Erst der Subtext verleiht der Story eines Films oder Videos echte Nachhaltigkeit und Tiefe

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Wichtig ist nicht, was du sagst. Sondern was du nicht sagst | © Skizze: Pavel Sokolov

Du willst mehr Spannung in deinem Video? Dann solltest du dich mit Subtext beschäftigen. Denn dieser sorgt ebenso sehr wie die Dramaturgie für Dynamik und hilft dabei, die Zuschauer zu fesseln.

Spannung ist alles. Du willst – immer! – deinem Publikum einen Grund geben, warum es die nächste Minute deines Filmes oder Videos ansehen will. Subtext hilft dabei. Und geht trotzdem als dramaturgisches Mittel oftmals vergessen. In diesem Artikel lernst du, was Subtext ist und wie ihn dazu nutzt, um Videos besser zu machen.

1Mit Subtext in einem Video Spannung aufbauen

Natürlich kannst du mit deinem Videokonzept eine Ausgangslage für die Filmhandlung schaffen, bei der es gar nicht anders geht, als dass Spannung entsteht. Wie das geht, hat schon Hitchcock gezeigt (siehe dazu später in diesem Artikel).

Es gibt aber Genre und Momente in einer Handlung, in denen du dem Publikum keinen Holzhammer über den Kopf ziehen kannst. Aber trotzdem den Zuseher bei der Stange halten willst – oder musst. Genau hier kommt der Subtext zum Zuge.

Anders als bei der strukturell erzeugten Spannung überrumpelt Subtext die Zuschauer nicht. Warum? Subtext ist subtiler. Er spielt auf einer Meta-Ebene (Zwischenebene). Auch darum arbeiten viele Filmemacher und Autoren gerne mit ihm. In der Arbeit professioneller Drehbuchautoren und Regisseure ist der Einsatz von Subtext so etwas wie eine stillschweigende Übereinkunft, die nahezu ohne Ausnahme eingehalten wird.

Das hat seine triftigen Gründe:

2Was ist Subtext?

Subtext ist die Kunst, etwas zu sagen, ohne es beim Namen zu nennen. Es ist wie in einer menschlichen Beziehung: Dinge, die subtil angedeutet werden, sind oftmals wichtiger als lautstarke Argumente oder Fakten.

Subtext ist ein von einem Bogen abgeschossener Pfeil, bei dem (noch) unklar ist, auf welches Ziel er trifft.

Die Kraft des Subtext schöpft sich genau aus diesem Umstand: Der Nähe zur realen Welt, die aber nicht beim Namen genannt wird. Sondern ebenso wie der zugrunde liegende, größere Grund nicht ausdrücklich erwähnt wird. Damit löst Subtext Emotionen aus.

3Der Unterschied zwischen Subtext und Dramaturgie

Dramaturgie ist die Kunst, eine Geschichte möglichst gut zu erzählen, dazu nutzt sie unterschiedliche dramaturgische Mittel, Tricks und Kniffs. Subtext ist eines dieser Mittel.

Man kann es auch so sagen: Dramaturgie ist der Werkzeugkasten. Subtext ist, so wie Überraschung, Verzögerung, Wissensvorsprung des Zuschauers oder Kontrast, eines der Werkzeuge, welches du zum Erzeugen von Spannung einsetzen willst.

ABeispiel 1

Subtext lässt sich am besten mit einem Beispiel illustrieren. Nehmen wir dazu folgende typische Ausgangslage aus einem TV-Krimi:

Eine Mutter hat sich im Bahnhofsquartier an einem Steh-Imbiss mit einem Auftragskiller verabredet. Dieser soll den Vergewaltiger ihrer Tochter bestrafen.

Sagt die Mutter zum Killer: „Ich will, dass diesem schwanzgesteuerten Monster sein bestes Stück abgeschnitten wird!“, ist damit alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt.

Um mehr Spannung zu erzeugen, lässt sich die Szene mittels Subtext aber auch folgendermaßen erzählen:

Die Frau blickt dem Killer in die Augen. „Es soll ihn an seiner empfindlichsten Stelle treffen!“. Beide schweigen. Sie säbelt die vor ihr liegende Currywurst in kleine Stücke.

Als Formel ausgedrückt, kann man dies so formulieren: Subtext ist nicht A = A, sondern A + B = C.

