Hollywood muss sich mit höchster Dringlichkeit endlich wieder auf seine größte Stärke besinnen. Denn anders als früher hat die aktuelle Kinokrise dieses Mal wirtschaftlich wie künstlerisch das Potenzial, die Traumfabrik ein für alle Mal in den Abgrund zu reißen. Eine Mitschuld daran tragen auch die Kinofilme der letzten Jahre. Weil auch die besten der jüngsten Filme nicht einmal ansatzweise das Zeugs zum Filmklassiker und damit die Chance haben, den Weg in die Zukunft zu zeigen, schreibt Zachery Z.
Haben Sie in den vergangenen Monaten ein Kinoticket gekauft? Für »Furiosa – A Mad Max Saga«, »Twisters« oder »The Fall Guy« oder »Führer und Verführer«? Mein Beileid! Denn in diesem Fall haben Sie so wie ich diesen Sommer dafür bezahlt, sich in einem halb leeren Kinosaal zu langweilen. Wer mag, kann das diesen Herbst mit einiger Möglichkeit auch mit »Spiderman«, »Joker: Folie à Deux« oder »Gladiator 2« – richtig, ein weiterer Aufguss eines bekannten ehemaligen Blockbusters – wieder tun.
Zugegeben, da waren auch noch Jonathan Glazer mit »The Zone of Interest«. Oder Giorgos Lanthimos mit »Poor Things« und einer grandiosen Emma Stone. Altmeister Martin Scorseses hat »Killers of the Flower Moon« vorgelegt, Justine Triet »Anatomie d’une chute«. Plus »Nyad« mit Jodie Forster, Margot Robbie in »Barbie«, abgerundet von »Oppenheimer« und »Saltburn«. So weit, so gut. Ja, einige dieser Filme haben sogar die Kinokassen für einen kurzen Augenblick in altem Glanz klingeln lassen.
Aber seien wir ehrlich: Welches dieser Werke hat das Potenzial zum Klassiker? Die eine Hälfte dieser Filme ist so sehr in der Wolle gefärbt, dass die Filme darob einfältig und farblos geworden sind. Die andere Hälfte ist von einem langfädigen, klebrigen Intellekt durchdrungen. Und damit für normale Menschen ohne Gebrauchsanleitung unverständlich.
Wo bleiben Filme wie »Fear and Loathing in Las Vegas«, »Le Grand Bleu« oder »Trainspotting«?
Tiefer geworden sind die Hürden zum Filmklassiker durch den Mangel an Qualität nicht:
Erstens, weil die Flut aus Filmen und Serien (Stichwort »Streaming«) immer unübersichtlicher wird. Zweitens, weil die digitalen Vertriebskanäle die Ansprache immer kleinteiliger Zielgruppen ermöglichen. Drittens, weil dem klassischen Kinofilm links und rechts andere Evergreens um die Ohren flitzen. Dazu zählen längst auch Live-Events. Etwa die weltbekannten Shows von Cirque du Soleil. Sie haben erfolgreich den klassischen Zirkus abgelöst. Oder innovative, digitale Entertainment-Angebote wie die beliebten Klassiker aus dem Online Casino.
Echte Filmklassiker besitzen im Entertainment-Business gleich zwei tragende Funktionen: Sie bezeugen Unvergänglichkeit und sie versprechen Zukunft. Echte Klassiker zeigen, was in Vergangenheit war und was zukünftig möglich sein wird. Damit geben sie den Menschen das Vertrauen, in das Kinoerlebnis zu investieren. Dies in Form des Kaufs eines Tickets. Noch wichtiger ist dieses Vertrauen für die Investoren, die nicht selten hunderte Millionen in die Herstellung und Vermarktung eines Films aufwerfen.
Hollywoodfilme waren schon immer eine Sache des Glaubens. Für die Filmemacher ohnehin. Aber auch für die Investoren. Die Räubergeschichten von Waffenhändlern oder Investorengemeinschaften aus Zahnärzten, die einzig darum in Hollywood-Vehikel investierten, weil sie von Steuervorteilen profitieren oder dreckige Geldquellen mit sauberen Gewinnen legalisieren wollten, existieren schon so lange wie der Film selbst.
Wer nicht mehr an die Kraft der Kinoleinwand glaubt und das Vertrauen verliert, mit Kreativität ein breites Publikum erreichen zu können, macht es wie Dr. Frankenstein. Er bastelt sich aus einstigen Blockbustern neue Kreaturen zusammen. Diese Fortsetzungsmonster hören an der Kinokasse auf Namen wie »Beverly Hills Cop – 4« und »Despicable Me 4«. Und »Who Framed Roger Rabbit 2«. Oder »Godzilla × Kong: The New Empire«.
Warum bin ich sicher, dass keiner dieser Filme das Zeugs zum Filmklassiker haben wird? Darum, weil das größte Risiko im Kinogeschäft darin besteht, kein Risiko eingehen zu wollen. Wer im Entertainment alles richtig machen will, gehört nicht in die Filmbranche. Sondern in ein Bestattungsinstitut.
Von Außen betrachtet mag die globale Filmindustrie einer Lotterie oder Spielbank gleichen. Insider aber wissen: Die oftmals börsennotierten Studios in Los Angeles – ebenso wie die Independent-Filmvehikel – haben seit jeher mit OPM gearbeitet.
OPM, dieses Kürzel steht für nicht mehr und nicht weniger als »Others People Money«. Auf gut Deutsch also für: risikofreudige branchenfremde Investoren, die an die Einzigartigkeit von erzählerisch tatsächlich einzigartigen Filmprojekten glauben. Geschlossene Kinos aufgrund Corona, die Streiks der Autoren und Schauspieler kombiniert mit gesellschaftlichen Tretminen und wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten sind ein Giftcocktail für OPM.
Der mit einem Oscar ausgezeichnete Drehbuchautor William Goldman (»Die Unbestechlichen«, »Wilde Kreaturen«) stellte einmal fest, dass in Hollywood nicht alle nicht alles wissen. Genauso wahr ist:
Es gehörte für die US-Filmbranche seit jeher zum Berufsstolz, in jedem und allem eine Chance zu sehen. Man muss feststellen, dass in der aktuellen Misere nun aber offenbar so viel Mist produziert wird und wurde, dass es sich nicht mehr einfach frohen Mutes so leichtfüßig wie früher über den Misthaufen hinweg steigen lässt!
Für europäische Filmemacher mit einer eigenen Stimme ist das amerikanische Unglück ein Glücksfall. Vorausgesetzt, sie finden einen Investor oder Filmförderstellen mit dem erforderlichen Quäntchen Chuzpe.
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