Videos schneiden (Teil 2): Was heißt Kausalmontage und Parallelmontage?

Filmschnitt Parallelmontage Kausalmontage erklärt
Die Montage paralleler Handlungselemente – wie die Kausalmontage ein Gütesiegel der Profis | © Symbolbild: Pavel Sokolov

Parallelmontage und Kausalmontage unterstützen das dramaturgisches Storytelling mit Bewegtbild ebenso maßgeblich wie effizient. Beide Methoden sind bewährte Mittel dazu, im Filmschnitt hohe Spannung zu erzeugen und damit den Filmzuschauer zu fesseln.

Der Videoschnitt ist Diener der Dramaturgie. Seine Aufgabe ist es, Geschichten oder Botschaften beim Editing so zu montieren und zu verdichten, dass diese beim Zuseher die maximal mögliche Wirkung entfalten können. Dazu sind oftmals das Verständnis von Kausalmontage und Parallelmontage unerlässlich.

Dieser Artikel erklärt, was die beiden Methoden bedeuten und wie sie funktionieren.

Die Erfindung von Parallelmontage und Kausalmontage

In der Pionierzeit des Films beschränkte sich die Filmmontage darauf, mit dem Schnitt die für die Erzählung notwendigen Ereignisse in chronologischer Folge hintereinander zu schneiden. Dabei konnte Spannung nach damals herrschender Filmtheorie nicht im Schnitt hervorgerufen werden. Sondern nur durch den Inhalt der Erzählung. Verschieden Formen der Montage wurden nicht unterschieden.

1901 ging der Stummfilm Attack on a China Mission von James Williamson erstmals einen Schritt weiter. Sein Film bewies, dass die Zuschauer sich vom Filmschnitt auch über größere Zeit- oder Raumsprünge führen ließen. Dies ganz besonders, wenn in der Einstellung vor und nach dem Schnitt ein identisches Objekt oder eine identische Person im Bild zu sehen war. Mit dieser Erkenntnis waren die Grundlagen für die Parallelmontage und die Kausalmontage geschaffen.

Kausalmontage und Parallelmontage: Videos schneiden und professionell Filme montieren (2/4)
James Williamson, Filmpionier, 1855–1933 | © Foto: Wikipedia

Vierundzwanzig Jahre später wurde dieses mehr oder wenig zufällig entdeckte Montageprinzip durch den russischen Regisseur Sergej Eisenstein als Kausalmontage in der Filmtheorie bekannt.

Die Parallelmontage

Bei der Parallelmontage gilt es definitionsgemäß, verschiedene Storylines nebeneinander in einer Parallelhandlung zu erzählen. Ein Paradebeispiel dazu liefert das Epos „Game of Thrones“, das je nach Episode bis zu acht Geschichten von unterschiedlichen Figuren an unterschiedlichen Handlungsorten in einer Episode der Serie gleichzeitig erzählt.

Die parallele Montage von unterschiedlichen Handlungsverläufen ist damit für Filmemacher weit anspruchsvoller zu bewältigen als der chronologische Filmschnitt und die Kausalmontage. Dies, weil sie gestalterisch und konzeptionell weit höhere Anforderungen an das Wissen von Cutter und Regisseur stellt.

Die Schwierigkeit bei der Parallelmontage liegt nicht nur darin, im richtigen Moment von einem Handlungsstrang zum anderen zu springen. Der Zuschauer erwartet bei der Parallelmontage normalerweise auch, dass am Ende alle Handlungsstränge zusammengeführt werden.

Die Parallelität des Zeitablaufs mündet bei der Parallelmontage in das Zusammenfallen der Räume.
Kurt Hoffmann

Die Konzeption parallel erzählter Storylines fordert Drehbuchautoren ebenso wie Editoren. Zumal die Storylines am Ende in einem Höhepunkt ihren Abschluss finden müssen, der zwar unerwartet, aber dem Zuschauer rückblickend als zu 100 % logisch erscheinen muss.

