Wir tun es mehrfach pro Tag. Oftmals auch, ohne uns groß bewusst zu sein, dass wir dabei instinktiv eine ganze Reihe unausgesprochener Regeln beachten: Miteinander Sprechen ist in jeder Hinsicht komplexer, als man auf den ersten Blick denken könnte. Dialog schneiden hat es in sich.
Bewusst wird einem die Schwierigkeit der filmischen Montage von Gesprächen, dem Schneiden von Dialog, immer dann, wenn man auf dem Filmset eine Dialog-Szene zu inszenieren hat. Oder wenn im Schneideraum ein Gespräch editiert werden soll. Spätestens dann wird auch dem Laien klar:
Dieser Artikel analysiert eine Dialog-Szene der meisterhaft inszenierten TV-Serie «The Crown» von Showrunner Peter Morgan. An diesem Beispiel zeigen wir exemplarisch, was beim Dialog schneiden möglich ist. Die Analyse konzentriert sich auf den Schnitt.
Die Frage, ob Regisseur oder Cutter eine Szene letztlich geprägt haben, spielt für die Analyse zum Dialog schneiden keine wesentliche Rolle. Denn für den Zuschauer zählt am Ende nur das Resultat. Und dieses ist in der bild- und wortgewaltigen Fernsehserie über Queen Elizabeth II. überaus eindrücklich.
Dialog schneiden am Beispiel von «The Crown»
Als Beispiel für das Schneiden von Dialog haben wir uns eine Szene aus der kürzlich erschienen Staffel 2 von «The Crown» von Netflix ausgesucht. Diese ist seit Dezember 2017 auf Netflix (ebenso wie die vorhergehende Staffel) verfügbar.
In der Dialog-Sequenz, welche für diesen Artikel über Dialog schneiden in ihre einzelnen Einstellungen zerlegen werden soll, bittet Edward, Duke of Windsor, die Queen einige Jahre nach Kriegsende, im britischen Königreich wieder eine offizielle Funktion einnehmen zu dürfen. Edward war als Edward VIII. ab Januar 1936 bereits zehn Monate König von Großbritannien und Nordirland, hat dann aber freiwillig wegen einer Liebesbeziehung auf den Thron zugunsten seines Bruders, Prinz Albert (George VI.), des Vaters von Elisabeth, verzichtet.
Edward ist sich nicht bewusst, dass die Queen über seine Kontakte zu Nazideutschland während des Kriegs im Detail unterrichtet ist.
Diese Sequenz aus Staffel 2, Folge 6, besteht aus insgesamt 47 montierten Einstellungen und dauert 05:03. In der Timeline sieht die Abfolge in Screenshots mit Blick auf das Dialog schneiden wie folgt aus:
Im ersten Bild betritt Eduard den Raum, in dem Queen Elizabeth ihn bereits erwartet. In der letzten Einstellung der Szene beendet die Monarchin das Gespräch mit ihrem Onkel, indem sie nach einem Bediensteten klingelt, der Eduard aus Saal begleitet. Wie wird das nun beim Dialogschnitt umgesetzt?
Möglichkeiten der Montage von Dialog-Szenen
Für die Montage eines Gesprächs bestehen, strikt theoretisch betrachtet, vier grundlegende Optionen zum Dialog schneiden. In Realität werden diese selten nur in einer Form von Regisseur und Cutter umgesetzt, sondern immer als Kombination und Mischform und in unzähligen Varianten.
Die vier grundsätzlichen Arten, eine Sequenz in Bild und Ton beim Dialog schneiden festzuhalten, sind:
- die Sicht des Sprechenden im Dialogschnitt einzunehmen und damit auf das Gegenüber zu blicken (der Zuschauer ist der Sprecher)
- aus Perspektive des Zuhörers mit Blick auf den Sprecher (der Zuschauer ist der Zuhörer)
- neutraler Blickwinkel, Sprecher und Zuhörer sind beide im Bild (der Zuschauer ist daneben stehender Betrachter)
- oder ohne eine Person im Bild (Symbolbilder, Detailaufnahmen, o. Ä.)
Auch wenn die Kamera die Augen des Zuschauers darstellt und fast alle Filme oder Videos beim Dialog schneiden eine klare Erzählperspektive und eine Hauptfigur haben, einen Dialog nur aus Sicht der Hauptfigur und aus einem subjektiven Blickwinkel zu erleben, kommt selten vor. Diesfalls entfällt der Dialogschnitt im wörtlichen Sinn. Das Schneiden der Sprache weicht dem Kameraschwenk.
