Ist es erlaubt, kurze Clips aus fremden Videos im eigenen Film zu verwenden? | Frage Doktor Film

fremde videoclips in eigenem film verwenden
Gute Frage: darf ich fremdes Videomaterial im eigenen Film verwenden? | © Cartoon: Pavel Sokolov

Darf man fremde Videos als Ausschnitte kostenlos verwenden. Und damit auch ohne Einwilligung der Rechteinhaber? Ist die Länge einer Videosequenz dafür ausschlaggebend? Oder vielmehr, ob die Filmsequenzen auf YouTube oder sonst wo bereits veröffentlicht und zugänglich sind? Oder zählt nur der Zweck. Hier findest du die Antwort auf diese Fragen.

Darf man fremde Videos als Ausschnitte kostenlos verwenden?

Die Frage, unter welchen Bedingungen man fremde Videos als Ausschnitte kostenlos verwenden darf, ist eine der schwierigsten im Urheberrecht. Das Problem stellt sich nur dann, wenn an der Videofootage, die man verwenden möchte, überhaupt Urheberrechte bestehen. Nur: Die Rechte an einem Film bleiben 70 Jahre ab dem Zeitpunkt des Todes des Rechteinhabers bestehen. Damit gibt es kaum Filmaufnahmen, an denen niemand Rechte besitzt!

Von: A. Djemal
An: Filmpuls Magazin
Betrifft: Verwendung und Lizenzierung von Musik im TV

Ich habe einen Song gemacht, der sich über Musikvideos lustig macht. Die Frage damit ist: Darf man für den Musikvideoclip dazu auch Ausschnitte von YouTube downloaden, berühmte Bands und so, die man im eigenen Video gerne ver**** möchte. Wie ist das so? Es sind auch alte Songs, so aus 1980 von MTV. Kann ich also fremde Videos als Ausschnitte kostenlos verwenden?

Ahmed
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Diese E-Mail stammt vom Kontaktformular von filmpuls.info

Bevor wir uns auf dünnes Eis bewegen, schauen wir uns erstmals die Hintergründe zur Bestimmung an, wann fremde Videos als Ausschnitte kostenlos verwendet werden dürfen. Damit wird die Absicht hinter den Regeln verständlicher.

Warum gibt es Ausnahmen bei geschützten Werken? Ganz einfach: Grundsätzlich muss es in einer freien Gesellschaft möglich sein, so die Überlegung des Gesetzgebers, über Äußerungen von anderen Personen zu diskutieren oder sich darüber in einem gewissen Maß auch lustig zu machen. Das gehört zur freien Meinungsäußerung. Zugleich ist es wünschenswert, dass man Dinge, die eine andere Person zum Ausdruck bringt, auch unter gewissen Bedingungen selbst unverändert in seinem eigenen Werk einarbeiten kann.

Möglich ist dies nur, wenn das, was zur Debatte steht, auch thematisiert werden darf. Darum, so die Idee hinter dem Gesetz, soll man etwas zitieren oder parodieren dürfen. Der bekannteste Fall eines Zitats sind Projektarbeiten oder wissenschaftliche Aufsätze. Hier wird meist mit Fußnoten und Auszügen aus anderen Arbeiten auf fortbestehende Werke verwiesen.

Wichtig dabei und gut zu wissen ist, dass das Zitatrecht sich ausdrücklich nicht nur auf Texte beschränkt: auch Videoaufnahmen sind darin inbegriffen. Man darf also fremde Videos als Ausschnitte kostenlos verwenden, wenn auch nur in sehr engen Grenzen.

Zitatrecht: fremde Videosequenzen verwenden

Paragraf 51 des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) definiert den Rahmen dafür, unter welchen Voraussetzungen fremdes Videomaterial kostenlos als Filmzitat zum Einsatz kommen darf:

Voraussetzungen, damit man fremde Videos als Ausschnitte kostenlos nutzen darf:

  • Absicht und Zweck: wer einen kurzen Ausschnitt aus einem Video nur darum einsetzt, weil dieser für den eigenen Film oder die eigenen Zwecke optisch schön ist, begeht eine Urheberrechtsverletzung.
  • Belegcharakter: erlaubt sind nur Zitate, die eine eigene Aussage belegen. Das Gesetz nennt dies Belegcharakter. Es muss also eine Verbindung zwischen dem verwendeten Material und dem eigenen Werk bestehen.
  • Kennzeichnung: zulässig ist ein Zitat immer nur dann, wenn es als solches auch erkennbar gekennzeichnet ist.
  • Länge der Videosequenz: der Gesetzgeber erlaubt die Nutzung von Filmaufnahmen im Rahmen des Zitatrechts aber nur in einer beschränkten Länge. Diese ist nicht in Minuten oder Sekunden definiert! Erlaubt ist, was ihm gebotenen Umfang erforderlich ist.

Während über die Kennzeichnung eines Werks kaum gestritten werden kann, ist die Frage des Bestehens einer inneren Verbindung zwischen dem fremden und dem eigenen Werk genauso unklar wie die Frage, was der erlaubte Umfang ist! Die oft genannte Mindestlänge von 20 Sekunden für eine freie Nutzung ist erfunden. Das Urheberrechtsgesetz kennt keine solche Längenfreigabe.

