Soll oder muss man heute als Videoproduktion auch reine Filmberatung anbieten?

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Eine gute Idee? Als Videofirma durch Filmberatung ein Stück vom Kuchen abschneiden? | © Skizze: Pavel Sokolov

Unternehmen, die ihren Videocontent selbst produzieren, sind nichts Neues. Auch die Entwicklungen von Filmproduktionen hin zu Filmagenturen und die verstärkte Konzentration auf Storytelling hat schon vor mehr als ein Jahrzehnt begonnen. Neu aber zeichnet sich eine kritische Entwicklung ab. Immer mehr – auch etablierte – Videoproduktionen bieten an, Firmen bei der Herstellung von Videos als Berater zu unterstützen und bieten Filmberatung an.

Die klassisch-herkömmliche Rollenverteilung bei Auftragsproduktionen umfasst in nahezu allen Genres der Videoproduktion zwei oder drei Akteure: das beauftragende Unternehmen, die produzierende Videoproduktionsfirma. Bei größeren Produktionsvorhaben wird oftmals eine Werbe-/ Kommunikationsagentur zur Unterstützung und Vertretung der Auftragsgeberfirma beigezogen. In diesem Fall übernimmt diese die Filmberatung.

Good News, aber nicht nur

Ab 2005 hat die Etablierung neuer Distributionskanäle (soziale Medien, Webseiten mit eingebundenen Videos) zu zwei Trends geführt, die nach wie vor andauern: Erstens wird immer mehr Content mit Bewegtbild benötigt.

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© Foto: zVg
Berufsbild BeraterIn

Ausgeprägter Mix aus sozialen, methodischen und fachlichen Fähigkeiten

cpo.  Im Kern jeder externen Beratung steht die Aufgabe, ein vom Auftraggeber definiertes Problem besser zu lösen, als es dieser selbst vermag. Der Fokus der Problemlösung liegt dabei im fachlichen Bereich. Dies grenzt die Aufgaben und Kompetenzen des Beraters von derjenigen eines Trainers oder Coachs ab, deren Ziel es ist, die Fähigkeiten von Mitarbeitenden dahin gehend auszubauen, dass diese künftig selbst zur Problemlösung in der Lage sind.

Als Beratungsmissbrauch bezeichnet man die Verletzung grundlegender Prinzipien der Beratung durch den Beratenden, beispielsweise indem dieser seinen Wissensvorsprung nutzt, um sich selbst Vorteile zu verschaffen oder um eine Abhängigkeit des Beratungsnehmer zu seiner Person entstehen zu lassen.

Das war und ist die positive Seite dieser neuen Entwicklung. Die Kehrseite der Medaille: mit dem Hunger nach konstant neuem Content begann sich, zweitens, auch die „Halbwertszeit“(Einsatzdauer) von Videos zu reduzieren. Als Folge davon mussten mehr Videos produziert werden.

Weil aber einerseits die Budgetvolumen für Auftragsvideos in den Unternehmen kaum oder, wenn überhaupt, nur wenig angehoben wurden und andererseits wegen der kurzen Einsatzdauer keine hohen Produktionskosten anfallen durften, begannen Auftraggeber verstärkt Videoproduktionen im Low-Budget Segment zu beauftragen. In der Folge erkannten sie, dass man diese Art Videos mit einem Inhouse-Videoteam noch günstiger in großen Stückzahlen herstellen konnte.

Umgekehrt, das gilt bis heute, machen diese Firmen wiederholt aber auch die Erfahrung, dass die Produktion von Videos oftmals komplexer ist, als man auf den ersten Blick zu denken vermag. In Krisen ertönt Ruf nach professioneller Unterstützung und einer Filmberatung besonders oft von Unternehmen. Soll man dies als Filmproduktion zum Wachstum nützen?

Vor diesem Hintergrund liegt der Schluss nahe, als Filmproduktion diese Unternehmen beratend zu unterstützen, um sich auf diese Weise als Filmberater auch noch ein kleines Stück vom Kuchen abzuschneiden.

Doch ist dies sinnvoll?

