»Ripley« mit Andrew Scott, von Steven Zaillian | Ein Netflix-Thriller, der als Serie das Kino neu definiert

Ripley von Netflix, mit Andrew Scott, von Steven Zaillian, Serie
Ripley (Andrew Scott), wieder einmal auf der Flucht | © Screenshot: Netflix

Was verbindet Schindlers Liste, Mission: Impossible, Verblendung, The Irishman, Gangs of New York, American Gangster und Hannibal mit »Ripley«? Es ist Drehbuch-Autor Steven Zaillian, der mit 71 Jahren erstmals als Regisseur hinter der Kamera steht. Entstanden ist dabei eine Netflix-Serie, die man gesehen haben muss. Nicht nur, aber ganz besonders als Kinofan. Denn Zaillian zeigt in der achtteiligen Neuverfilmung des berühmten Thrillers von Patricia Highsmith mit Andrew Scott und Dakota Fanning in den Hauptrollen ausgerechnet im TV, was Kino ist, sein kann und sein muss.

Alfred Hitchcock, der britische Großmeister des Suspense mit einer zum ferkelhaften neigenden Schwäche für kühle nordische Frauen (Zitat: „Blondinen langen den Männern immer als Erste in den Hosenschlitz“) hätte eine helle Freude an der Netflix-Neuverfilmung von »Ripley« gehabt. Zwar greift Marge Sherwood (Dakota Fanning) trotz blonder Haarpracht über acht Episoden dem psychopathischen Mörder Tom Ripley (großartig: Andrew Scott) nirgendwo hin. Doch erkennt sie in Ripley einen Parasiten, der ihre große Liebe Richard ‚Dickie‘ Greenleaf (Johnny Flynn) ins Unglück stürzt. Damit setzt Marge, wie Hitchocks legendärer McGuffin, das Karussell der Spannung in Bewegung.

Die Story ist, nochmals lässt Sir Alfred grüßen, Ende der Fünfzigerjahre angesiedelt. Sie wird von Steven Zaillian auch so erzählt. Die Serie fühlt sich an, als ob sie im prüden Italien der Nachkriegsjahre von Hitchcock produziert worden wäre. Erotik, wie Gefühle überhaupt, verbirgt sich – Sonne und glasklarem Meer zum Trotz – in den schlammigen Untiefen des Unbewussten. Das hat es in sich.

Man mag das Tempo, wie sich der Lauf der Dinge in »Ripley« die Story erst entfaltet und später einengt, überdehnt und überhaupt unnötig langsam finden – so, wie es die Serienkritik des US-Branchenmagazins in einem Verriss bemängelt hat.

Ich sehe es zu 100 % umgekehrt: Nach über fünftausend Filmen und Serien, mit denen ich mich in meiner Karriere auseinandersetzen durfte und musste, verglühen bewegte Bilder in meinen grauen Zellen meist schon nach wenigen Stunden. Nicht so bei »Ripley«. Und das will etwas bedeuten!

Die achte Episode der Netflix-Serie mit Andrew Scott habe ich vor fünf Tagen, zusammen mit Folge 7 und 6 angeschaut. Die Bilder sind haften geblieben. Ich sehe den Kerl, diesen Tom Ripley direkt vor mir, rieche New York und die Amalfiküste noch immer. Meine charmante Mitzuschauerin war darum erleichtert über das Serienende: Sie glaubte ab Folge 2 die Anspannung kaum mehr aushalten zu können. Gerade, weil die Serie ihrem Publikum viel Zeit zum Hinsehen gibt. Retardierung nennt so etwas der Drehbuchautor.

83%
Ripley (Miniserie mit Untertitel) | Trailer auf Deutsch | Netflix

Ripley

Deutscher Titel
Ripley (2024)
Originaltitel/-sprache
RIPLEY / Englisch
Creator/Showrunner
Steven Zaillian
Darsteller:in
Andrew Scott, Dakota Fanning, Johnny Flynn
Bewertung
★★★★★☆
83 % von 62 Menschen lieben diesen Film
Genre
Drama
Staffeln / Episoden
1 Staffel / 8 Episoden à 50 min.

Tom Ripley ist ein kleiner Betrüger aus New York. Er wird von einem Schiffsmagnaten beauftragt, dessen Sohn Dickie aus Italien zurückzuholen, wo dieser ein luxuriöses Leben als Kunstmaler führt. Ripley reist an die italienische Küste, freundet sich mit Dickie an und wird von dessen Lebensstil besessen. Seine Mission vergessend, stürzt er sich in ein Netz aus Täuschung, Betrug und schließlich Mord.

Ansehen
NetflixNetflix Netflix Standard-AboNetflix Standard-Abo
★★★★★ = empfehlenswert | ★ = kaum sehenswert
Credits & Filmdaten von | Nutzung erfolgt eigenverantwortlich


Alles andere ist gelogen: »Ripley« fühlt sich an, als stünde man als heimlicher Zuschauer direkt neben Andrew Scott. Dazu verdammt, als Voyeur hinzusehen und dem blutigen Treiben zuzusehen. Am Ende dominiert das Gefühl, dabeigewesen zu sein. Wider besseres Wissen.

 

Dieser Thomas ‚Tom‘ Ripley ist kühl berechnend. Er kann in Sekundenschnelle seine emotionslosen Reptilienaugen auf einen verlorenen Hundewelpenblick umschalten. Aber der klügste Mensch unter Gottes Kindern auf Erden – das macht einen großen Reiz der Serie und der Story von Patricia Highsmith aus – ist dieser Mörder nicht.

 

Darin liegt ein unentrinnbarer Reiz: Ripley tötet entschlossen, wenn er in die Enge getrieben wird. Die Regie von Steven Zaillian verschafft seinem Hauptdarsteller Andrew Scott aber auch schmerzvoll viel Raum für die danach regelmäßig eintretende Leere, Ratlosigkeit und Hilflosigkeit. Wohin mit der Leiche? Und wie?

 

Mit der Zahl der Leichen wächst die Zahl der Indizien, welche die Täterschaft in den Augen der Polizei eingrenzt. Und immer mehr in eine Richtung zeigt.

 

Diese Kombination aus Getrieben sein und Getrieben werden, die muss man gesehen haben.

 

Das Schlagwort Slow TV ist bei »Ripley« als  ein Ritterschlag zu verstehen. Es ist das Erzähltempo welches diese Netflix-Serie mit Andrew Scott zum Kinoerlebnis adelt. Zusammen mit der unfassbar schönen Kamera von Robert Elswit und dem unschlagbar stimmungsvollen Design von David Gropman.

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Zachery Z. 51 Artikel
Zachery Zelluloid war in der Unterhaltungsindustrie tätig. Er schreibt unter Pseudonym, weil er weder vertraglichen Schweigepflichten verletzen, noch das wirtschaftliche Fortkommen der Berufsgattung Anwalt fördern oder Freunde brüskieren will. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

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