Videoaufnahmen als Risiko: Zur EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)

DSGVO Videoaufnahmen Risiko EU-Datenschutz Grundverordnung
Wird die Herstellung von Videoaufnahmen eine Operation am offenen Herzen? | © Illustration: Pavel Sokolov

Am Freitag, 25.5.2018, trat für die EU eine neue Datenschutz-Grundverordnung (kurz: DSGVO, oder in Englisch: General Data Protection Regulation, GDPR) in Kraft. Die neuen Bestimmungen erlauben Menschen mehr Kontrolle über ihre digitalen Daten. Für Videoaufnahmen hat dies radikale Konsequenzen.

Bisher mussten Videoproducer bei den Aufnahmen von Personen in erster Linie sicherstellen, dass die Rechte zur Nutzung / Veröffentlichung sichergestellt sind. Die Grundlage dafür bildeten die Persönlichkeitsrechte der jeweiligen Personen und in Deutschland das Kunsturhebergesetz (KUG) aus dem Jahr 1907.

Neu betrachtet das Gesetz alle Aufnahmen (ungeachtet ob Bewegtbild oder Fotos) in erster Linie als digitale Daten. Diese fallen damit unter die neue Datenschutz-Grundverordnung. Und das hat für die praktische Arbeit mit Film und Video erhebliche, empfindliche Folgen.

Das musst du wissen

  • Die Datenschutz-Grundverordnung regelt für Videoaufnahmen empfindliche Punkte strenger als bisher.
  • Die Nicht-Erkennbarkeit einer Person entbindet nicht länger von der Pflicht, eine Einwilligung einzuholen.
  • Das Widerrufsrecht, also der Rückzug einer Einwilligung, ist neu (sogar für Statisten und Schauspieler) jederzeit möglich.
  • Die Diskrepanz zwischen Alltag und neuer Gesetzgebung wird wohl zukünftig durch die Rechtsprechung geklärt werden müssen.

Bisherige Regelung

Es galt: Das Kunsturhebergesetz steht über dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). In der Praxis war damit für Videoproducer, natürlich bei Wahrung der Rechte einer Person am eigenen Bild, das Recht gegeben, Videoaufnahmen mit abgebildeten Personen zu veröffentlichen. Das ändert:

Die neue Datenschutz-Grundverordnung löst das bisherige Bundesdatenschutzgesetz ab. Ihre Regeln überschreiben nun das alte Kunsturhebergesetz und gehen diesem vor. Mit der DSGVO kommt neu u. a. ein Verbot von E-Mail-Marketing (auch an bestehende Kunden und für B2B!). Dies, sofern der Empfänger dazu nicht ausdrücklich seine Einwilligung gegeben hat. Sowie eine umfassende Dokumentationspflicht für Film- und Videoproduktionen. Aber nicht nur.

Neu: Einwilligung losgelöst von Erkennbarkeit in Videoaufnahmen erforderlich

Als Grundregel galt bis anhin: Wer bisher als Person nicht erkennbar in einem Video, und ebenso Foto, abgebildet wurde (natürlich ohne Verletzung der Privatsphäre, Drohnenaufnahmen durch das Wohnzimmerfenster oder über einem privaten Pool erfüllen diese Voraussetzung nicht) musste nicht um eine Einwilligung gebeten werden.

Bei Videoaufnahmen für Imagefilme beispielsweise, war es darum zulässig, aus der Distanz über eine Straße zu schwenken oder eine Menschenmenge an einer Veranstaltung zu filmen.

Die DSGVO vollzieht nun das, was technisch längst Standard ist: Sie betrachtet schon die Videoaufnahme (nicht die Veröffentlichung) als der Zustimmung unterworfene Datenaufzeichnung.