Wer fremde Videos als Ausschnitte für ein Zitat kostenlos verwenden möchte – also OHNE den Urheber Erlaubnis dafür zu bitten – muss diese offenen Fragen selbst mit einem Rechtsexperten klären.

Deshalb führt kein Weg an einer anwaltlichen Einschätzung vorbei! Wer sicher sein will, dass sein Video durch die Verwendung von Drittaufnahmen keine Rechte von anderen Personen verletzt, darf sich nicht auf unterschiedlich interpretierbare Rahmenbedingungen verlassen.

Parodien, Satiren, Persiflage

Fremde Videos als Ausschnitte kostenlos zu verwenden ist nebst dem Zitieren noch in einem zweiten Fall zulässig: wenn es sich dabei gemäß § 24 UrhG um eine Parodie, Persiflage oder Parodie und damit im Sinne des Gesetzes um eine freie Benutzung handelt.

Das ist immer dann der Fall, wenn es darum geht, sich über das Originalmaterial lustig zu machen, dieses auf humorvolle Art zu kommentieren oder in Form einer Gesellschaftskritik.

Was ist eine Parodie, eine Persiflage oder um Satire?
  • Parodie: eine Parodie ist eine humorvolle oder satirische Nachahmung eines Werks, die in der Regel der Lächerlichkeit dienen soll. Parodie kann auch als politisches Mittel eingesetzt werden. In den vergangenen Jahren wird die Parodie immer häufiger für soziale und politische Kommentare genutzt. Fernsehsendungen nutzt Parodien häufig, um Politiker und aktuelle Ereignisse auf die Schippe zu nehmen. Indem sie die Eigenschaften ihrer Zielpersonen überspitzt darstellen, können sie ihr Verhalten oder ihre Politik auf den Punkt bringen.
  • Persiflage: die Persiflage ist ein heiterer, spöttischer oder verächtlicher Kommentar. Sie kann sowohl in filmischer Form, oder schriftlich als auch als gesprochener Text verwendet werden. Sie wird oft benutzt, um sich über jemanden oder etwas lustig zu machen. Das Wort Persiflage kommt aus dem Französischen und bedeutet „spotten“ oder „verspotten“. Persiflage kann zwar positiv verwendet werden, wird aber häufiger negativ oder kritisch verwendet.
  • Satire: Satire ist eine Form der Gesellschaftskritik, die mit Humor die Unzulänglichkeiten von Einzelpersonen, Organisationen oder der Gesellschaft als Ganzes aufdeckt und lächerlich macht. Satire wird oft eingesetzt, um Veränderungen oder Reformen anzuregen, sie kann aber auch einfach nur amüsieren oder unterhalten. Satire findet sich in allen Medien, in Büchern, Filmen, Fernsehsendungen, Witzen und sogar Memes. Die häufigsten Ziele der Satire sind Politiker und Personen des öffentlichen Lebens. Satire kann sich aber auch auf gesellschaftliche Themen wie Rassismus, Sexismus und Homophobie beziehen.

Bei der freien Nutzung im Rahmen von Parodie, Persiflage oder Satire – das ist ausschlaggebend – darf man sich nur von einer bestehenden Filmsequenz inspirieren lassen. Zugleich erlaubt das Gesetz nur eine Verwendung, die nicht mit dem Originalwerk identisch ist. Zusätzlich muss das geschützte Werk, das den Anstoß zur Parodie, Satire oder Persiflage gegeben hat, bei der humoristischen Neuinterpretation in den Hintergrund treten. Wer fremde Videos als Ausschnitte kostenlos verwendet, und zwar 1:1, also ohne den Inhalt neu und selbst zu gestalten, verletzt das Gesetz.

Auch bei der Frage, was Inspiration heißt und in der Praxis bedeutet, zeigt sich erneut, dass es bei der Interpretation dieser Begriffe gefährliche Falltüren gibt.

Was bedeutet das nun konkret für die Musikvideoproduktion?

Die Kombination des Zitatrechts mit dem Recht auf Parodie im Urheberrecht eröffnet bei einem Musikvideo theoretisch diverse spaßige Möglichkeiten. Doch wie zuvor erwähnt: Ohne eine sorgfältige rechtliche Abklärung, die erst dann möglich ist, wenn die konkreten Ausschnitte aus anderen Werten alle bereits im Detail bekannt sind, ist eine verbindliche Antwort unmöglich.

Wer die Kosten für eine Rechtsberatung und anwaltliche Prüfung nicht investieren will, besitzt nur eine einzige andere Möglichkeit, um Risiken zu vermeiden, wenn er fremde Videos als Ausschnitte kostenlos verwenden möchte: beim Eigentümer der Videorechte um die Erlaubnis nachzufragen, die Ausschnitte verwenden zu dürfen.

Bitte beachte, dass die einzige Absicht dieses Artikels darin besteht, dich auf die Wichtigkeit einer rechtlichen Beratung beim Eingehen einer Erfolgsbeteiligung zu sensibilisieren. Die Aussagen in diesem Text können weder einen Anwalt ersetzen, noch verbindliche Grundlage für einen Deal sein.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 15.06.2022

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