Warum Platzhirsch Netflix trotz 40 % Wertverlust noch lange nicht in der Krise ist

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Netflix in der Krise? | © Bildmontage: dreamtime

Die jüngsten Zahlen lassen aufhorchen: Netflix hat seit Anfang des Jahres 2022 unvorstellbare 40 % seines Wertes verloren. Das ist massiv. Der Wertverlust bewegt sich in Milliardenhöhe. Ist diese Krise der Anfang vom Ende?

Genau hinsehen lohnt sich nicht nur bei den Serien des bisher unangefochtenen Streaming-Giganten Netflix. Sondern auch bei den diese Tage veröffentlichten und auf den ersten Blick scheinbar katastrophalen Kennzahlen. 50 Milliarden (!) an Wert hat das Unternehmen in nur 12 Wochen verloren.

Die Suppe an den Aktienmärkten wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird.

Als Ökonom kann man trefflich darüber streiten, wie real diese Krise indessen wirklich ist. Denn es handelt sich dabei um einen Verlust von hypothetischen Aktienwerten. Für ein Unternehmen ist eine solche Talfahrt in Richtung einer Halbierung der Werthaltigkeit in der Tat eine Herausforderung. Nicht nur für eigene Reputation. Kredite, die gegenüber Banken bisher Aktienwerte abgesichert waren, müssen so etwa anderweitig abgesichert werden.

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Firmenporträt

Revolutionär Netflix

Netflix ist ein amerikanisches Unterhaltungsunternehmen, das 1997 von Reed Hastings und Marc Randolph in Scotts Valley, Kalifornien, gegründet wurde. Im Jahr 2013 expandierte Netflix in die Film- und Fernsehproduktion sowie in den Online-Vertrieb.

Der Hauptsitz von Netflix befindet sich in Los Gatos, Kalifornien. Mit Beasts of No Nation (2015) veröffentlichte der Konzern seinen ersten Spielfilm, der selbst produziert wurde. Netflix produziert heute Hunderte von Stunden an Originalprogrammen auf der ganzen Welt. Zu den bekanntesten Produktionen gehören Stranger Things, Narcos, House of Cards, Orange Is the New Black, Master of None und The Crown.

Netflix hat die Art und Weise, wie Menschen fernsehen und Filme sehen, revolutioniert. Mit über  221,64 Millionen Abonnenten (Ende Q1/22) weltweit ist der Streaming-Service ein unverzzichtbarer Bestandteil im globalen Unterhaltungsbusiness.

Wahr ist aber auch: Der Wert von Aktien setzt sich immer auch aus dem Preis zusammen, den der Markt für einen Anteil am Unternehmen zu zahlen bereit ist. Erfolgsmeldungen und gewinnträchtige Strategien führen schon vorab zu ihrer oftmals Umsetzung zu einer Wertsteigerung. Umgekehrt kann ein knappes Verfehlen von früher kommunizierten Zielen überproportionale Einbrüche hervorrufen.

Und genau dies ist in den vergangenen drei Monaten bei Netflix passiert. Nach zehn Jahren mit konstantem Wachstum musste jetzt Netflix erstmals bekannt geben, dass man Abonnenten verloren hat. Das ist nicht schön. Und nicht nur mit dem freiwilligen Rückzug aus Russland (minus 200.000 Abonnenten) erklärbar. Umgekehrt: Die wachsende Konkurrenz durch Mitbewerber wie Disney+, auch ein möglicher Grund, ist für Branchenkenner keine Überraschung. Sie ist seit mehr als zwei Jahren ebenso wie der andauernde Niedergang von Hollywood eine Tatsache. Also längst schon bekannt.

Bedenkt man zudem, dass nach dem sich abzeichnenden Ende von Corona die Menschen wieder verstärkt andere Dinge tun, als nur Serien zu schauen, war der Rückgang nach der Pandemie nicht nur für Insider voraussehbar.

