»Squid Game«: Spiel ohne Grenzen und Gnade | Kritik Netflix-Serie

Squid Game Serie Netflix
Squid Game | © 2021 Netflix / Siren Pictures

Du nimmst einen ersten Energie-Drink. Das Zeugs schmeckt nicht besonders lecker, doch es macht dich hellwach. Also nimmst du noch mal einen. Und den nächsten. Du kannst nicht mehr aufhören damit, und dann bist du süchtig. Nicht anders ist es mit der neuen Serie Squid Game von Netflix.

Noch nie zuvor in der Geschichte des Streamings hat eine Serie die Welt so schnell erobert wie Squid Game. Die neunteilige Saga über den freiwilligen, aber tödlichen Überlebenskampf von Teilnehmern in einer Art Gefängnis-Camp ist in nur drei Tagen in nahezu allen Ländern an die Spitze der Charts gerückt.

© Foto: Wikipedia
Jung-Ho-yeon squid game netflix

13 Millionen Follower auf Instagram und gleich mit der ersten Rolle als Schauspielerin weltweit bekannt geworden: Das ist Jung Ho-yeon (28).

Das in Seoul geboren südkoreanische Fotomodel, das zuvor an Fashion Events und in der Dokusoap „Koreas nächstes Topmodel“ mit ihren feuerroten Haaren auf sich aufmerksam gemacht hatte, hat sich mit der Netflix-Serie „Squid Game“ in die erste Liga einer neuer Generation asiatischer Stars katapultiert.

Jung Ho-yeon wurde 2017 als „Top Newcomer“ und „Model of the Year“ nominiert. Ein Jahr zuvor designte sie eine Kollektion für das Fashion Label Louis Vuitton, Sie ist in Werbespots u.a. von Chanel, Gap und Hermès zu sehen. Ihr Bild war auf den Titelseiten bekannter Modemagazine wie Vogue und Harper’s Bazaar, wo sie oftmals auch gleich in den Editorials als neues Supermodel porträtiert wurde.

Das ist komplett verrückt. Wie irre groß der Erfolg von Squid Game ist, kann man daran sehen, dass nun im Internet jede Stunde neue Fanartikel zur Serie auftauchen. Für Halloween kannst du im Web bereits Masken und Gefangenenanzüge oder die roten Uniformen der Wärter mit dem Look aus der Serie nachshoppen.

Man muss sich das einmal geben: Die Serie hat derselbe Mann erfunden, geschrieben und auch als Regisseur umgesetzt, der schon vor unglaublichen 13 Jahren daraus einen Spielfilm machen wollte. Nur war kein Produzent dazu bereit, aus dieser abgefahrenen Geschichte einen Kinofilm zu produzieren. Die Herstellungskosten von Squid Game als neunteilige Netflix-Serie erzählen dabei ihre eigene Story.

Es gibt viele Stimmen, die Squid Game und Netflix vorwerfen, dass hier eigentlich Hollywood-Filme wie „The Hunger Games“ rezykliert werden. Dumm daran ist nur, dass der Autor und Regisseur Dong-hyuk Hwang den ursprünglichen Spielfilm mit dieser Story schon 2008 – ​und damit vier Jahre vor dem ersten Teil der „Tribute von Panem“ – geschrieben hatte.

Dong-hyuk Hwang (50) wurde in einem Interview gefragt, warum es so lange gedauert hat, bis er Squid Game endlich verfilmen konnte. Seine Antwort: „Vielleicht muss ich noch lernen, was Teamwork bedeutet“.

Ich glaube, der Kerl weiß ganz genau wie Menschen miteinander und vor allem gegeneinander funktionieren! Denn in seiner Serie unterscheidet er die einzelnen Figuren und deren Sozialkompetenz so präzise, wie das ein Chirurg bei einer Autopsie zwischen gesunden und erkrankten Organen tut. Vielleicht hat Hwang ganz einfach keine Lust, dass ihm seine krassen Ideen von zu vielen Menschen kaputt geredet werden.

