Wer entscheidet bei der Wahl einer Filmrolle: Star, Agent oder Manager?

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Hinter jeder Rollenwahl stehen komplexe Entscheidungsmuster | © Cartoon: Pavel Sokolov

Filmpuls-Leser Victor will wissen, wer über die Rollenwahl in einem Spielfilm entscheidet. Der Filmstar selbst? Sein Agent? Wer hat den letzten Entscheid? Und wofür ist eigentlich der Manager eines Schauspielers im Filmgeschäft zuständig? Hier findest du die Antworten von Dr. Film.

Schauspieler, Agent oder Manager: Wer entscheidet bei der Wahl einer Rolle?

Victor fragt: Wer entscheidet für einen Film? Der Manager oder der Filmstar selbst? Angenommen, der Manager bekommt den Aufruf, dass ein neuer Film bald gedreht werden soll. Sagen wir mal einfach halber, Superman. Bekommt:

  1. zuerst der Manager des Schauspielers das Telefon oder der Filmstar selbst?
  2. Wer entscheidet sich, diese Rolle anzunehmen, der Manager für den Star, spekuliert er also, ob dieser Film eine gute Wahl für ihn ist, für seinen weiteren Erfolg?

Oder entscheidet ein Hollywood-Darsteller selbst, ob er wirklich an diesem Film mitspielen will, oder nicht?

Ich meine, was macht der Manager ansonsten, außer mit der Filmfirma über das Budget des Gehaltes zu verhandeln? Ich meine, ich dachte, der Manager will ja, dass seine Schauspieler immer mehr Erfolg bekommen. Daher frage ich mich, ob sich im Beruf der Star für einen Film entscheiden darf. Oder der Manager da hingehend das Sagen hat.

  1. Was, wenn der Manager z. B. findet: „Ne, du, glaub mir, dieser Film ist nicht gut für dich.“ Aber der Star sagt: „Aber mir gefällt die Superman-Figur, ich will die auch mal spielen?“

Wie ist das so? Hat der Filmstar immer das Sagen und der Manager ist wirklich für die Verhandlungen des Lohnes zuständig? Oder wie oder was?

Gute Fragen verdienen gute Antworten! Damit nichts durcheinander gerät, einige Anmerkung voraus zu den Rollen aller Beteiligten, bevor es zur eigentlichen Beantwortung der Entscheidungsfrage bei der Rollenwahl im Spielfilm geht:

Dr. Film sagt:

Je größer eine Industrie, das gilt auch für das Filmgeschäft, desto höher ist die Arbeitsteilung und damit die Anzahl spezialisierter Berufe und Experten. Das gilt ganz besonders für Hollywood.

In den meisten europäischen Ländern, auch in Deutschland, müssen sich Filmschauspieler am Anfang ihrer Laufbahn allein um ihre Karriere bemühen. Später, mit einer gewissen Bekanntheit, können sie bei der Wahl zukünftiger Rollen auf die Unterstützung einer professionellen Agentur vertrauen. In den USA sieht es aber komplett anders aus:

In Los Angeles arbeiten rund 650.000 Personen in der Filmindustrie. Vom Statist über den Beleuchter bis zum Superstar, das Total der ausgezahlten Lohnsumme innerhalb der Filmindustrie Amerikas wird auf 58,8 Milliarden $ pro Jahr geschätzt.1 In Deutschland, umgekehrt, ist ein Filmdarsteller ein Einzelkämpfer. Wenn er brutto pro Drehtag mehr als 500 € bekommt, kann er sich glücklich schätzen.

Wo viel Arbeit ist – zumindest war dies so bis zum Aufstieg der chinesischen Filmstudios und bis zum Ausbruch von Corona – werden die Arbeitsprozesse kleinteiliger: Nicht der Star selbst sucht in den Vereinigten Staaten in seinem Netzwerk und in der Filmbranche nach Auftrittsmöglichkeiten in Spielfilmen oder Serien. Sondern von ihm beauftragte Spezialisten. In der Regel sind dies: Manager und der Agent.

Quelle: 1 Schätzung der Handelskammer in Hollywood, 2020

1Die Funktion des Managers bei der Rollenwahl

Wenn es um die Karriereplanung geht, also um das Image, um die Steigerung der eigenen Bekanntheit oder die Art, wie sich ein Filmschauspieler beruflich in der Öffentlichkeit präsentiert, kommt der Manager ins Spiel. Desgleichen bei der Frage, welches Material ein Künstler für ein Casting einreichen sollte.

Die Rolle eines Managers als Berater ist vielfältig und kann auch individuell festgelegt werden. Sie richtet sich nach seinen Fähigkeiten und den Wünschen des Künstlers. Dabei kann der Filmdarsteller von Manager für eine Zusammenarbeit angefragt werden. Oder, umgekehrt, der Filmstar ist an dem Wissen, den Erfahrungen und Kontakten und dem persönlichen Netzwerk des Filmmanagers interessiert und bittet ihn, für ihn tätig zu werden.

Die Beratungsleistung des Managers eines Filmschauspielers geht aber üblicherweise nicht so weit (!), dass er seinem Klienten Einladungen an ein Casting verschafft. Dies ist ein anderer Beruf und die Sache des Agenten.

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Wer hat sich für diese Rolle entschieden und warum? »Harry Potter«-Daniel Radcliffe in »Swiss Army Man« | © A24

2Der Agent für Filmschauspieler

Geht es darum, zu wissen, welche Rollen demnächst besetzt werden und wo im Filmbusiness ein Casting ansteht, ist der Agent die richtige Person.

