Ist ein Spielfilm produziert, ist es einfach festzustellen, ob du als Produzent die richtigen Fachkräfte verpflichtet hast. Doch dann kannst du dich nur noch freuen. Oder maßlos ärgern. Abgedreht ist abgedreht. Wie erkennst du während deinem Filmprojekt, ob du wahre Profis an Bord hast? Oder ob du auf begnadete Selbstverkäufer hereingefallen bist? Hier findest du die Antwort.
Filmemachen ist Projektgeschäft. Immer wieder aufs Neue. Jeder Spielfilm ist ein Unikat. Altgediente Filmfüchse wissen: kein Projekt ohne Krise. Als Filmproduzent kosten dich Turbulenzen viel Geld und Energie, oft auch Macht. Beim Imagefilm leidet meist auch das Vertrauen des Auftraggebers in deine Kompetenz.
Trotzdem haben Krisen auch ihr Gutes. Hier erkennst du, wer ein wahrer Profi ist. Und wer nicht.
Die Sache mit der Badehose
Warren Buffett, legendärer Investor, ist berühmt für die Feststellung: „Erst bei Ebbe sieht man, wer Badehosen trägt.“ Das ist bei Film und Video nicht anders. Und nicht nur beim Schmalspurfilmer. Nicht ohne Grund wissen insbesondere Piloten, dass erst in kritischen Situationen erkennbar ist, wer tatsächlich ein Profi ist.
Unter einer Krise wird in diesem Artikel eine höchst bedrohliche Situation verstanden. In der Filmproduktion sind das Situationen, die dein Filmprojekt scheitern lassen können.
Gemeint sind die Momente, in denen dein Telefon klingelt und du anschließend als Filmproduzent mit unkontrolliert zuckendem Mundwinkel und mit überhöhter Geschwindigkeit an den Drehort fährst. Sofern du als Produzent nicht bereits vor Ort im Auge des Hurrikans bist. Was es auch nicht besser macht. Es sind die Momente, in denen du einem Produktionsabbruch gegenüberstehst.
Um den Super-GAU abzuwenden, sind jetzt absolute Topleistungen erforderlich!
Dieser Anspruch schließt dich als Filmproduzent genauso ein, wie Regisseur, Kameraleute, Regie-Assistenz und Produktionsleitung.
Fünf Merkmale echter Profis bei einer Krise
Höchst kritische Situationen besitzen in der Kombination immer fünf gemeinsame Merkmale1:
- Die Krisensituation erfordert zur Lösung höchste Anforderungen an das fachliche Können.
- Der Ausgang der Situation ist ungewiss. Es „kommt nicht automatisch gut“.
- Fallen keine oder die falschen Entscheide, endet es böse. Oder anders gesagt: die Situation ist überaus ernsthaft und bedrohlich. Vielleicht auch tragisch.
- Es besteht hoher Zeitdruck. Abwarten ist keine Option. Keine!
- Es gibt keine zweite Chance. Du und dein Team müssen entscheiden. Schnell! Dieser Entscheid hat Folgen. Er kann nicht rückgängig gemacht werden.
Mit diesen fünf Punkten lösungsorientiert umgehen zu können heißt, daran erkennt man wahre Profis zu sein. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. In derartigen Situationen erst siehst du, ob du und deine Head of Departments aus dem richtigen Holz für das Entertainment-Geschäft geschnitzt sind.
Quelle: 1 Definition nach Hans Eberspächer, deutscher Psychologe, (* 194 bis; † 2014)
Wahre Profis haben Routine und Selbstvertrauen
Wer der Kombination aus diesen fünf Faktoren im richtigen Leben gegenübersteht und sie erfolgreich bewältigt, beweist mehr als nur Routine. Er oder sie hat auch eine gehörige Portion Selbstvertrauen.
Training allein hilft dazu nicht. Denn was ist Training? Nicht mehr und nicht weniger als die Aneignung einer gewissen Routine. Diese ist zwar für die Bewältigung von Krisensituationen dienlich, kann dich aber auch komplett blockieren. Einem wahren Profi darf das nicht passieren!
Fehlt ein einziges bekanntes Element der Übungskette, blockieren Stress und Hilflosigkeit alle anderen Gedankengänge.
