Selbstlernende Software für Film und Video: Dank künstlicher Intelligenz keine Utopie

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Nur noch eine Frage der Zeit | © Foto: Pavel Sokolov

Was ein Computer ist, das wissen die Katzen schon lange. Warum sonst sollten sie über die Tastaturen ihrer Besitzer laufen? Aber, selbstlernende Software für Film und Web-Video sei Dank: Was eine Katze ist, das wissen Computer erst seit wenigen Tagen!

Google identifiziert auf Fotos im Internet nicht mehr nur automatisch menschliche Gesichter, sondern auch Katzen. Revolutionär an diesem Trend ist nicht, dass Facebook und Co. zukünftig auch Katzen im Internet taggen können. Sondern die dahintersteckende, künstliche Intelligenz. Die YI HALO 360-Grad-Kamera von Google beispielsweise setzt schon heute mit dem sogenannten Jump-Algorithmus eigenständig 360-Filme aus 17 (!) Einzelkameras zu einem 3D-VR Erlebnis zusammen.

Das eigenständige Lernen der Computer ist im Anflug. Es wird auch für Imagefilme und Produktvideos ernsthafte Konsequenzen haben:

Evolution zur Revolution

Revolutionär am Katzen erkennen können ist der Umstand, dass die Computer sich diese Fähigkeit eigenständig beigebracht haben! Während noch darüber gestritten wird, was K.I. (künstliche Intelligenz) für die Menschheit sein kann und sein darf, besteht nahezu ausnahmslos Einigkeit darüber, dass selbstlernende Software für Film für Innovationen in bisher unvorstellbarem Ausmaß sorgen wird:

KI-Software wird in Zukunft eigenständig ein fotorealistisches Entertainment-Erlebnis erstellen. Dieses passt sich individuellen digitalen Fußabdruck des Users an und spiegelt damit perfekt seine Vorlieben wider.

Viele Einzelbilder

Was für ein Einzelbild funktioniert, hat bei genügend Kapazität auch für 25 Einzelbilder pro Sekunde seine Gültigkeit. Es ist darum nur noch eine Frage der Zeit, bis Computer bald schon ohne menschliches Zutun automatisch Film- und Videosequenzen analysieren, katalogisieren und automatisiert mit KI schneiden werden.

Überwachungssoftware für Sicherheitszwecke kann Gesichter bereits heute eigenständig erkennen. In Echtzeit. Das ist selbstlernende Software heute. Der Schritt, bis die selbstlernende Software für Film auf den Markt kommt, ist absehbar.

Die erfolgreichste Methode des maschinellen Lernens heißt Deep Learning (engl. für „vielschichtiges Lernen“). Deep Learning bedeutet, dass der Lernprozess des Computers in einem mehrschichtigen neuronalen Netz (oder eben: vielschichtigen Netz) stattfindet. Damit nähert sich das Lernen des Computers der Funktion des menschlichen Hirns an. Allerdings, um beim Beispiel der Katzen zu bleiben, reicht einem Kleinkind der Anblick von einigen wenigen Katzen, um zu wissen, was eine Katze ist und um eine Katze zu erkennen. Anders bei selbstlernender Software für Film.

Der Computer muss dazu Millionen von Katzenbildern ansehen … – was aber dank des Internets problemlos und dank der Leistungskraft moderner Chips auch in vertretbarer Zeit möglich ist.

Jedes Mal, wenn der Computer ein Katzenbild ansieht, kalibriert der Computer die Gewichtung der einzelnen Neuronen in den Schichten. Die Anzahl der Schichten nimmt damit bei jeder Neukalibrierung ab, bis am Ende nur noch zwei Schichten notwendig sind: Katze ja. Katze nein.

Der Vorteil dieses Vorgehens:

Durch den neuronalen Prozess findet der Computer selbstständig und ohne menschliches Zutun heraus, wie er Katzen am bestmöglichen erkennt. Der Computer handelt intelligent (darum wird auch von künstlicher Intelligenz gesprochen). Der Nachteil: Der Weg, der zum Erkennen der Katzen geführt hat, ist für die Experten, die den Computer erbaut hat, nicht mehr erkennbar und nachvollziehbar, ebenso wenig wie für den/die Betreiber des Computers.

Von 5 rückwärts zählen und einmal um die eigene Achse drehen reicht … – und unsere Software für den Bildschnitt wird uns sagen, was wir sehen! Selbstlernende Software für Film ist hilfreich für die Archivierung. Und nett für alle Film-Datenbanken. Aber nicht nur.

Automatisierte Bildbearbeitung

Der Bildschnitt eines Videos folgt, von experimentellen Werken und Musikvideos abgesehen, nicht nur der zu erzählenden Geschichte, sondern vor allem auch Konventionen und Regeln.

Man muss kein Quantencomputer sein, um die Anzahl der Faktoren, die in der Bildbearbeitung zu beachten sind (oder die bewusst nicht beachtet werden sollen) in mathematischer Hinsicht heute schon läppisch klein zu finden. Das vereinfacht der selbstlernenden Software für Film den Prozess.