Echte und unechte Filmberater

Als echter Filmberater kann man jemanden bezeichnen, der nur und einzig eine Beratungsleistung anbietet. Dies ist vergleichbar mit einem Freelance Agency-Producer oder freischaffenden Unternehmensberater.

Unecht, wenn nicht sogar an der Grenze zu unlauterem Verhalten, ist eine Videoberatung immer dann, wenn sie von einer Videoproduktionsfirma mit dem Hintergedanken erbracht wird, sich mittels Filmberatung durch die Hintertüre für Produktionsaufträge ins Spiel zu bringen.

Ein echter Berater tut genau das, was seine Rollenbezeichnung besagt. Er berät. Wird er auch ausführend tätig, erwächst ein unlösbarer Interessenkonflikt. Der Filmberater als Vertreter des Auftraggebers muss das bestmögliche Video zum tiefstmöglichen Preis zum Ziel haben. Wer Videos produziert, ist auch Unternehmer. Er muss als solcher darum kämpfen, von seinem Kunden das maximal mögliche Budgetvolumen zu ergattern. Das ist nur eines von vielen Beispielen.

Beratung für Videos ist oftmals Ausbildung

Hält man sich vor Augen, für welche Arten von Videos bei Unternehmen Inhouse-Videoteams aufgestellt sind, kann man nicht anders, als die Mehrheit aller Fälle von Filmberatung als Ausbildung zu beurteilen.

Warum?

Insourcing bei der Herstellung von Videos überdauert immer nur dann die erste unternehmensinterne Begeisterung und Meilensteine, wenn der produzierte Content überzeugt. Darin unterscheidet sich die interne Produktion nur beschränkt von eingekauften Leistungen.

Darum stehen interne Videoabteilungen in der Regel entweder im Dienst der internen Kommunikation, oder sie produzieren gekonnt und regelmäßig Event-Videos, Erklär- oder Informationsvideos, kaum aber Imagefilme oder Werbevideos, die diesen Namen verdienen. Ganz einfach darum, weil diese Videogattungen nicht nur eine technische, sondern auch eine ausgeprägt künstlerische Komponente der Macher erfordern. Bei kleinen Filmen und Videos ist aber leider auch das Budget für die Filmberatung klein.

Was man für die Filmberatung daraus lernen kann

Es ist nichts falsch daran, unternehmenseigene Videoteams systematisch zu beraten.

Als Videofirma sollte man sich aber glasklar bewusst sein, dass man als beratende Filmproduktion kein Filmberater ist, sondern in der Mehrheit der Fälle eine Ausbildungsleistung erbringt. Wer als kleine Videoproduktionsfirma, als Videojournalist oder als Alleskönner im Markt positioniert ist, sägt damit möglicherweise am eigenen Ast. Zumal mit dieser Art Beratung kaum regelmäßige (Zusatz-)Einkünfte erzielt werden können. Ausnahmen, die auf persönlichen Kontakten und Beziehungen beruhen, bestätigen die Regel.

Selten eine gute Idee ist es, wegen abnehmendem Auftragsvolumen aus der Not heraus ohne fundierte Ausbildung und ohne das erforderliche Maß an Erfahrung als Filmberater im vom harten Wettbewerb geprägten Markt für Auftragsfilme herumwirbeln zu wollen.

Es gibt in im Filmgeschäft und im Beratungsbusiness bereits zu viele Eier, die als Videocoach klüger als das Huhn sein wollen.

Wer versteht, was das Profil eines Beraters ausmacht und diese Rolle auszufüllen vermag, fokussiert als kluges Köpfchen und Filmberater nach ersten Erfolgen schnell einmal auf die Beratung von Kunden mit Filmvorhaben im fünf- und sechsstelligen €-Bereich. Weil diese Filmprojekte aber meist in enger Zusammenarbeit mit Agenturen durchgeführt werden, ist man als Filmemacher in dieser Rolle am Ende des Tages … – nicht mehr und nicht weniger als ein Agency Producer!

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 23.06.2021

Carlo Olsson 99 Artikel
Carlo Olsson begleitet die Herstellung von Filmen, Videos und TV-Serien im Auftrag von Unternehmen, Agenturen und Produktionsfirmen. In seiner Freizeit spielt er Eishockey und beschäftigt sich mit barocker Klangdramatik.

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