Hoffnungslos romantisch: Das Geschäft mit Auftragsvideos zerstört sich selbst

Preiskampf Auftragsvideo Auftragsproduktion
Illustration: Katerina Limpitsouni

Keine Videoproduktionen hat das Recht, nicht von einem Mitbewerber preislich unterboten zu werden. Dies ist zu akzeptieren, solange der Klügere sich damit nicht zum Dummen macht, schreibt Carlo P. Olsson.

Die Marktwirtschaft hat es in sich. Der Stärkere gewinnt. Darin gleicht das System dem Darwinismus, in dem der Schwächere langfristig nicht überleben darf.

Gewinner sein kann nur der Beste, in der Digitalwirtschaft auch, wer agiler oder schneller als seine Mitbewerber ist, oder wer mit dem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis punktet.

Leider bringt es das Geschäft mit Videoproduktionen mit sich, dass meist vorab zum fertigen Produkt nur der Preis, nicht aber die Leistung, kompetent vom Nachfrager beurteilt werden kann. Zu viele Auftraggeber verstehen zu wenig, welche „Zutaten“ ein erfolgreiches Video benötigt. Noch weniger verstehen sie das komplexe Zusammenspiel der erfolgsrelevanten Treiber, die am Ende einen qualitativ hochwertigen Auftragsfilm ausmachen.

Dies führt dazu, dass am Markt zunehmend diejenigen Anbieter die Nase vorne haben, die sich über den Preis und nicht über die Qualität definieren. Hier ein rasant zusammengeschnitten Video mit den besten Szenen aus bisherigen Auftragsarbeiten, da eine geschniegelte PowerPoint-Präsentation im Agentur-Look. Viele Kunden lassen sich von solcher Augenwischerei begeistern und glauben, darin Professionalität zu erkennen.

In Theorie müsste ein solches Fehlverhalten kein Problem darstellen, weil es sich selbst korrigiert: kann die Videoproduktion ihr Kundenversprechen nicht einlösen, wählt der Kunde in Zukunft ganz einfach einen anderen Anbieter.

In der Praxis sieht es gänzlich anders aus.

Einerseits tauchen mit der Hartnäckigkeit von Stechfliegen täglich neue Filmproduktionen in der Kommunikationslandschaft auf. Jede und jeder darf sich Produzent oder Regisseur nennen. Wer einmal auf den Urlaub verzichtet, kauft sich mit dem damit eingesparten Budget eine Filmkamera und gründet mit Freunden die beste aller möglichen Filmproduktionsfirmen. Hoffnungslose Romantik ist einer der wichtigsten Treiber für den mörderischen Preiskampf im Videogeschäft.

Andererseits, hierin liegt der zweite Grund für die mörderischen Tiefpreise, haben Unternehmen kein Gedächtnis. Ansprechpartner und Entscheider für Videoproduktionen wechseln in Konzernstrukturen oftmals nach wenigen Jahren ihre Funktion. Damit verlieren auch bestehende Beziehungen ihre Gültigkeit und wird – irgendwie muss sich der neue Stelleninhaber schließlich profilieren – die Türe für neue Anbieter mit „optimierter“ Preisstruktur geöffnet.

Videoproduktionsfirmen können sich in der Folge so lange gegenseitig mit ihren Preisen unterbieten, bis ihnen die Luft ausgeht. Worauf, so wie bei Imbissbuden, sogleich ein Dutzend neuer Anbieter am Horizont auftaucht, die ebenso unbelastet wie fröhlich an der Preisspirale weiterdrehen.

Langfristig führt dies dazu, dass das bewegte Bild gegenüber anderen Medien an Kraft verliert. Videofirmen, die keine vertretbaren Erlöse erzielen, sind nicht in der Lage, gut ausgebildete Mitarbeitende zu beschäftigen, geschweige denn auszubilden. Das Prinzip „ein Häuptling und viele Indianer“ macht sich in Deutschland immer breiter. Wo aber Praktikanten Filme machen, sehen die Filme auch so aus wie von Praktikanten gemacht.

Schon seit Jahren versuchen Berufsverbände und Filmorganisationen, der ruinösen Selbstzerfleischung der Branche Einhalt zu gebieten. Bisher ohne Erfolg. Weil viele neu gegründete Filmfirmen nichts von Selbstregulierung wissen wollen und sich auch nicht als Mitglied von Organisationen zu einem Verhaltenskodex verpflichten mögen.

Tatsache ist aber auch, dass es den Fach- und Berufsverbänden im DACH-Raum bisher nicht gelungen ist, ein eigenes Gütesiegel für ihre Mitglieder am Markt zu etablieren, das mit seiner unübersehbare Strahlkraft für Qualität bürgt und von potenziellen Auftraggebern für Videoproduktionen als solches wahrgenommen wird.

Interessanterweise hat die jüngere Forschung wissenschaftlich belegt, dass Darwin nur halbwegs recht hatte: nicht die stärkeren Arten überleben langfristig. Sondern diejenigen, die innerartlich zur Kooperation fähig sind.

Vielleicht erreicht die Schwarmintelligenz – nun, da die Auftragsproduzenten vom Löwen zur Ameise geworden sind – irgendwann auch noch die Köpfe der Videoproduzenten und Auftragsfilmer. Dem wunderbaren Kommunikations-Werkzeug Film und Video wäre es zu wünschen.

Carlo Olsson 99 Artikel
Carlo Olsson begleitet die Herstellung von Filmen, Videos und TV-Serien im Auftrag von Unternehmen, Agenturen und Produktionsfirmen. In seiner Freizeit spielt er Eishockey und beschäftigt sich mit barocker Klangdramatik.

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