»Berlin – Haus des Geldes« oder die Liebe als charmanter Schweinehund | TV-Serie Netflix

Haus des Geldes: Berlin; mit Pedro Alonso, Samantha Siqueiros, Michelle Jenner, Joel Sánchez, Begoña Vargas, Julio Peña und Tristán Ulloa
Haus des Geldes: Berlin | © Serienposter: Netflix

Berlin ist das Prequel zu „Das Haus des Geldes“ (Money Heist / La Casa de Papel). Im Zentrum der neuen TV-Serie steht der charismatische Latin Lover Berlin (Pedro Alonso). Dieser war in der Fernsehserie von Netflix ab 2017 gemeinsam mit einem unvergleichlichen Ensemble spanischer Galgenvögel für staffelweise abgekaute Fingernägel verantwortlich. Entsprechend hochgeschraubt waren meine Erwartungen an das Spin-Off der Erfolgsserie.

Episode 1 von Staffel 1 von »Haus des Geldes – Berlin« schaue ich mit der favorisierten Blondine an meiner Seite. Es dauert keine vierzig Minuten, da hat Pedro Alonso als Berlin meine Mitzuschauerin am Wickel. Während der Produzent in mir noch kühlen Geistes Bauart und Zutaten der Serie mit bekannten Rezepten abgleicht, hat das Herz meiner Blondine längst schon zu schmelzen begonnen. Ahh! Uhh, und Oh! schnauft, röchelt und zischt die Schöne an meiner Schulter. Da ich aus beruflichen Gründen nicht nur Film, sondern des Liebesglücks wegen auch einige weitere Fremdsprachen wie Blondine spreche, weiß ich, was solche Geräusche mir verheißen: Wenn wir nun nicht alle 8 Folgen hintereinander ansehen werden, bekomme ich Ärger.

Die Drehbuchautoren legen der Hauptfigur Andrés de Fonollosa Gonzalves alias Simon alias Berlin (Pedro Alonso) die Wegrichtung bereits in den ersten Serienminuten offen in den Mund: „Es gibt zwei Wege, aus einem schlechten Tag einen guten Tag zu machen: ein gelungener Überfall oder sich zu verlieben!“, erklärt er uns. Und katapultiert uns damit mitten ins Abenteuer.

Ich lerne: »Berlin« ist eine Männerserie für Frauen. Zwar dreht sich die Handlung erneut um einen spektakulären Überfall – dessen Details in dieser Serienkritik ein Geheimnis bleiben müssen. Aber anders als bei „Haus des Geldes“ ist der Raub mehr Hintergrund statt Zentrum.

77%
https://youtu.be/td91rxiwA-U?feature=shared

Berlin

Deutscher Titel
Berlin (2023)
Originaltitel/-sprache
Berlín / Spanisch
Creator/Showrunner
Álex Pina, Esther Martínez Lobato
Darsteller:in
Pedro Alonso, Michelle Jenner, Tristán Ulloa, Begoña Vargas, Julio Peña, Joel Sánchez
Bewertung
★★★★★☆
77 % von 479 Menschen lieben diese Serie
Genre
Drama, Action & Adventure, Krimi
Staffeln / Episoden
1 Staffel / 8 Episoden à 58 min.

Der charmante Halunke Berlin (Pedro Alonso) und Anführer einer kriminellen Bande mag Geld. Fast so sehr, wie Frauen. Da er gerade von seiner dritten Ehefrau verlassen wurde, beschließt er, sich zuerst einmal auf seinen nächsten Raub mitten im mondänen Paris zu konzentrieren.  Dabei aber verliebt er sich unsterblich in die schöne Camille (Samantha Siqueiros), die dummerweise die Frau seines nächsten Opfers ist.

 

Aber nicht nur Berlin begeht im Liebesrausch gefährliche Fehler. Auch in seinem Team bedrohen Liebe und Liebeschaos den Erfolg eines millionenschweren Überfalls. Keila (Michelle Jenner),  Bruce (Joel Sánchez), Cameron (Begoña Vargas) und Roi (Julio Peña) müssen sich beziehungstechnisch neu definieren, während zeitgleich Damián Vázquez (Tristán Ulloa) seine langjährige Ehe scheitert.

