Anleitung zur Selbstkritik für erfolgreiche Filmproduzenten und solche, die es werden wollen

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Und der Haifisch, der hat Zähne und die trägt er im Gesicht | © Cartoon: Pavel Sokolov

Wer die Karriere-Stufe Produzent erreicht hat, der tut gut daran, sporadisch über den Tellerrand hinauszublicken. Und sich ein übergeordnetes Referenzsystem zur Eigenkontrolle und Selbstkritik zu schaffen. Zur Kontrolle des eigenen Egos bieten sich dabei fünf bewährte Fragen aus der allgemeinen Management-Lehre an.

Wenn der Mensch einmal kann, was er für die Ausübung seines Berufs und seiner Funktion können muss, entscheidet nur mehr das Maß der verfügbaren eigenen Energie und die Fähigkeit zur Selbstkritik über den weiteren Erfolg oder Misserfolg.

Berufsbild Filmproduzent

Produzent zu sein, ist ein anspruchsvoller Management-Job. Es ist eine Tätigkeit, die viele Abenteuer verspricht. Die Funktion des Producers ist meist nur auf abenteuerlichen Pfaden und nicht ohne Hürden, Gefahren und Umwege zu erreichen. Nicht nur, weil dieses Berufsbild in Kombination mit den Gegebenheiten der Filmbranche unausweichlich zu einer gesteigerten Selbstwirksamkeit zwingt.

Wie immer, wenn ein Beruf zugleich Berufung ist, Freude macht und gleichermaßen von Faszination und Leistungsdruck dominiert wird, droht nach den ersten großen Erfolgen das Wesentliche vergessen zu gehen. Denn nicht nur Filme sind wichtig.

Noch wichtiger sind unzähligen weiteren Menschen, die an jeder Filmherstellung beteiligt sind. Für einen erfahrenen Produzenten scheint das auf den ersten Blick eine höchst banale Feststellung zu sein. Und trotzdem blicken viele Filmproduzenten erst in den Spiegel und üben sich in Selbstkritik, wenn es dafür zu spät ist und Karriere und Reputation bereits Schaden genommen haben. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass viele Spiegel im Umfeld eines Producers, anders als bei Schneewittchen, Märchen erzählen.

Schlechte Filme lassen sich im Filmgeschäft nicht vermeiden. Anders ist es bei schlechten Gewohnheiten und den eigenen Fähigkeiten. Wer diese verbessern will, benötigt einzig den Willen dazu!

  • Position oder Arbeitsergebnis
  • Beliebtheit oder Verantwortung
  • Gefühl oder Fakten
  • Harmonie oder Konfrontation
  • Unverletzbarkeit oder Vertrauen
  • langfristiger Erfolg

Grafik: die fünf wesentlichen Fragen der Selbstkritik bei Filmproduzenten

Langfristig erfolgreiche Producer bei Film, Fernsehen und Serien wissen, dass sich ihre Tätigkeit in fünf unterschiedlichen psychologischen Spannungsfeldern bewegt.

1Die eigene Position über das Arbeitsergebnis stellen

Im Filmbusiness gibt es nichts geschenkt. Jeder Produzent hat sich seine Position über einen langen Weg hart erarbeitet. Ist er beruflich am Ziel und steht auf der Visitenkarte unter dem eigenen Namen endlich die langersehnte Funktion, beginnt ein neuer Abschnitt im Berufsleben. Die ersten Projekte und Jahre wächst man als Filmproducer in die neue Position hinein, festigt seine Fähigkeiten und Stellung und geht mit der gebotenen Vorsicht vor.

Eines Tages übernimmt der Erfolg oder die Routine das Ruder. Ab diesem Punkt wird es ohne Selbstkritik gefährlich. Nicht ohne Grund gilt im Mediengeschäft und nicht nur da: Was einen Filmproduzenten groß werden lässt, macht ihn auch wieder klein!