Damit muss jede einzelne Person ausdrücklich ihre Erlaubnis geben. Ob bei einer Aufnahme ein Mensch im Vordergrund oder Hintergrund steht, von vorn oder hinten im Bild zu sehen ist, ändert daran nichts. Konzipiert zur Eingrenzung der Datensammelwut von Großkonzernen wie Facebook oder Google, trifft die neue Gesetzgebung auch kleine und mittelständische Firmen empfindlich.

Neu ist immer eine Einwilligung erforderlich: ob die Aufnahme aus kommerziellen Gründen erstellt wurde oder nicht, ob eine Aufnahme veröffentlicht werden soll oder nur privat (Showreel) genutzt wird.

Das bedeutet: Allein die Tatsache der Aufnahme unterwirft den Produzenten den neuen Spielregeln.

Schon heute gibt es Stimmen, die darin ein Verbot von Videoaufnahmen für Massenszenen für Film und Video sehen. In der Tat ist es in der Praxis wohl oftmals kaum möglich, alle Abgebildeten an einem Event oder an einer Strandpromenade um explizite Erlaubnis zu bitten und dies schriftlich und rechtsverbindlich zu dokumentieren.

Die Verfasser der neuen Spielregeln gehen davon aus, dass dieses Problem bei den Mitgliedstaaten der EU auf nationaler Ebene geregelt wird. Das ist bisher, auch wenn das neue Gesetz in Europa in wenigen Wochen in Kraft tritt, nicht geschehen.

Man muss darum nach heutigem Wissensstand davon ausgehen, dass eher früher als später Gerichte in den Mitgliedsländern, oder der Europäische Gerichtshof, diese Frage regeln muss.

Wer sich nicht an diese «Spielregeln» hält, dem drohen bei Videoaufnahmen hohe Geldbußen bis maximal 20 Mio. €. Dies ausdrücklich auch bei Verstößen gegen die Vorschriften zur Information und Einwilligung oder gegen die Rechte der betroffenen Personen (inkl. dem Recht auf Vergessenwerden und dem Recht auf Datenübertragbarkeit).

Widerrufsrecht der Einwilligung für Statisten und Darsteller bei Videoaufnahmen

Nicht weniger anspruchsvoll wird der Abschluss dauerhafter Verträge mit Statisten, Darsteller und Models. Sie alle haben neu mit Art. 17 DSGVO, Art. 21 DSGV, ein gesetzlich verbrieftes Recht, ihre Zustimmung zu widerrufen. Das wird einiges an Juristenfutter provozieren.

Man stelle sich vor, was passiert, wenn Darsteller oder Statisten in einem TV-Commercial nach dem Dreh ihre Zustimmung zurückziehen und die Löschung all ihrer Daten vom Produktionsunternehmen durchsetzen. Genau das ermöglicht nun die DSGVO.

Auch hier werden die Gerichte in Zukunft die Spielregeln für Videoaufnahmen verfeinern müssen. Bis es so weit ist, besteht für Film und Foto, für Videoproducer und Auftraggeber von Corporate Videos erhebliche Rechtsunsicherheit.

Wirtschaftliche Sinnhaftigkeit und gesellschaftliches Empfinden lässt die neue Datenschutz-Grundverordnung, zumindest wenn man diese im Wortlaut und im Sinne ihrer Urheber auslegt, leider unberücksichtigt.

Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf die Schweiz

Hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen … – die Schweiz ist nicht Mitglied der Europäischen Union (EU). Trotzdem müssen sich auch Schweizer Produzenten und Fotografen unter bestimmten Bedingungen bei Videoaufnahmen neu mit der neuen Datenschutzverordnung auseinandersetzen.

Erstens, weil diese auf dem Kriterium der Zielgruppe (sog. extraterritoriale Anwendung) aufgebaut ist. Artikel 3 DSGVO legt unter anderem fest: «(…) findet Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten von betroffenen Personen, die sich in der Union befinden, durch einen nicht in der Union niedergelassenen Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiter.»