Illustriert am vorgehenden Beispiel: Wenn die Mutter A ankündigt und A folgt, liegen die Karten von Beginn weg auf dem Tisch. Das Spannungselement ist minimal. Wenn aber die Frau in der Situation A mit B reagiert und der Zuschauer nur erahnen kann, was als C daraus folgt, entsteht Spannung. Dann steht sofort und unbewusst die Frage im Raum: Ziehe ich die richtigen Schlüsse? Trifft meine Vermutung ein? Darum hat Subtext immer auch mit Vorstellungskraft zu tun.

4Subtext im Dialog

Subtext in Dialog ist die Kunst der subtilen verbalen Andeutungen, Hinweise und Umschreibungen auf einer zweiten Handlungsebene. Es geht darum, in Worten einen Rahmen abzustecken, der die Fantasie des Zuschauers stimuliert und mit Andeutungen arbeitet.

Und klar, du kannst dafür auch mit Off-Voice (der inneren Stimme) arbeiten, statt Personen im On sprechen zu lassen.

BBeispiel 1: „Annie Hall“

Filmregisseur Woody Allen verulkt in seiner genialen Komödie „Annie Hall“ (Deutscher Titel: „Der Stadtneurotiker“) die Funktion von Subtext, indem er diesen unter die Dialoge als Untertitel einblendet und offenlegt:

„Annie Hall“ (Deutscher Titel: „Der Stadtneurotiker“)

Natürlich muss Subtext immer in den Gesamtkontext eingebunden und von diesem befeuert werden. Denn damit machst du nicht nur die Dialoge spannender. Du ziehst auf diese Weise den Zuschauer durch die erhöhte Spannung in den Bann der Handlung.

CBeispiel 2: „The Godfather Part II“

Der Klassiker für Subtext schlechthin. Hier zeigt Regisseur Francis Ford Coppola mit dem Autor Mario Puzo auf meisterhafte Weise, wie man Dinge sagt, ohne sie zu nennen.

The Godfather, Part II, 1974

The Godfather Part II 1974 | Beispiel für Subtext im Dialog / Spielfilm

Michael Corleone schickt Tom Hagen, um Rache an Frank Pentangeli zu nehmen:

Tom Hagen: „Wenn ein Komplott gegen den Kaiser im alten Rom scheiterte … die Verschwörer hatten immer die Möglichkeit, ihre Familien ihr Vermögen behalten zu lassen. Stimmt’s?“

Frank Pentangeli: „Ja, aber nur die reichen Jungs, Tom. Die kleinen Jungs wurden umgelegt und alle ihre Besitztümer gingen an den Kaiser. Es sei denn, sie gingen nach Hause und brachten sich um, dann passierte nichts. Und die Familien … die Familien wurden versorgt.“

Tom Hagen:„Ein schönes Geschäft.“

Frank Pentangeli: „Ja … Sie gingen nach Hause … und saßen in einem heißen Bad … öffneten ihre Adern … und verbluteten … und manchmal hatten sie vorher eine kleine Party.“ (Er schaut auf die Zigarre und dann auf Tom und versteht, was er tun muss.)

Tom Hagen: „Mach dir keine Sorgen, Frankie Five-Angels.“

Am nächsten Tag wird Frank tot in seinem Badezimmer gefunden, in einer Badewanne voller Blut. Er hat sich, ausgelöst durch die subtilen, aber unmissverständlichen Hinweise von Tom, die Pulsadern aufgeschlitzt.

5Subtext in der Handlung

Der vorgehende Filmausschnitt C demonstriert etwas später in der Szene (nicht im gewählten Ausschnitt des Videobeispiels zu sehen), wie Subtext auch ohne Dialog funktioniert. Pentageli hält nämlich eine Zigarre in der Hand, deren Rauch sich, so wie seine Existenz, im Wind verflüchtigt. Ebenso kommuniziert auch das Zerschneiden eines Würstchens in Beispiel A eigentlich eine ganz harmlose, alltägliche Handlung, im richtigen Kontext gelesen aber eine zielgerichtete Aggression und den Wunsch nach blutrünstiger Rache.

Leisten kann dies der Subtext als Teil einer Handlungsaktion nur, wenn er im Drehbuch oder Videokonzept vorausgeplant und von der Regie ebenso wie von den Schauspielern getragen wird.