  • Position oder Arbeitsergebnis
  • Beliebtheit oder Verantwortung
  • Gefühl oder Fakten
  • Harmonie oder Konfrontation
  • Unverletzbarkeit oder Vertrauen
  • langfristiger Erfolg

Spannungsfeld 1: Position oder Arbeitsergebnis?

Langfristig als Produzent Erfolg hat nur, wer jedes Projekt wie sein Erstes behandelt. Erfolg beim Film ist nur im Kollektiv möglich. Der Zuschauer (oder Auftraggeber bei einem Imagefilm) ist am Ende des Tages nicht an den Machern, sondern daran interessiert, ob der Film, also das Arbeitsergebnis des Filmproducer, gut ist.

2Die eigene Beliebtheit über die Verantwortung als Produzent stellen

Der Umgang mit Kompetenz kann lustvoll sein. Macht besitzt Suchtpotenzial. Filmproduzent zu werden, davon träumen viele Menschen. Ein Produzent kann (sich) Wünsche erfüllen. Das soll er auch. Nachgeben bei Verhandlungen und die Investition von Geld in kreative Ideen ebenso wie für Unvorhergesehenes oder Vergessenes ist für den Projekterfolg zwingend.

Wenn damit aber die eigene Beliebtheit statt die Filmqualität sichergestellt wird, hat ein Filmproducer seinen Beruf missverstanden.

  • Position oder Arbeitsergebnis
  • Beliebtheit oder Verantwortung
  • Gefühl oder Fakten
  • Harmonie oder Konfrontation
  • Unverletzbarkeit oder Vertrauen
  • langfristiger Erfolg

Spannungsfeld 2: Beliebtheit oder Verantwortung?

Filmprojekte entstehen in soziotechnischen Strukturen und Clustern. Sozio steht für die soziale, menschliche Komponente. Zum Erfolg ist aber immer auch eine („technische“) Infrastruktur und Rahmenbedingungen erforderlich. Die Verantwortung für das Funktionieren dieser komplexen Doppelstruktur liegt beim Produzenten.

Am Ende des Tages wird niemand Danke sagen, wenn eine Filmproduktion wegen mangelnder Verantwortung abgebrochen werden muss oder scheitert und der halb fertige Film vom Filmteam nicht als Referenz für einen nächsten Job gebraucht werden kann.

3Das Gefühl über die Fakten stellen

Wer Filme produziert, arbeitet mit Emotionen. Mit Emotionen arbeiten kann nur, wer auch selbst zu seinen Gefühlen steht und diese selbstkritisch zulässt. Das Problem dabei: Gefühle können, gerade bei der meist hochkomplexen Herstellung von Film und Video im Schnittfeld von Projektarbeit, Kommunikation und Kunst, kolossal täuschen.

Zahlen und Emotionen sind im Geschäft mit Film und Video keine Zwillinge. Sondern entfernte Verwandte. Sie müssen sich immer wieder aufs Neue annähern und schätzen lernen.

Es gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Produzenten, Emotionen und Fakten in Einklang zu bringen.

  • Position oder Arbeitsergebnis
  • Beliebtheit oder Verantwortung
  • Gefühl oder Fakten
  • Harmonie oder Konfrontation
  • Unverletzbarkeit oder Vertrauen
  • langfristiger Erfolg

Spannungsfeld 3: Emotionen oder Fakten?

Wer im schnelllebigen Filmgeschäft glaubt, die eigene Erfahrung von gestern sei eine Garantie für den Erfolg von morgen, mag dabei ein gutes Gefühl haben, hat aber selten eine Zukunft.

4Die Harmonie über die Konfrontation stellen

Streithähne und Aggressoren wie Harvey Hollywood sind beim Film häufig in Führungsfunktionen zu finden. Schmusekatzen nicht. Viele Menschen aber mögen keine Konflikte. Sie empfinden Konfrontationen als anstrengend, weil Konflikte überwiegend Veränderungen bedeuten, oftmals schmerzhaft und beängstigend sind.

