Wie verhandle ich einen Deal mit Netflix oder einem anderen Streaming-Anbieter?

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Hi, mein Name ist Fisch! | © Foto: Sokolov

Viele Filmemacher träumen von einem Deal mit Netflix oder einem anderen Streaming-Anbieter. Was aber bedeutet es genau, bei Vertragsverhandlungen einem dieser US-Giganten gegenüber am Verhandlungstisch zu sitzen? Welche Punkte gilt es dabei zu beachten? Und was darf dabei überhaupt diskutiert werden und auf welchen Grundlagen? Hier findest du die Antworten auf diese Fragen!

Was bedeutet ein Deal mit Netflix?

Zuerst und vorab: wer mit Netflix einen Deal verhandeln darf, hat schon mal sehr viel richtig gemacht. Schließlich setzt der Streaming-Konzern aus Los Gatos, Kalifornien, wie kaum ein anderer auf die drei wichtigsten Dinge im Filmgeschäft und der Serienproduktion: Talent, Talent und Talent.

Das haben mittlerweile auch Mitbewerber wie Disney+, Apple TV+, Amazon Prime, Sky und Hulu festgestellt, die nicht ohne Erfolg die Erfolgsrezepte des Branchenprimus zu kopieren versuchen.

Umso weniger schadet es, die wichtigsten Spielregeln im Markt für Vertragsverhandlungen für Spielfilme, Dokumentationen und Serienprojekte zu kennen, die im Auftrag von Streaming-Plattformen produziert werden.

Von: Dasisthaha Einplatzhalter
An: Doktor Film
Betrifft: Serie für Netflix machen

Hallo Dr. Film,

Ich habe eine wichtige Frage, auf die ich im Internet trotz langer Suche wenig herausfinde. Weil es auf Deals für Serien und Movies für Streaming nur komplizierte Antworten gibt? Was mich interessiert ist: Wie verhandle ich einen coolen Vertrag mit jemandem wie Netflix?

Freundliche Grüße
Soblöd Sindwirnicht
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Diese E-Mail stammt vom Kontaktformular von filmpuls.info

Einen Deal für eine Serie oder einen Film mit einem Streaming-Anbieter zu verhandeln, ist in der Tat kein Pappenstiel. Die einfache Antwort darauf, warum das so ist, lautet: Weil es bei solchen Verträgen meist wenig bis nichts zu verhandeln gibt!

Das ist nicht ironisch gemeint und auch nicht wirklich im Wortsinn zu verstehen. Die Krux liegt darin, dass sich bei einer Verhandlung zwei Parteien über ihre Vorstellungen austauschen und am Ende einen Kompromiss finden, der als Vertrag für beide Seiten stimmt.

Wenig bis keine Grautöne bei einem Deal mit Netflix?

Bei einem Deal mit einem Konzern wie Netflix aber bedeutet verhandeln: Man bekommt in der Regel ein Angebot, zu dem man Jahr oder Nein sagen kann. Es gibt Schwarz oder Weiß. Aber wenig dazwischen.

Für Weltstars wie Martin Scorsese und Leonardo DiCaprioDwayne Johnson oder Gal Gadot oder für Dong-hyuk Hwang – Showrunner und Autor der nun mit einer zweiten Staffel fortgesetzten Serie von Squid Game – mag das bei Vertragsverhandlungen anders sein. Für alle anderen allerdings heißt es: nimm den Deal. Oder lass es sein. Oder, wie das alte Bauern-Sprichwort sagt: „Friss oder stirb!“

Es bestehen aber noch weitere Besonderheiten bei der Zusammenarbeit und beim Abschließen von Verträgen mit globalen Streaming-Plattformen:

Pauschalen und ihre Herleitung

Anders als bei einem herkömmlichen Kinofilm oder einer Fernsehproduktion bieten die Giganten im Netz in der Regel eine Abgeltung in Form einer einmaligen Pauschale an. In diesem Deal enthalten ist die Bedingung, dass sämtliche Rechte mit der einmaligen Bezahlung übertragen werden und damit ein für alle Mal weltweit und ohne zeitliche Begrenzung abgegolten sind. Totales Buy-out heißt die Devise, die wenig überraschend ebenso wie die Höhe der Abgeltung nicht diskutiert werden kann.

Pauschalen sind an sich eine nette Sache. Im Filmgeschäft, wie überall sonst auch im Geschäftsleben, legt man einer seriösen Berechnung einer Pauschale für Verträge eine ganze Reihe von Annahmen zugrunde. Faktoren wie Drehtage, der eigene Marktwert, Risiken und Opportunitätskosten werden dabei letztlich in einer Summe pauschaliert, die für beide Vertragspartner annehmbare Chancen und Risiken beinhaltet.

Bei einem Deal mit Netflix oder einem sonstigen bekannten Streaming Anbieter mit US-amerikanischem Hintergrund erntet diese Art der Parametrisierung meist nur ein nettes Lächeln.