Zweitens ist die Durchsetzung möglicher Ansprüche und Klagen aus der EU und damit auch aus der DSGVO im Zusammenhang mit Videoaufnahmen erschwert und in der Schweiz und an etliche Hürden gebunden. Denn hierzu muss in jedem Einzelfall zuerst die schweizerische Eidgenossenschaft („Bundesbern“) zustimmen.

In der Schweiz ist eine Revision des Datenschutzgesetzes (DSG) in Vorbereitung. Diese wird sich mit Sicherheit auch an der DSGVO orientieren. Aus Sicht der Produzenten bleibt zu hoffen, dass man die Unsicherheiten, welche die europäische Regelung aktuell schafft, nicht übernommen, sondern beseitigt werden.

Update

Hier findest du Informationen zur Verfassungsbeschwerde, welche unabhängige Dokumentarfilmschaffende aufgrund der DSGVO ergriffen haben.

Disclaimer

Dieser Artikel kann weder eine Rechtsberatung noch eine detaillierte Auseinandersetzung mit der DSGVO ersetzen. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Filmpuls kann für allfällige fehlerhafte Aussagen zur neuen Datenschutzverordnung und für deren Folgen in keinem Fall haftbar gemacht werden.

Die Redaktion freut sich über Fragen, Inputs, Feedback und Anmerkungen in der Kommentar-Funktion zu diesem Artikel.

Mehr Antworten zu Rechtsfragen

Weiteres aus der Rubrik Film und Recht findest du u. a. hier:

Wenn du für einen eigenen Fall eine Auskunft bekommen möchtest, melde dich bei uns über das Kontaktformular.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 17.04.2018

Redaktion Filmpuls 200 Artikel
Unter der Bezeichnung »Redaktion Filmpuls« erscheinen Beiträge, die von mehreren Redaktionsmitgliedern gemeinsam erstellt oder bearbeitet wurden.

11 Kommentare

  1. Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte… Was die Herrschaften in Brüssel da gegen ihre eigene Bevölkerung aushecken, sollte eigentlich gerichtlich geahndet werden. Unter dem Deckmäntelchen des „Datenschutzes“ werden ganze Wirtschaftszweige ruiniert, Leute mit unverhältnismäßig hohen Strafen mundtot gemacht und selbst kleine Blogger kriminalisiert, wenn sie mal irrtümlich ein Mail falsch weiterleiten… Mann oh Mann. In was für einer verrückten Zeit leben wir, wo wir uns von solch realitätsfremden Individuen auf dem Kopf rumtanzen lassen müssen?

  2. @Emi: Das ist falsch! Schuld sind die Datenkraken wie YouTube. Ohne deren Gier und Sammelwut gäbe es die DSGVO nicht! Und warum hat sich die Filmbranche nicht früher gewehrt?

  3. Der Artikel ist nicht ganz korrekt, weil unvollständig: Die Art. 6 und 7 DSGVO gibt es genau aus diesem Grund. Wer zu einer Veranstaltung geht, erteilt (z. B. durch den Aufdruck auf der Rückseite der Eintrittskarte) seine Einwilligung. Er würde widersprechen, indem er die Veranstaltung wieder verlässt. Ganz einfach eigentlich. Wirklich schwer ist es tatsächlich, wenn man in der Öffentlichkeit (z. B. dienstags auf dem Marktplatz) jemanden ablichtet. Aber das war es auch früher schon. Die Nichtidentifizierbarkeit ist übrigens ein Ausschlusskriterium: Wenn man nicht identifizierbar ist, sind auch keine personenbezogenen (!) Daten angefallen. Also ist es schlichtweg falsch zu sagen, dass ein Schwenk über einen großen Platz mit vielen Leuten automatisch dazu führt, dass man generell jeden fragen müsste.

  4. Auf der Fachkonferenz zur DSGVO des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher Ende März in Berlin wurde von Justiziaren die folgende Meinung vertreten: Es ist unerheblich, ob die abgebildete Person erkennbar ist oder nicht. Die bloße Aufnahme einer Person gilt neu nach DSGVO als ein „Akt personenbezogener Datenerhebung“ – mit allen Konsequenzen.

