzung.
Gleichzeitig gilt aber auch: Je wichtiger eine Aussage ist (Wichtigkeit verstanden aus der Sicht der Adressaten!), desto weniger muss geschrien werden. Hier schließt sich der Kreis zu den Fakten und diesfalls sind Emotionen nicht entscheidend für Erfolg und Wirkung. Sei es, weil sie nicht vonnöten sind, oder weil sie beim Zuschauer des Videos bereits schlummern und mit Fakten getriggert werden können.
Neue Medien. Neue Spielregeln?
Die digitale Disruption in den Medien hat die Art und Weise, wie wir Inhalte konsumieren, radikal geändert. Aber trotz aller technologischen Fortschritte der letzten Jahre ist der Mensch selbst geblieben, was er ist.
Was ich damit sagen will: Die Technik hat geändert. Die Anforderungen für den emotionalen Zugang haben geändert. Geblieben ist die Wichtigkeit der Emotionen und damit verbunden das Wissen, wann, wie und wo Emotionen man bei Videos einsetzt. Oder eben nicht.
Risiko und Chance bei der Kommunikation mit Gefühlen
Die Mehrheit aller unserer Entscheidungen wird von Emotionen mitgesteuert. Interessanterweise neigt der Mensch dabei dazu, seine Entscheide zu rationalisieren. Er unterlegt den Gefühlen Fakten und logische Gründe, warum er tut, was er tut. Man rechtfertigt unter anderem einen Impulskauf über den herabgesetzten Preis – und fühlt sich darum gut dabei. Dieses Prinzip wird oft nicht nur von der Werbewirtschaft eingesetzt.
Aber diese Mechanik kann sich auch in ihr Gegenteil umkehren. Niemand von uns mag das Gefühl, manipuliert zu werden. Durchschaut der Zuschauer diese Mechanik, reagiert er mit einer Verweigerungshaltung.
Wir alle wissen und akzeptieren, dass Emotionen einen wesentlichen Anteil an unserem Verhalten haben. Wir sind uns bewusst, dass die Kommunikationswirtschaft darauf abzielt, uns mit Emotionen zu führen, und zu verführen. Trotzdem bestrafen wir paradoxerweise diejenigen Kommunikationsmaßnahmen mit Konsumverweigerung, die dumpf (oder ehrlich) genug sind, uns offen über die Gefühlsebene anzusprechen.
Auch das ist ein starkes Indiz dafür, dass Fakten und Emotionen für Marketing und Kommunikation als Zwillinge zu betrachten sind. Sie gehen Hand und Hand. Ihr Einsatz funktioniert nur mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl.
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 09.07.2019
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