Tatsächlich ist es nahezu unmöglich, im Streaming-Geschäft eine Pauschale mit fundierten Annahmen zu unterlegen. Als Filmemacher bewegt man sich diesbezüglich in einer Blackbox. Schuld daran allerdings sind die Streaming-Konzerne. Denn diese kommunizieren seit jeher keine Zahlen. Oder wenn, dann einzig die Gesamtzahl der Stunden, die eine Serie oder ein Film für sich verbuchen kann. Und das auch nur für die Top 10.

Als möglicher Vertragspartner, besser: Lieferant, besitzt man darum im Streaming-Geschäft keinerlei Möglichkeiten, aus vergleichbaren Vorhaben Rückschlüsse jeglicher Art oder Argumente abzuleiten.

Love me or hate me

Viele Filmschaffende, die in vom europäischen Urheberrecht geprägten Modellen für die Abgeltung ihrer Arbeit erwachsen geworden sind, tun sich mit solchen – aus ihrer Sicht willkürlichen und unfairen – Deals in Vertragsdokumenten und den dazugehörigen Verhandlungen schwer.

Die Filmschaffenden in Dänemark, einem Land, dem es an filmischem Selbstbewusstsein nicht mangelt, haben erst kürzlich versucht, mit ihren Berufsorganisationen (Filmverbänden) transparentere Vertragsbedingungen für Deals mit Netflix für ihre Verträge auszuhandeln.

Netflix, durch die wachsende Konkurrenz herausgefordert, aber mit nach wie vor einer Marktmacht, die es in dieser Art (noch) kein zweites Mal gibt, hat prompt reagiert: Der Konzern hat, wohl auch um ein Zeichen für andere europäische Länder zu setzen, sämtliche dänischen Produktionsvorhaben kurzerhand gestoppt. Das dahinterliegende Denkmuster kennt man von Aufklebern an Pick-ups im amerikanischen Hinterland: „Wenn du nicht für uns bist, bist du gegen uns.“

Wer mit einem Streamer nicht als Schauspieler, Regisseur, Autor oder Kameramann eine vertragliche Vereinbarung angeht, sondern als Filmproduktion-Firma, muss eine weitere Besonderheit beachten:

Risiken bei der Projekt- und Drehbuchentwicklung

Normalerweise wird die Projektentwicklung von Medienkonzernen wie Netflix erst rückwirkend, abgegolten. Das bedeutet konkret: das Risiko für Drehbuch etc. liegt in der Praxis zu 100 % beim Produzenten. Stößt ein Projekt nicht auf Begeisterung oder weigert sich die Produktionsfirma, auf die Vertragsbedingungen einer Streaming-Plattform einzugehen, bleibt der Produzent (oder Drehbuchautor) auf sämtlichen Entwicklungskosten sitzen. Kein Vertrag. Kein Geld.

Fazit zu Deals mit Netflix & Co.

Das alles klingt fürchterlich hart und das ist es auch. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass das amerikanische Filmschaffen keine staatliche Förderung kennt. Der Geldgeber trägt das totale Risiko. Wer zahlt, befiehlt darum nicht nur, sondern besitzt auch die Wahl, wem er befehlen will! Rechenschaft über das eigene Geschäftsgebaren schuldet man ausschließlich den eigenen Aktionären.

Wer den Willen zur Kooperation mit einem privaten Medienunternehmen wie Netflix, HBO, Disney+ etc. besitzt, muss sich diesem raubtierkapitalistischen Rattenrennen unterwerfen.

Für robuste Charaktere kann dies ein Ansporn sein, sich selbst zu übertreffen. Dies mit der Absicht, als Talent eines schönen Tages selbst so viel Macht in sich zu vereinen, dass man für einen Streaming-Deal auf Augenhöhe verhandeln kann. Und darin liegt, wenn größtenteils auch nur theoretisch, ebenso viel Wahrheit wie poetische Schönheit.

Du oder du

Wenn du diesen Artikel bis hier gelesen hast und Lars heißt, würden wir dich gerne interviewen. Trägst du einen anderen Vornamen, teile mit uns deine eigenen Erfahrungen mit Verträgen für die Zusammenarbeit mit auf Streaming spezialisierten Medienproduzenten mit.

Im Wissen, dass jeder Deal mit einem Streaming-Anbieter umfassende Schweigeklauseln und saftige Konventionalstrafen beinhaltet, wollen wir trotz Quellenschutz und rechtsverbindlicher Zusicherung von Anonymität keine Details aus individuellen Vereinbarungen kennenlernen. Interessieren tun uns einzig grundsätzliche Überlegungen und die Frage, was die heutige Regelung auf lange Sicht für das europäische Filmschaffen bedeutet.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 07.07.2022

Zachery Z. 51 Artikel
Zachery Zelluloid war in der Unterhaltungsindustrie tätig. Er schreibt unter Pseudonym, weil er weder vertraglichen Schweigepflichten verletzen, noch das wirtschaftliche Fortkommen der Berufsgattung Anwalt fördern oder Freunde brüskieren will. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

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