Ansehen
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★★★★★ = empfehlenswert | ★ = kaum sehenswert
Credits & Filmdaten von | Nutzung erfolgt eigenverantwortlich


Spektakulär für den heutigen Zeitgeist ist der Entscheid der Macher, bei »Haus des Geldes – Berlin« an sehr strikten, klassischen Rollenbildern festzuhalten. In dieser Netflix-Serie sind die Männer feuerfeste Machos und Frauen mehrheitlich wie Pflänzlein, die es zu bewundern, zu gießen und dann zu pflücken gilt. Die kulleräugige Samantha Siqueiros (Camille Polignac) ist schön. Der Rest ist Schweigen.

 

Zwischen diesen Stereotypen gibt es: traumatisierte weibliche Nerds und Blumenkinder wie Keila (Michelle Jenner) oder Cameron (Begoña Vargas). Werden diese durch die Kraft der Liebe – oder sind es die Hormone? – von ihrer schlimmen Vergangenheit kuriert, ordnen auch sie sich brav in den Setzkasten ein. Dieses Weltbild mag teilweise damit zu tun haben, dass das Erfolgsrezept von Netflix auch darin besteht, Filme und Serien strikt in einem Kulturkreis zu verorten.

 

Es ist ein kleines Wunder, und eine große Leistung von Pedro Alonso, dass einem dieser Berlin auch Vertreter der Gattung Mann ans Herz wächst. Weil seine Figur alles andere ist als ein sozialverträglicher Kerl – und schon gar nicht ist er ein treuherziges Ferkel im Liebesrausch, das nicht wüsste, was es tut. Berlin, der sich in Paris, der Stadt der Liebe, Simon nennt, ist ein grausamer Marionettenspieler, der seine Überfälle auf die Herzen schöner Frauen mit demselben hemmungslosen Kalkül plant wie seine Raubzüge auf die Goldschätze dieser Welt. Ich gebe zu, ich bin diesem Charakterlumpen in den 8 Folgen nicht ohne Vergnügen mit auf den Leim gegangen. Aber von ihm lernen möchte ich nichts.

 

(Mausklick auf Grafik öffnet Gegenargumente) Gut an »Haus des Geldes - Berlin«

Der Charme von Hauptdarsteller Pedro Alonso als Simon / Berlin ist eine Klasse für sich.

Die Inszenierung ist hochwertig: coole Montage, gute Darsteller:innen, perfekter Soundtrack.

Die Stunts in der Action-Sequenz mit dem Autorennen auf Flugplatz sind Weltklasse.

Wer Paris, Frankreich und die lateinische Lebensart liebt, ist hier zuhause.

© Hintergrundbild: Netflix Schlecht an »Haus des Geldes - Berlin«

Nicht immer ist klar, ob es sich um ein Heist-Movie oder ein Liebesdrama handelt.

Zwischendurch hängt die erste Staffel der Serie leider durch und ist arg langatmig.

Es gibt zu wenige richtig originelle, überraschende Wendungen in der Story.

Die Handlung spielt früher als das Original, aber Pedro Alonso (Berlin) ist sichtbar älter.

© Hintergrundbild: Netflix

 

Nicht unwesentlich zu meinem Sehvergnügen beigetragen hat in der zweiten Hälfte der ersten Staffel das Wiedersehen mit alten Bekannten aus dem Original wie Itziar Ituño in der Rolle der Raquel Murillo und Najwa Nimri (als Alicia Sierra). Letztere spielt den Bluthund mit doppelten  X-Chromosomen nicht minder überzeichnet als früher, wirkt in »Berlin« im Kontext der weniger sorgfältig ausgeleuchteten Grauzonen der anderen Charaktere aber weit stärker als Karikatur.

 

»Berlin« bietet als Serie solide Unterhaltung. Für ein Heist Movie ist die Fernsehserie jedoch einen Tick zu wenig originell. Die ganzen großen Überraschungen und Sackgassen, aus denen es vermeintlich kein Entrinnen geben kann, fehlen.

 

»Haus des Geldes – Berlin«, so mein Fazit, ist wie ein Ausflug mit guten, langjährigen Freunden, bei dem man spürt, dass man sie heute nicht mehr in seinen engeren Beziehungskreis aufnehmen würde.

 

Am Morgen danach bitte ich beim Frühstück die favorisierte Blondine um ihren Eindruck zur Serie. Sie sagt: „Es gibt Männer und Serien, die sind nur für eine Nacht“.

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Zachery Z. 53 Artikel
Zachery Zelluloid war in der Unterhaltungsindustrie tätig. Er schreibt unter Pseudonym, weil er weder vertraglichen Schweigepflichten verletzen, noch das wirtschaftliche Fortkommen der Berufsgattung Anwalt fördern oder Freunde brüskieren will. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

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