  • Position oder Arbeitsergebnis
  • Beliebtheit oder Verantwortung
  • Gefühl oder Fakten
  • Harmonie oder Konfrontation
  • Unverletzbarkeit oder Vertrauen
  • langfristiger Erfolg

Spannungsfeld 4: Harmonie oder Konfrontation?

Bei jedem Filmprojekt entwickeln sich Situationen, in denen eine Konfrontation unumgänglich ist. Konfrontationen um der Harmonie willen vermeiden ist falsch. Genauso falsch allerdings ist es, sich nach der Konfrontation und Klärung der Situation nicht um die Wiederherstellung der Harmonie zu bemühen.

5Die Unverletzbarkeit als Filmproduzent über das Vertrauen stellen

Kein Mensch ist fehlerfrei. Niemand ist frei von persönlichen Empfindungen. Wer als Produzent versucht, sich als fehlerfreie Entscheidungsmaschine zu positionieren, begeht damit den größtmöglichen aller Fehler. Deutlicher als auf diese Weise kann man als Producer seine Schwächen und die Unfähigkeit zur Selbstkritik nicht zeigen.

  • Position oder Arbeitsergebnis
  • Beliebtheit oder Verantwortung
  • Gefühl oder Fakten
  • Harmonie oder Konfrontation
  • Unverletzbarkeit oder Vertrauen
  • langfristiger Erfolg

Spannungsfeld 5: Unverletzbarkeit oder Vertrauen?

Ungeachtet, auf welcher Funktionsstufe man sich im Filmgeschäft bewegt: Jede Person in einer Filmcrew erlebt Dinge und Vorgänge, die falsch, ärgerlich oder sogar schmerzhaft sind. Für diese trägt der Filmproduzent ohne Ausnahme die letzte Verantwortung.

Stark und vertrauenswürdig ist, wer als Entscheider dazu stehen kann, dass er weder fehlerfrei noch unverletzlich ist.

Fazit

Ein guter Produzent gibt bei Projektbeginn sein Ego an der Garderobe ab und besitzt trotzdem genügend Rückgrat, um aufrecht durch seine Produktion zu gehen. Die kollektive Intelligenz der Filmcrews ist erstaunlich hoch: Wer quasselt, statt liefert, wer nur Filmproducer spielt, statt zu Filmproduzent sein, der verkennt die Verantwortung seiner Funktion. Und ist am falschen Ort.

Anhand von fünf Fragen erkennst du gute Produzenten:

  1. Stellt der Filmproduzent die eigene Position über das Ergebnis seiner Arbeit?
  2. Ist ihm die Beliebtheit seiner Person wichtiger, als die Verantwortung für sein Tun zu übernehmen und unangenehme, aber erforderliche Entscheide zu fällen?
  3. Ignoriert der Produzent die Tatsachen und entscheidet mit Bauchgefühl, wo die Fakten dazu klar im Widerspruch stehen?
  4. Ist ihm oberflächliche Harmonie lieber, als Konflikte konstruktiv anzugehen und aufzulösen?
  5. Hat er die Fähigkeit, eigene Fehler zuzugehen? Oder will er fehlerfrei scheinen und macht andere dafür verantwortlich?

Ein erfolgreicher Filmproduzent zeichnet sich aus durch Einfluss, Selbstbewusstsein und ein weit überdurchschnittlich ausgeprägtes Ego. Das macht immun gegen Kritik jeder Art. Und ist gefährlich. Wer sich eine Leitungsfunktion in einer Filmproduktion erarbeitet hat, richtig verhandeln kann und mit gutem Gewissen feststellt, dass er für diesen Beruf gemacht ist und die Fähigkeit zur Selbstkritik besitzt, entdeckt die Faszination des Filmemachens täglich wieder aufs Neue!

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 29.11.2016

Zachery Z. 53 Artikel
Zachery Zelluloid war in der Unterhaltungsindustrie tätig. Er schreibt unter Pseudonym, weil er weder vertraglichen Schweigepflichten verletzen, noch das wirtschaftliche Fortkommen der Berufsgattung Anwalt fördern oder Freunde brüskieren will. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

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