Jeder Suchalgorithmus im Internet ist komplexer und erfordert mehr Grips und Speicherplatz als die Regeln und Konventionen des Bildschnitts in einer Computersoftware abzubilden! Für die Interpolation von Bildübergängen in der Montage oder für immersive 360 Videos erbringen Computer schon heute automatisierte Vorgänge in der Bildbearbeitung.

Mit der Tatsache, dass Software zukünftig eigenständig lernt und sich damit selbst weiterentwickelt, wird es erst richtig lustig in der Postproduktion. Ein riesiger Teil des menschlichen Filmschaffens ist bereits heute digitalisiert und online verfügbar. In jedem Genre und in jeder Qualität. Vom Katzenvideo auf YouTube bis zum fetten Hollywood-Schinken mit Tom Cruise.

Machine Learning ist noch Avantgarde. Außer Amazon und Google betreibt das kaum jemand auf hohem Niveau.
Uwe Weiß

Adobes Premiere der Zukunft wird zu Beginn noch nach dem gewünschten Genre und einer Vorgabe für die Länge fragen. Wenige Updates später wird die Software dann gleich nach dem Einlesen des gedrehten Materials vorschlagen, was sich aus der Footage erstellen lässt. Aufhören zu lernen, wird der Computer darum nicht.

Einen Atemzug danach wird das Schnittprogramm auch die Learnings aus der digitalen Distribution analysieren und bei der digitalen Produktion des Filmes berücksichtigen. Schließlich weiß der Computer, wer wann wo im Film wegklickt. Die selbstlernende Software für Film wird zum Kinomogul.

Für einen Obolus werde ich als User einen individuellen Filmschnitt bekommen, der auf meinen digitalen Fußabdruck im Internet zugeschnitten ist. Und der meine ganz persönlichen, privaten Vorlieben und Abneigungen berücksichtigt.

Paradoxerweise wird dann zwar jeder Blockbuster im technischen Schnitt unterschiedlich und gerade darum in der psychologischen Wirkung für jeden Konsumenten gleich sein.

Virtuelle Akquisition von Inhalt

Schon Buster Keaton und Charles Spencer Chaplin wussten: Was im Drehbuch nicht überzeugt, wird nur, weil es auf Zelluloid aufgenommen ist, nicht besser. Diese Faustregel verliert schon in ein oder zwei Jahrzehnten dank künstlicher Intelligenz ihre absolute Gültigkeit für Filmemacher:

Heute schon werden Spielfilme ohne einen einzigen realen Drehtag im Computer animiert. Der Schnittcomputer der Zukunft wird 1 und 1 zusammenzählen und das perfekte Material für den perfekten Film gleich selbst generieren. Und konstant weiter optimieren. Bis zum perfekten Film.

Die Zukunft des Filmerlebnisses kommt vermehrt ohne Schauspieler in Fleisch und Blut aus und bringt virtuelle Helden.
NZZ, 15. Mai 2016

Disney sagt, dass ab 2020 digital animierte Bilder von Menschen nicht mehr von realen Menschen unterscheidbar sein werden. Ich gehe davon aus, dass die Manager eines an der Börse notierten US-Konzerns mit solchen Aussagen eher vorsichtig sind. Sprich: es bis dahin eher 3 Jahre statt 5 Jahre dauert.

Selbstlernende Software für Film ist keine Frage. Sondern nur eine Frage der Zeit.

Selbstlernende Software für Film und Video

Texte erfassen können Computer schon seit Urzeiten. In der schönen Neuen Welt wird darum statt Rohmaterial das Drehbuch vorn in den Computer geladen. Hinten wird der fertige Film in der gewünschten Auflösung individualisiert dem User via Internet ausgeliefert.

Fragt sich nur, ob überhaupt ein Mensch das Drehbuch noch schreibt und ob ein Mensch den Film darüber hinaus sieht?

Die Katzen nämlich, die laufen bis da schon längst nicht mehr über die Tastatur. Die Stubentiger der Zukunft sind dank drahtlos mit dem Internet verbunden. Sie sehen aus wie Katzen, verhalten sich wie Katzen und sind so sehr Katzen wie die Robben, die heute schon in japanischen Altersheimen den Insassen den Lebensabend versüßen sollen. Auf die Iris zaubern wird die Videos der Katzen, erraten, selbstlernende Software für Film.

Weiterführende Literatur zum Thema selbstlernende Software für Film

Superintelligenz – Szenarien einer kommenden Revolution, von Nick Bostrom, Suhrkamp Verlag, ISBN: 978-3-518-58612-9

Dieser Beitrag wurde am 20. November 2015 bei Filmpuls publiziert. Er wurde seitdem inhaltlich nicht überarbeitet, aber grammatikalisch verbessert.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 20.11.2015

Pavel Sokolov 49 Artikel
Pavel studiert Film Editing. Er mag François Truffaut, Terrence Malick, Dr Pepper, seinen Thermaltake View 71 TG, Musik von Seeed und alle Dinge, die mit der Farbe Rot zusammenhängen, aber keinem Lebewesen Schmerzen bereiten.

1 Kommentar

  1. Total digital!: Dave Eggers beschreibt in „Der Circle“ wie man sich mit spezieller Software eines skandinavischen Start-Ups automatisiert als 3D-Foto in „Die Hard“ hineinrechnet und sich dann statt Bruce Willis im Spielfilm selbst als Hauptdarsteller sieht.

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