Er kennt das vom Schauspieler gemeinsam mit dem Manager festgelegte Profil, welches sich in den Unterlagen des Darstellers (Videos, Filmografie, Showreel, Fotos, Lebenslauf) spiegelt.

Um zu sehen, wo sich die Möglichkeit für eine Bewerbung zur Teilnahme an einem Casting bietet, prüft der Agent täglich online die von den Casting-Direktoren publizierten Breakdowns. Diese sind nur für lizenzierte Agenten einsehbar.

Überzeugt der Darsteller am Casting, verhandelt der Agent die Verträge und alle weiteren Details. Dafür erhält er vom Künstler einen prozentualen Anteil am jeweiligen Honorar, das meist brutto pro Tag berechnet wird. Dies in der Höhe von bis zu 10 % des Honorars.

3Lizenzen und rechtliche Vorgaben

Die Arbeit des Agenten erfordert in den meisten Gliedstaaten der USA eine staatliche Lizenz. Der Filmagent gilt vor dem Gesetz als Arbeitsvermittler. Er benötigt darum eine staatliche Erlaubnis für die Ausübung seines Berufs. Zudem müssen sich Agenten in Amerika an die rechtlichen Branchenregeln der Schauspieler-Gewerkschaften halten.

Lizenzierte Agenten können für ihre Klienten rechtsgültig verhandeln und sogar Verträge unterschreiben. Beim Manager ist dies komplett anders: Filmmanager sind „nur“ Berater. Als Consultant können sie ihre Klienten nicht vertreten. Auch für ihre Entlohnung gibt es, anders als beim Agent, keinerlei gesetzlichen Vorgaben.

Anders als der Agent wird ein Manager nicht abhängig vom Erfolg eines Castings bezahlt. Er kann eine jährliche Pauschale bekommen oder eine Abgeltung für die geleisteten Arbeitsstunden. Auch ein Bonus ist nicht unüblich.

Wer ist für die Wahl einer Rolle wichtiger? Agent oder Manager?

Der Manager bestimmt in weit höherem Umfang über die Karriere eines Künstlers, als ein Agent. Der Manager hilft, die großen Linien zu bestimmen und er erarbeitet alle wichtigen Karriere-Strategien. Das Entgelt des Managers als Berater ist aber nicht nur darum weit höher als dasjenige eines Agenten. Sondern auch darum, weil es frei verhandelbar ist.

Ein Manager zählt zwischen 10 und 35 Darsteller zu seinen Kunden. Ein Agent vertritt bis zu 300 Darsteller. Ganz einfach, weil viele Castings auch ohne Verschulden einer Partei wegen der gigantischen Konkurrenz erfolglos bleiben und ein Agent darum aus finanziellen Gründen auf möglichst viele Pferde setzen muss.

Beide, Agent und Manager, sind technisch betrachtet vom Darsteller beauftragt. Sie werden von ihm bezahlt. Trotzdem ist es im Filmbusiness zu einfach, zu behaupten, dass darum ein Künstler als Auftraggeber immer das letzte Wort bei einer Rollenentscheidung hat.

Beziehungen und Netzwerk sind nicht nur für Manager der Schlüssel

Viele etablierte Filmmanager werden von Künstlern für eine Zusammenarbeit angefragt, weil sie in der Vergangenheit bewiesen haben, dass sie in der Lage sind, als „Pate“ die richtigen Empfehlungen an ihre Klienten zu geben. Ein Schauspieler wird sich darum in seinem Beruf mindestens zweimal überlegen, sich bei der Wahl einer Rolle gegen den Ratschlag eines branchenweit bekannten und für sein gutes Näschen anerkannten Managers zu stellen.

Aber auch viele Casting-Agenten haben eine hart erarbeitete, gute Reputation. Sie haben verstanden, dass es für die Filmproduktion bei der Besetzung einer Filmrolle nicht darum geht, eine möglichst breite Auswahl zu haben. Wer handverlesene, sorgfältig durchdachte Vorschläge für die Besetzung einer Rolle liefert, setzt auf Qualität. Auch wenn er damit möglicherweise bisweilen die von ihm vertretenen Darsteller zu frustrieren droht, weil diese unbedingt für das Casting vorgeschlagen werden wollen.

Wer nur brauchbare Rollenbesetzungen unterbreitet, besitzt bald einmal einen guten Ruf, weil er damit dem Casting-Direktor das Leben vereinfacht. Diese wissen, dass sich das Ansehen der Kandidaten für sie lohnt, weil die Vorschläge für eine Rolle handverlesen und überlegt eingereicht sind. Das spricht sich bei den Studios und ebenso bei den Darstellern herum. Darum ist auch der Agent weitaus mehr, als nur ein austauschbarer Auftragnehmer.

Eine Frage der Macht

Am Ende spielt bei der Rollenwahl und dem Eingehen auf die Vorschläge des Managers und dem Agenten natürlich auch die Macht des Stars eine wichtige Rolle.

Wer als Agent oder Manager einem millionenschweren Hollywood-Star widerspricht, riskiert möglicherweise, diesen lukrativen Kunden zu verlieren. Das schadet dem Ansehen, wenn es sich nicht um Stars mit bereits erfolgten Karriereknicks wie Johnny Depp oder Nicolas Cage handelt.

So entscheiden bei der Frage, wer die letztendliche Wahl über eine Filmrolle trifft, letztlich die gleichen vier Faktoren, die auch sonst im Geschäftsleben immer wieder anzutreffen sind: Professionalität, Vertrauen, Rückgrat und Ego.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 26.08.2020

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