Das sind die Fälle, in denen unerfahrene Airline-Piloten bei Gefahr immer wieder damit beginnen, ihre Checklisten für Notfälle durchzugehen. Sie drehen sich im Hamsterrad im Kreis, statt die Bedrohung zu akzeptieren, um damit den Kopf freizumachen, eine vielleicht nicht geübte, aber rettende Lösung zu finden.
Kippen Menschen aus ihrer Routine, ist das oftmals daran zu erkennen, dass sie mit sich selbst zu sprechen beginnen. Sie denken im Stress laut über alle möglichen Optionen nach. Bis keine Zeit mehr ist, überhaupt eine Wahl zu treffen.
Das Entertainment-Geschäft versteht sich glänzend darin, Krisen zu verbergen oder zu glorifizieren. Selten hört man, was hinter den Kulissen bei den Dreharbeiten wirklich gelaufen ist. Der Schein will gewahrt werden. The show must go on.
Einen Flugzeugabsturz verhindert
Das bekannteste Beispiel der letzten Jahre für eine Topleistung in einer Situation, die:
- maximale Ansprüche an das fachliche Können,
- einen ungewissen Ausgang,
- bedrohliche Konsequenzen bei einem Misserfolg,
- keine zweite Chance und
- wenig Zeit mit sich brachte,
war die Notlandung eines Linienflugzeugs kurz nach dem Start in den Hudson River bei New York im Jahr 2009.
Die Geschichte der haarsträubenden Notwasserung wurde 2016 von Regisseur Clint Eastwood mit Tom Hanks (Finch) in der Hauptrolle verfilmt.
Filmausschnitt: Sully (2016) | Regie: Clint Eastwood, mit Tom Hanks, © Warner Brothers
Pilot „Sully“ Sullenberger (*1951) behielt nach einer Kollision mit Wildgänsen kurz nach dem Start die Nerven. Er bewies, was wahre Profis ausmacht: enorme mentale Stärke. Die Flughöhe seines Passagierflugzeugs ließ nach einem kompletten Triebwerksausfall einen motorlosen Gleitflug von knapp 180 Sekunden zu.
Der Tower wies den Piloten an, zum Airport La Guardia, wo das Passagierflugzeug Minuten zuvor gestartet war, zurückzukehren. Als echter Profi erkannt Sullenberger innerhalb von Sekunden, dass sein 75 Tonnen schweres „Segelflugzeug“ pro Minute über 300 Minuten an Höhe verlor.
Umkehren und eine Notlandung auf dem Flughafen zu versuchen, würde mit einem Absturz in der Stadt New York enden, und damit nicht nur das Leben seiner 155 Passagiere und seiner Crew kosten.
Weil Sullenberger diesen Entscheid in den ersten Sekunden gefällt hatte, war sein Kopf nun frei für das, was überlebenswichtig war: das motorlose, tonnenschwere Flugzeug bis zum Aufsetzen im Fluss mitten in New York waagrecht zu halten und es so im Wasser zu landen, dass es vom Aufprall nicht zerbrechen würde. Alle 155 Passagiere überlebten.
Lessons Learned
Was kann daraus lernen? Erstens, dass kluge Entscheidungen in Krisen auch darum erfolgreich sind, weil man sie nicht mehr hinterfragt, sondern zu Ende bringt. Zweitens, dass man als wahrer Profi, und nur dann, auf die eigenen Fähigkeiten vertrauen sollte, diese aber auch nicht überschätzen darf.
Das musst du wissen
- Wahre Profis erkennst du in Krisen daran, wie sie mit 5, für eine Notsituation typischen, Merkmalen umgehen.
- Diese Merkmale müssen miteinander kombiniert auftreten und durch Entscheidungen gelöst werden.
- Eine Spitzenkraft weist sich in einer solchen Situation aus durch: (1) höchstes fachliches Können; (2) beherztes, aktives Handeln; (3) die Fähigkeit, die richtige Handlungsoption zu wählen; (4) bei Zeitdruck nicht die Nerven zu verlieren; und (5) keine Angst davor zu haben, dass es keine zweite Chance gibt, den unter Zeitdruck getroffenen Handlungsentscheid zu korrigieren.
Filme entstehen im Kopf des Autors und Regisseurs. Sie enden im Kopf des Zuschauers. Krisen, auch das ist wahr, werden im Kopf bewältigt. Möglich ist das mit Fachwissen, Erfahrung, Talent – und manchmal auch Mut.
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 16.06.2020
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