Ein enorm eindrückliches, auch erschreckendes, Beispiel für einen nur aus subjektiver Perspektive erzählten Film ohne Dialogschnitt ist der in Cannes mehrfach ausgezeichnete Spielfilm «Son of Saul».
Nur aus Sicht des Sprechenden erzählt, würde das Bild beim Dialog schneiden nur Queen Elizabeth zeigen (zum Niederknien gespielt von der großartigen Claire Foy):
Während die Sicht der Queen, die ihrem Onkel Eduard (gespielt von Alex Jennings) eine Audienz gewährt, im Dialogschnitt folgendermaßen aussieht:
Der neutrale Blickwinkel präsentiert sich im Dialogschnitt wie folgt (wobei in diesem Bild die zuhörende Person, die Queen, visuell mehr Gewicht als der Sprecher bekommt):
Das Wort Dialog schneiden sagt es schon: Ein Gespräch besteht aus Rede und Gegenrede. Darum hieß der Dialog früher Zwiegespräch. Die Zuhörerin wird zur Sprecherin und der Zuhörende zum Sprecher. Fragen und Antworten, Aktion und Reaktion wechseln sich ab.
Dialoge schneiden: Inhalt und Erzählperspektive
Wie die Montage ein Gespräch aufbereitet, bestimmt der Inhalt. Ein Dialog ist genauso wenig Selbstzweck, wie eine Szene oder Sequenz nie losgelöst vom größeren Ganzen ist. Dem Einzelteil übergeordnete Handlungsstränge geben bei Dialog schneiden die Grundrichtung vor. Das gilt auch für die Dramaturgie und die Hauptperson. Der Schnitt kann eine Person visuell zum Protagonisten befördern. Sinnvoller ist es, die Gewichtung der Darsteller auf Basis der Story festzulegen.
«The Crown» ist die Geschichte von Queen Elizabeth. Sie ist die Hauptperson. Sie trägt die Last, den Antrag ihres Onkels zu beurteilen und im Interesse ihres Landes und der Integrität der Königsfamilie die richtige Entscheidung zu treffen. Dies muss der Dialogschnitt spiegeln.
Diese Erzählperspektive wird beim Dialog schneiden schon durch den Anfang und das Ende der Szene betont. Die Queen als Hausherrin wartet bereits. Der aus dem Pariser Exil angereiste Eduard wird in die Räumlichkeiten geleitet und muss, begleitet von der Kamera, als Bittsteller hin zur Gastgeberin. Erst nachdem er sich setzen darf und zum Small Talk übergeht, befinden sich beide Personen auf gleicher Höhe.
Der Schnitt gibt der zuhörenden Queen immer wieder lange Momente. Die Montage bedeutet dem Zuseher beim Dialog schneiden auf diese Weise unmissverständlich, dass die zu erwartende Reaktion der Queen (die ihrem Onkel mit stoischer Gelassenheit zuhört) interessanter ist, als das Anliegen. Bereits in den vorhergehenden Szenen haben wir erfahren, dass die Queen (und mit ihr der Zuschauer) über das Verhältnis ihres Onkels zu Nazideutschland viel mehr weiß, als der Onkel ahnt.
Rhythmus und Timing
Der ungeübte Anfänger springt beim Dialog schneiden zwischen Rede und Gegenrede hin und her. Wer spricht, ist beim Filmschnitt immer im Bild. Der Takt des Gesprächs, der Rhythmus (amerikanisch: Pace) ist durch das Tempo des Dialogs gegeben.
Regisseurin Philippa Lowthorpe und die irische TV-Cutterin Úna Ní Dhonghaíle haben sich bei dieser Dialog-Szene für einen anderen Weg beim Dialog schneiden entschieden. Sie zeigen größtenteils die jeweils andere, zuhörende Partei während des Dialogs. Der Schnitt mag den Sprecher zwar einleiten, aber die Reaktion des Gegenübers, besonders im Fall von Elisabeth, interessiert mehr. Das wird auch die Einstellungslängen unterstrichen.