Sechs Monate, sagt Dong-hyuk Hwang, habe er allein an den ersten zwei Folgen der Serie geschrieben. Als Autor hätte er sehr lange gebraucht, um zu merken, was der Schlüssel zum Erfolg bei dieser Serie wirklich ist. Nämlich die unglaubliche Banalität der Tests, welche die Teilnehmer in Squid Game unter Todesgefahr bestehen müssen. Darum, weil gerade diese Einfachheit es erst dem Zuschauer ermöglicht, sich auf die Personen in der Serie zu konzentrieren und mit ihnen eins zu werden.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 07.10.2021

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Squid Game | Deutscher Trailer | Netflix

Squid Game

Serientitel
Autor/Regie
Dong-hyuk Hwang
Hauptdarsteller*in
Jung Ho-yeon, Lee Jung-jae, Greg Chun, Stephen Fu, Tom Choi
Unterhaltung
⭐⭐⭐⭐⭐
Spannung
⭐⭐⭐⭐⭐

456 Menschen jeden Alters und Geschlechts treten aus Geldnot in einem mysteriösen Camp zu einem Überlebensspiel über mehrere Runden hinweg gegeneinander an. Die Spielregeln: wer verliert, wird getötet. Wer die Regeln verletzt oder sich nicht an die Hausordnung hält, wird getötet. Dem Gewinner winkt Reichtum.

 

Die Einhaltung der Spielregeln zum Squid Game überwachen anonyme Aufsichtspersonen, deren wahre Absichten niemand kennt.

Online bei
Filmbewertung: ★★★★★ = sehr zu empfehlen | ★ = nicht sehenswert


Südkoreanische Serien sind eigentlich nicht so mein Ding. Wilde Spielfilme aus diesem Land habe ich aber schon einige gesehen: In „Parasiten“ (2019) und „Okya“ (2017, Netflix), beide von Bong Joon Ho, spürt man ähnlich wie in Squid Game von Netflix, was passiert, wenn zu viele Menschen miteinander auf zu engem Raum leben.

 

So etwas in eine Serie übersetzen musst du erst mal können. Als Hardcore-Filmfan findet man dafür bei Squid Game die visuelle Umsetzung eher so der Durchschnitt. Aufgefressen wird man von der Spannung und weil die Handlung grausam gut erzählt wird.

Als ich die Idee zu Squid Game hatte, war ich selbst in finanziellen Schwierigkeiten. Ich fragte mich, wie es sich anfühlen würde, wenn ich selbst an den Spielen teilnähme.
Dong-hyuk Hwang

 

Die Serie ist ziemlich brutal. Aber nur im Vergleich zu dem, was ein TV-Publikum im Rentenalter sonst so an Unterhaltung im Fernsehen angeboten bekommt. Grausamer sind auch heute noch Kino-Filmreihen wie „Saw“ oder „Hostel“ (beide aus 2005). Weil diese Filmserien Gewalt um der Gewalt willen zeigen, und man auch nach fünf Energie-Drinks keinen tieferen Sinn darin erkennt.

 

Squid Game dagegen kann, wer will, auch als Kritik an Kapitalismus und unserem System der Gesellschaftsordnung lesen. Geld hält die Welt zusammen und am Laufen. Aber offenbar nicht beim Erfinder der Serie Squid Game:

 

Der Autor und Regisseur von Squid Game sagte vor ein paar Tagen öffentlich, er könne sich zurzeit überhaupt nicht vorstellen, eine zweite Staffel zu schreiben.

 

„Squid“ bedeutet auf Deutsch „Tintenfisch“. Nach diesem Meeresbewohner heißt das gleichnamige koreanische Kinderspiel. Der Tintenfisch ist aber auch ein Glibbervieh, das sich bei Gefahr hinter einer von ihm verspritzten undurchsichtigen Farbwolke versteckt. Und mit Tinte spritzen, bis wir alle vor Nervosität nicht mehr wissen, wohin wir sehen sollen, dieses Spiel beherrscht Dong-hyuk Hwang bravourös.

 

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© Video: YouTube / Netflix

Pavel Sokolov 44 Artikel
Pavel studiert Film Editing. Er mag François Truffaut, Terrence Malick, Dr Pepper, seinen Thermaltake View 71 TG, Musik von Seeed und alle Dinge, die mit der Farbe Rot zusammenhängen, aber keinem Lebewesen Schmerzen bereiten.

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