Dabei kann Subtext eine Handlung auch spannender machen, wenn er nicht in einer Aktion, sondern in einer Nichtaktion besteht. Ein Beispiel: Ein passiver Blick sagt in gewissen Situationen mehr, als eine aktive Geste.

6 Subtext bei Musik und Sound Design

Auch das Sounddesign und der Soundtrack eignen sich gut, um einer Szene oder einem Handlungsbogen mit Subtext mehr Spannung zu verleihen.

Die Tonebene ist sogar in der Lage, in einem Film auf unnachahmliche Weise Emotionen auszulösen. Naheliegenderweise können diese Gefühle parallel zu den Emotionen der Darsteller laufen, aber genauso gut auch mit diesen kontrastiere. Oder sie auf eine Weise interpretieren, die eine Szene plötzlich doppeldeutig macht.

7Warum ist der Subtext wichtig?

Subtext ist ein elegantes Werkzeug, um Spannung auf eine Meta-Ebene zu erzeugen. Darum, weil dank dieses dramaturgischen Werkzeugs eine Handlung mit mehr Spannung und zugleich eleganter und überraschender erzählt werden kann.

Zugegeben: Spannung lässt sich immer handwerklich konstruieren. Das bekannteste Beispiel dafür ist die berühmte Bombe unter dem Tisch, von der nur der Zuschauer, nicht aber die am Tisch sitzenden Personen wissen. Diese, von Hitchcock vielfach zitierte, Mechanik funktioniert. Sie ist aber weit weniger subtil, als der Einsatz von Subtext.

Am Ende aber gilt, wie immer, dass erst die Kombination aller Mittel den Meister zeigt. Eine Filmhandlung benötigt, um Spannung zu erzeugen, starke Konflikte. Der TV-Macher nennt dies Fallhöhe. Erzeugt und aufrecht gehalten werden kann ein Konflikt auch mit Subtext. Leider wird das noch immer zu viel vergessen.

8Subtext und Imagefilm

Subtext eignet sich auch für Auftragsproduktionen und Imagefilme. Hierbei gilt es, genauso wie bei fiktiven Handlungen, zwischen Subtext und Ambivalenz zu unterscheiden. Ganz einfach ist dies nicht. Ambivalenz ist eine gefühlsbetonte Unsicherheit des Zuschauers. Sie ist die Frage, wie er etwas, das er in einem Video sieht, beurteilen soll. Das ist bei kurzen Filmformaten grundsätzlich unerwünscht. Ambivalenz entsteht in den meisten Fällen ungewollt und unbewusst.

Subtext hingegen erzeugt ganz bewusst eine mehrdeutige Interpretation. Und weil sie eben ganz gewollt zum Einsatz kommt, wird die Mehrdeutigkeit später auch ganz gezielt aufgelöst.

Man kann also auch sagen:

Subtext erzeugt eine bewusste, die Spannung fördernde, zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgelöste Mehrdeutigkeit. Ambivalenz hingegen entsteht durch einen ungeschickten Einsatz sich widersprechender visueller Signale, die zwar vom Zuschauer, nicht aber vom Filmemacher wahrgenommen werden.

9Fazit

Die Schönheit und Kraft des Subtextes liegt im Einbezug des Zuschauers in die Erzählung. Der Zuschauer wird dadurch zum Teil der Handlung. Er bekommt gewissermaßen einen Schlüssel in die Hand, welcher die Türe zum nächsten Raum öffnet. Die aber ohne zu wissen, was genau ihn hinter dieser Türe erwartet.

Damit erzeugt Subtext seine Spannung, macht eine Erzählung aber zusätzlich auch vielschichtiger und damit lebensnäher.

Das musst du wissen:

  • Mit Subtext lassen sich auf elegante Weise Spannung erzeugen.
  • Subtext kann man als Weg definieren, etwas zu sagen oder anzudeuten, ohne es zu sagen.
  • Dafür setzt du Subtext in den Dialogen ein. Oder du verwendest Subtext im Rahmen der Filmhandlung. Ebenso kannst du dazu die Filmmusik nutzen, alternativ auch Dekor, Requisiten, Casting und weitere Elemente der Umsetzung und Visualisierung einer Handlung.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 11.02.2020

Gabriela Weingartner 24 Artikel
Gabriela Weingartner ist überzeugt, dass der Autor Patrick Süskind recht hat, wenn er sagt: »Man muss gescheit sein, um in der dummen Sprache des Films eine Geschichte klug erzählen zu können.«

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