Der aktuelle Einbruch der Aktienkurse spiegelt darum so zu einem guten Teil nicht die Probleme bei Netflixwider. Er zeigt vielmehr die Dummheit der Investoren, die fantasiert haben, das Objekt ihrer Begierde könne ohne Unterbruch bis in alle Ewigkeiten wachsen.

Es ist korrekt. Netflix hat über Jahre mit der Gier der Anleger gespielt. Prognosen in Bezug auf das zukünftige Wachstum waren immer kühn und gefährlich selbstbewusst.

Trotzdem: Die diese Tage mehrheitlich voller Schadenfreude herbei geschriebene Krise von Netflix ist in Tat und Wahrheit eine Chance. Solche Schocks erhöhen mittel- und langfristig die Widerstandsfähigkeit einer Organisation. Netflix wird seine Lektion – anders als der Aktienmarkt – sehr rasch lernen! Netflix-CEO Reed Hastings sagt zur Krise in einem Interview mit Newsweek denn auch: „Wir bedauern natürlich die Auswirkungen auf unseren Ruf.“ Hastings zeigt sich aber auch zuversichtlich, dass Netflix in Zukunft weiter wachsen wird. „Ich denke, dass wir dadurch ein stärkeres Unternehmen sein werden. Es werden harte Monate, aber ich bin stolz auf die Art und Weise, wie unser Team reagiert.“

Anzahl Abos Streaming-Anbieter in Mio. per Ende 2021

Zuversicht verleiht, nebst der gut gefüllten Pipeline an neuen Serien mit Superstars, ein heimlicher Trumpf, den Netflix bisher noch nie konsequent ausgespielt hat:

Das Unternehmen schätzt, dass 2022 weltweit rund 100 Millionen Zuschauer ihre Serien und Filme mit einer Lizenz schauen, die von Freunden oder Verwandten illegal weitergegeben wurden. Obwohl die Daten für ein Log-in heute mühelos an den Standort der jeweiligen Nutzer gekoppelt und der Missbrauch damit unterbunden werden konnten, hat Netflix bisher auf diese Maßnahme verzichtet. Das wird sich in Zukunft ändern. Wenn nur die Hälfte der hundert Millionen dieser Schwarzseher nun aber zukünftig eine Gebühr zahlen muss, sieht die Erfolgsrechnung des Konzerns sofort besser aus.

Die Suppe an den Aktienmärkten wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird. Wer das Risiko eingehen will, etwas Spielgeld und drei bis fünf Jahre Ausdauer hat, kann diese Tage meiner bescheidenen Meinung und Erfahrung nach weit größere Dummheiten begehen, als sich jetzt günstig ein paar Aktien von Netflix zuzulegen.

Unterhaltung hat immer mit Talent, Know-how und Erfahrung zu tun. Diese drei Erfolgsgeheimnisse für die Kreation und Herstellung von Filmen und Serien besitzt Netflix im Übermaß. Genauso, wie noch immer einen weiten Vorsprung auf die Konkurrenz. Ich warte nur darauf, wie sich die Presse und die breite Öffentlichkeit bei der nächsten globalen Erfolgsserie, man erinnere sich an Squid Game, vor Neid und Begeisterung erneut weltweit überschlagen wird.

In der Krise kaufen Netflix-Aktien? Dummschwätzerei oder der Tipp deines Lebens? Season 1 von Squid Game und Squid Game Staffel 2 geben dir die Antworten.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 21.04.2022

Zachery Z. 53 Artikel
Zachery Zelluloid war in der Unterhaltungsindustrie tätig. Er schreibt unter Pseudonym, weil er weder vertraglichen Schweigepflichten verletzen, noch das wirtschaftliche Fortkommen der Berufsgattung Anwalt fördern oder Freunde brüskieren will. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

1 Kommentar

  1. Das ist mal eine erfreulich sachlich-amüsante Erklärung, ein wunderbar de-eskalierender Artikel, der gleich noch die hysterische Welt der Aktien (und damit das Märchenland der neoliberalen Ideologie) mit abstraft. Ich bin begeistert … und trotz einiger verbalen Ohrfeigen ist es ziemlich fair geschrieben (finde ich). Mehr davon!

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