Unterschied zur parallelisierenden Filmmontage

Erfolgt keine Zusammenführung der unterschiedlichen Handlungslinien, spricht man nicht von einer Parallelmontage. Sondern von einer „parallelisierenden Filmmontage“.

Schwierigkeiten der Parallelmontage

Die Parallelmontage wird von Regisseuren und Editoren beim Film schneiden oft als Mittel zur Steigerung der Dramatik eingesetzt. Das gilt im Spielfilm wie auch für TV-Serien und Dokusoaps. Immer dann, wenn es so richtig spannend zu werden droht, springt das Bild auf die Parallelhandlung und erzählt diese weiter.

Auch in der Literatur findet sich das Prinzip der Parallelmontage. Autoren von leichten Unterhaltungsromanen, wie es sie etwa an Flughäfen zu kaufen gibt, setzen das Prinzip extensiv ein. Derartig konstruierte Romane werden im Englischen als „Page Turner“ bezeichnet, weil der Leser wegen der geschickt arrangierten Spannungsböden nicht anders kann, als umzublättern.

Die Kausalmontage

Das von Williamson angewandte Montageprinzip zur Überwindung von Raum und Zeit wird heute noch angewandt. Es wird in einer erweiterten Form auch als Kausalmontage bezeichnet.

Von einer kausalen Montage spricht man immer dann, wenn das Geschehen in einer Story einstellungsübergreifend nach dem Ursache-Wirkungs-Prinzip in einem Zusammenhang steht. Diese erstmals fürchterlich akademisch klingende Definition der Kausalmontage bedeutet nichts anders, als dass aus inhaltlicher Sicht sich die nachfolgenden Einstellungen oder Szenen in einem Film die zwingende Folge aus den vorab gezeigten Vorgängen sind. Oder anders gesagt: sie scheinen logisch zu sein,

Dank der kausalen Montage lässt sich Wirklichkeit konstruieren, die als wahr empfunden wird. Folgt einer Einstellung eines reifen Apfels, der an einem Baum hängt, eine Aufnahme von einem zertretenen Apfel am Boden, schließt der Zuschauer sofort darauf, dass es sich um dieselbe Frucht handelt.

Die Wirkung der Kausalmontage wird auch als Dialektik des Films bezeichnet.

Fazit zu Kausalmontage und Parallelmontage

Das musst du wissen

  • Zwei der wichtigsten Prinzipien des Filmschnitts sind die kausale Montage und die Parallelmontage.
  • Bei der Parallelmontage werden zwei Handlungsstränge – der Name sagt es – parallel zueinander montiert. Sie verlaufen gleichzeitig nebeneinander. Die Herausforderung liegt darin, nicht nur im perfekten Moment von einer Handlung zur anderen zu wechseln, sondern am Ende die Handlungsstränge elegant in einem Handlungshöhepunkt wieder zu vereinen.
  • Werden zwei Einstellungen oder Szenen hintereinander montiert, scheinen sie automatisch in einer logischen Beziehung zu stehen. Dieser Effekt ist mit einer Kausalmontage gemeint.
  • Kausale Montage und Parallelmontage sind wichtige dramaturgische Mittel. Beide erweitern und verändern beim Storytelling für den Zuschauer das Zeitgefühl der Filmhandlung.

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Weitere Informationen finden sich auch hier: Gute Filmbücher.

Einen innovativen Ansatz für die Montage haben der Regisseur Udo Flohr und sein Editor Sven Pape gewählt: Sie schneiden ihren Spielfilm Effigie – Das Gift und die Stadt in aller Öffentlichkeit online.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 02.08.2016

Pavel Sokolov 49 Artikel
Pavel studiert Film Editing. Er mag François Truffaut, Terrence Malick, Dr Pepper, seinen Thermaltake View 71 TG, Musik von Seeed und alle Dinge, die mit der Farbe Rot zusammenhängen, aber keinem Lebewesen Schmerzen bereiten.

1 Kommentar

  1. Ich habe vor, einen Spielfilm zu drehen, bin aber Laie und finde diese Artikel ungeheuer interessant und lehrreich. Alles klingt logisch und ist leicht verständlich.

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