Sicher: Barbie ist nur eine Puppe. Aber das bedeutet nicht, dass sie dumm geboren wurde und nichts dazu lernen kann! Genau darin liegt der Ansatz von Regisseurin Greta Gerwig, um eines der bekanntesten Plastikspielzeuge Amerikas auf der großen Leinwand zum Leben zu erwecken. Die Besetzung von Margot Robbie und Ryan Gosling als Ken in den Hauptrollen macht diesen Film bereits zu einem Ereignis. Aber damit nicht genug.
Barbies Stärke war immer schon ihre biedere Vorbildfunktion. Kritiker und Feministinnen haben zwar berechtigterweise seit Jahrzehnten die unrealistischen Schönheitsstandards der Spielzeugpuppe mit der Modelfigur kritisiert. Barbie hat aber auch stets im guten wie im Schlecht gezeigt, dass Mädchen alles tun und sein können.
Barbie in der modernen Welt
Margot Robbie ist als Schauspielerin in dieser Komödie das perfekte Barbie-Double. Regisseurin Greta Gerwig schmuggelt gekonnt ihre Botschaften in Barbies absurde Sanduhrfigur. Und die haben es in sich. Dafür verdient Gerwig Lob. Allerdings: Der Box-Office-Selbstmord an der Kinokasse wäre wohl vorauszusehen gewesen, wenn „Barbie“ im Jahr 2023 ohne feministische Botschaft zur Frauenemanzipation als Kinofilm adaptiert worden wäre.
„Barbie“ ist eine bonbonbunte, energiegeladene Filmkomödie, in der die populärste Barbie (Margot Robbie) aus dem idyllischen Barbieland eine existenzielle Krise durchlebt. Sie begibt sich mit Ken (Ryan Gosling) auf eine Reise in die menschliche Welt, um sich selbst und ihren wahren Zweck zu entdecken. Während ihrer Reise entdecken sie harte Wahrheiten und schließen neue Freundschaften.
Der Film stellt Barbies unrealistische Körperproportionen und die daraus resultierenden Körperbildprobleme bei jungen Mädchen zur Diskussion, feiert aber gleichzeitig ihre Rolle als feministisches Symbol.
Mit beißendem Witz kommentiert der Film die genderdynamische Realität unserer Welt und nutzt dabei ein Ensemble bekannter Darsteller. Trotz seiner Stärken kann der Film jedoch mitunter ungleichmäßig wirken, insbesondere wenn er sich auf seine ernsteren Themen konzentriert und dabei seinen humorvollen Tonfall verliert.
Ansehen
Nur im Kino
★★★★★ = empfehlenswert | ★ = kaum sehenswert Credits & Filmdaten von | Nutzung erfolgt eigenverantwortlich
Das Drehbuch von Gerwig und Noah Baumbach ist klug gewählt:
Der Plot beschuldigt die meistverkaufte Puppe auf direktem Weg, die Frauenbewegung zurückzuwerfen. Diese Vorwürfe erschüttern Barbie (Margot Robbie). Sie, die jeden Tag in der immer sonnigen, hellrosa Fantasiewelt aufwacht, in der nur Barbies in allen Farben und Körperformen existieren. Barbies gewinnen Nobelpreise und besetzen alle 12 Sitze im Obersten Gerichtshof in Barbie-Bimboland. Und gelegentlich werden sie von Dutzenden Ken-Puppen belästigt, die offensichtlich unsicher sind, und – was für ein herrlicher Einfall!, der allein das Kinoticket wert ist – getrennt verkauft (und gehalten) zu werden.
Barbie und die Realität
Barbieland, wie die Heimat von Barbie genannt wird, zeigt eine komische alternative Welt, ein wilder Pop-Art-Raum, der geradezu vor übersättigten Farben explodiert.
(Mausklick auf Grafik öffnet Gegenargumente)
Warum „Barbie“ gut ist
„Barbie“ garantiert als Komödie schrägen Humor und unerwartete Lacher.
Margot Robbie verbindet Satire und Aufrichtigkeit genial miteinander.
Körperideale und Geschlechterdynamiken werden im Film hinterfragt.
Der Film regt zu tiefgründigen Diskussionen über Zusammenarbeit an.
Helen Mirren hat im Film die Rolle der Erzählerin, die dem Kinozuschauer die Regeln erläutert. Mit diesem Kunstgriff schafft Regisseurin Greta Gerwig einen roten Faden, der auch erzählerische Abstecher erlaubt. Etwa, um betrachtungswürdige Kostüme oder alte Fernsehspots oder eingestellte Produkte des Spielzeug-Herstellers Mattel in die Filmhandlung einzuweben. Denn Margot Robbies blondhaarige, hellhäutige, stereotypische Barbie scheint einzig eine abstrakte Vorstellung von sich selbst als Spielzeug zu haben und im rosaroten hier und jetzt zu leben.