Die kürzeste Einstellung dauert gerade mal 3 Sekunden und 10 Frames, die längste Einstellungen steht ununterbrochen während über 21 Sekunden. Diese Sequenz mit Dialogschnitt erreicht nach Runde einer Minute ihren durchschnittlichen Schnittrhythmus einer durchschnittlichen Einstellungslänge von 6 Sekunden. Allerdings wird dieser, passend zum Inhalt, bei einer Länge von 3 Minuten und 4 Minuten bewusst gebrochen. Anders gewendet: Die Szene hat einen klar erkennbaren Herzschlag, der sich im Verlauf der Ereignisse bei Dialog schneiden mehrfach ändert.
Kameraeinstellungen, Einstellungsgrößen, Kamerafahrten beim Dialoge schneiden
Die Arbeit der Kamera trägt das ihre zum Dialog schneiden bei. Sie fährt mit, schwenkt und lenkt durch die Auswahl des Bildausschnitts unseren Blick zusätzlich.
Ganz so wie das englische Königshaus, bleibt der Dialogschnitt dabei einem getragenen, klassischen Stil treu. Die Sequenz beginnt mit einer Halbtotalen und geht über Halbnah bis in die Großaufnahme der Gesichter. Bedeutungsvolles wird mit einem Close-up unterstrichen. Ein Unterschneiden des Gesprächs, wie es beim Dialog schneiden gerne bei CEO-Videos mit B-Roll Footage gemacht wird, ist hier unnötig. Es würde nur vom Mienenspiel der Schauspieler ablenken.
Die verwandtschaftlichen Bande der Protagonisten streicht nicht nur der Dialogschnitt, sondern bereits die Kamera heraus. Dies, indem sie den Sprechenden mehrfach oftmals noch knapp im Bild behält (Over-Shoulder Shot).
Anzahl Kameras und Einstellungsgrößen
Es gibt gute Gründe dafür, beim Dialog schneiden eine Dialog-Szene nur mit einer Kamera zu drehen. Wie es genau so viele stichhaltige Gründe gibt, mit mehr als nur eine Kamera zu drehen. Kein Grund gegen den Einsatz von mehr als einer Kamera dürften bei «The Crown» die Zusatzkosten sein. Die ersten 10 Folgen der Serie waren mit rund 80 Millionen Produktionsbudget veranschlagt.
Beim Dialogschnitt gilt: Je mehr Kameras, desto weniger Wiederholungen benötigt eine Szene. Die Schauspieler müssen ihren Spielfluss nicht für jeden Kameraumbau unterbrechen. Umgekehrt gilt aber auch: Mit einer Kamera lässt sich oftmals präziser inszenieren und arbeiten. Und wahr ist auch: Meisterregisseure wie Stanley Kubrick haben sich von der Anzahl Kameras nicht daran hindern lassen, eine Szene bis zu 40 Mal wiederholen lassen.
Unsere Szene bei «The Crown» besteht aus zwölf unterschiedlichen Einstellungen / Einstellungsgrößen mit unterschiedlichem Blickwinkel. Die Analyse der Standorte der Kamera schließt beim Dialog schneiden einen Dreh mit mehreren Kameras nicht aus.
(Ein Mouseover über das Bild zeigt die Angabe der Einstellungsgröße.)
Das bedeutet: Die zwölf Einstellungen wurden beim Dialog schneiden mehrfach verwendet und für die Sequenz in 47 Einzelteile aufgesplittet (wobei der Dialog als Ton unter den Bildern natürlich nahtlos weiterläuft und die Einstellungen verbindet).
Dialog schneiden zusammengefasst
Beim Dialog schneiden folgt der Inhalt der Form. Die Aussage der Szene entscheidet, aus wessen Blickwinkel wir welchen Teil des Gesprächs erleben.
Das musst du wissen
- Es gibt vier Möglichkeiten, Dialoge zu schneiden.
- Erstens kann die Kamera den Blick des Sprechenden einnehmen.
- Zweitens ist es im Dialogschnitt möglich, dass die Aufnahme den Blick des Zuhörers zeigt.
- Drittens kann die Einstellungen beim Dialog Schneiden auch einen neutralen Blickwinkel auf Sprecher und Zuhörer haben.
- Viertens ist ein Blick auf Details (etwa Hände) oder Bildsymbole möglich.
Ein mechanisches hin- und herschneiden zwischen den sprechenden Menschen deutet in der Regel auf eine wenig erfahrene Person mit mangelnder Ausbildung auf dem Regiestuhl oder im Schneideraum hin.
© «The Crown»: Netflix Inc. | Screenshots: filmpuls
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 09.01.2018
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