  5. Oh Mann, ich mache privat Filme über meine Randsportart „Kitebuggy“. Muss ich nun jeden um Einwilligung fragen, dass ich die Szene, in die er hereinplatzte, benutzen darf? Das kann doch alles nicht wahr sein. Dann kann ich auch gleich meine gesamten GoPros verkaufen.

  6. Wenn ich auf Line Dance Events Videos mache für unsere Gruppe für Übungszwecken Verstöße ich dann gegen den Datenschutz? Muss ich vor der Veranstaltung fragen, ob ich Videoaufnahmen machen darf?

  7. @Mecklenburg Der Jurist sagt: Ja, streng nach Gesetz ist eine Zustimmung erforderlich. Soweit die Theorie. In der Praxis allerdings dürften an einer Veranstaltung mehr als nur eine Person die Darbietungen mit einer Kamera oder einem Smartphone dokumentieren, sodass wir auch darum den gesunden Menschenverstand höher gewichten würden als die Paragrafen. Zumindest, solange die Aufnahmen nicht online gestellt werden. Viel Spaß!

  8. Man traut sich gar nicht mehr in der Öffentlichkeit zu Filmen!? Auch Hochzeitsfilme, Firmendarstellung damit verdiene ich mein Geld. Unser Land wird langsam aber stetig kaputt gemacht von innen heraus (wir haben ja keinen Krieg also müssen wir das selbst machen) ich habe schon mit vollem Ernst daran gedacht auszuwandern, dann produziere ich Filme für die Europäer.

  9. Dieses Gesetz ist dermaßen realitätsfern das es absurd ist.

    Übernimmt man die Einschätzung der Juristen, hat sich damit der Großteil der Bevölkerung bereits strafbar gemacht, denn so ziemlich jeder (sicherlich auch Juristen!) hat schon einmal mit dem Smartphone Aufnahmen gemacht, auf denen auch andere Menschen zu sehen sind von denen keine ausdrückliche Einwilligung eingeholt worden ist (wie auch).

    In diesem Land gibt es mittlerweile derart viele unsinnige Verordnungen und Gesetze dieser Art, dass man selbst wenn man rücksichtsvoll und mit vollkommen gesundem Menschenverstand seinem Alltag und seiner Arbeit nachgeht sich irgendwann dennoch unwissend in die Illegalität begibt.

    Und wie schützt diese Verordnung bitte unsere Privatsphäre und Persönlichkeitsrecht, wenn der Großteil von personenbezogenen Daten durch Hacks von Facebook und anderen Plattformen und Webseiten geleaked werden?

  10. Wie sieht es beim Unterricht mit einem Videokonferenz-Tool (Zoom, MS Teams) aus, wenn ich den Unterricht aufnehme? Die Aufnahme könnte theoretisch auch von anderen Personen angesehen werden, die bei der Live-Aufnahme nicht dabei waren.

  11. @Justin: die typische Antwort des Justiziars lautet „es kommt darauf an“. Erstens, ob Gesetze und Rechtsprechung aus Deutschland, Österreich (beide EU) oder in der Schweiz zur Anwendung kommen. Zweites, ob die Teilnehmer ihre Einwilligung zur Aufnahme und/oder Verbreitung erteilt haben – vorausgesetzt es sind keine Kinder/Jugendliche, bei denen die Eltern oder Erziehungsberechtigten zustimmen müssen. Der sichere Weg, der mit dem gesunden Menschenverstand übereinstimmt: immer ein O. K. einholen. Idealerweise schriftlich, und mit dem Hinweis bei Anmeldung/Versand des Links zur Teilnahme UND nochmals mündlich zu Beginn der Aufzeichnung. Happy teaching!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Links zu Werbezwecken werden ausgefiltert.


*