In der realen Welt, etwa die Hälfte des Films spielt in der Realität, sind und bleiben die Frauen benachteiligt. Was Barbie zuerst als wenig liebevoller Weckruf erlebt, wird zu ihrer Mission.
Barbie gegen das Patriarchat
Wie jeder richtige Kerl ist Ken in der realen Welt konstant damit beschäftigt, seinen leeren Kopf mit all den Möglichkeiten zu füllen, die ihm das „Patriarchat“ bietet. Im Barbieland ist Kens Job eine absichtlich unklar definierte Nebensache, während in der Realität ohne Zweifel die männlichen Hormone regieren. Ken ist es, der die Idee einer Männerherrschaft zurück in die heile bonbonfarbene Welt bringt und alle Frauen dazu manipuliert, sich wie gehorsame Heimchen am Herd zu verhalten.
Ryan Gosling ist Schönling und Sportler, perfekt also, um den leicht räuberischen, aber auch modisch hilflosen Ken zu spielen. Barbie an seiner Seite setzt eine unmöglich hohe Latte für Weiblichkeit und Stärke, bleibt jedoch trotzdem bodenständig und authentisch. Ihre Figur ist gleichzeitig eine Parodie auf die berüchtigte Puppe und eine Hommage an ihre Fähigkeit, sich in eine unendliche Anzahl von Rollen einzufügen.
Inhaltliche Tiefe trotz Glamour und Glitzer
Die subversive Komödie spielt bewusst den Stereotypen. Sie setzt Barbie und ihre Freundinnen als Protagonistinnen gegen eine männlich dominierte Gesellschaft, die sie als bloße Objekte sieht. Dem Glamour und Glitzer der Barbiewelt zum Trotz bleibt der Film bodenständig und thematisiert die Wichtigkeit von Selbstbestimmung und Emanzipation.
Weil ich ein Drehbuch immer und immer wieder träume, fühlen sich meine Filme bereits vor den Dreharbeiten wie eigene Erinnerungen an. Greta Gerwig
Barbie lässt sich in dieser Realverfilmung denn auch als Feministin lesen:
Sie kämpft hier gegen vorgefasste Rollenbilder und Erwartungen an. Sie wird mit der Wirklichkeit konfrontiert, dass das Aussehen nicht alles ist und wahre Schönheit von innen kommt. Trotz der Herausforderungen, die sie bewältigen muss, behält sie immer ihren Optimismus und Glauben an das Gute im Menschen.
Das Ende des Films: Eine Erklärung für Emanzipation
Am Ende des Films, keine Überraschung, gelingt es Barbie und ihren Freundinnen, Ken und die restlichen Bewohner *innen aus Barbieland aus der drohenden Männerherrschaft zu befreien. Damit einher geht die überdeutliche Botschaft, dass es mehr als nur eine Art gibt, eine Frau oder einen Mann zu sein. Barbie, die einmal ein Symbol für unrealistische Schönheitsstandards war, wird so zur Verkörperung der Botschaft, dass jeder Mensch wertvoll und einzigartig ist, genau so, wie er ist.
Trotz einiger Mängel, wie ein etwas abflachende Ende dieser Komödie und die zuweilen übertrieben breitgetretene Kritik am früheren Image der Barbie-Puppe, ist dieser Film insgesamt eine gekonnte und gelungene Umsetzung für große Leinwand. Es ist ein schräger Film, der zum Nachdenken anregt und gleichzeitig Spaß macht. Darum: „Barbie“ ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung für die Darstellung von Diversität und Frauen in der Filmbranche.
Es bleibt zu hoffen, dass andere Filmemacher*innen diesem Beispiel folgen werden.
Das Zitat von Greta Gerwig in dieser Filmkritik wurde sinngemäß, nicht wörtlich, aus der englischen Sprache übersetzt.
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1 Kommentar
Sehr schöne Filmkritik! Kann ich nur zustimmen, der Film funktioniert für mich auch sowohl gesellschaftskritisch als auch als Komödie. Es ist schon auch richtig, dass die Marketing-Kampagne einige Lacher vorwegnimmt, ich finde aber „Barbie“ ist da noch ein Vorzeigefilm. Anders als aktuell oft gängig wurde hier mal nicht die gesamte Handlung gespoilert.
Sehr schöne Filmkritik! Kann ich nur zustimmen, der Film funktioniert für mich auch sowohl gesellschaftskritisch als auch als Komödie. Es ist schon auch richtig, dass die Marketing-Kampagne einige Lacher vorwegnimmt, ich finde aber „Barbie“ ist da noch ein Vorzeigefilm. Anders als aktuell oft gängig wurde hier mal nicht die gesamte Handlung gespoilert.