Videokalkulation: Drei böse Stolpersteine, die du vermeiden solltest

Videokalkulation Fehler Fallen Filmbudget
Fehler machen ist das eine, sie nicht zu erkennen, das andere | © 3D-Kalkulator: Pavel Sokolov

Dieser Artikel mit dem Thema Videokalkulation nennt drei klassische Fallen der Analyse bei Kalkulationen beim Namen und erklärt Alternativen für besseres Budgetieren.

Stolpersteine bei einer Videokalkulation finden sich mit langjähriger Erfahrung im Umgang mit Budgets nicht nur in komplexen Genre wie Spielfilm und 360 Videos, sondern überall dort, wo für die Kommunikation mit Bewegtbild die Budgetparameter analysiert werden müssen. Und ebenso immer da, wo während den Dreharbeiten, dem Prinzip der rollenden Planung folgend, Budgets und Zahlen für finanzielle Standortbestimmungen an die Realität eines Drehs adaptiert werden müssen.

Alle drei Irrtümer, Domino, Rasierapparat und Excel-Tabelle treten in der Praxis auch in unterschiedlichen Kombinationen auf.

1Videokalkulation Beispiel: „Der Domino-Effekt“

Der Domino-Effekt kennzeichnet das fehlende Verständnis für miteinander verknüpfte Parameter in einer Kalkulation. Einander bedingend, können dies beispielsweise prozessbedingte, technische Abläufe im Rahmen der Bild- und Tonbearbeitung sein. Auch die Zusammenstellung von Kompetenzteams kann zu einem Domino-Effekt führen.

Die Verpflichtung von Key Talent, nicht nur für große Projekte, erfolgt durch erfahrene Produzenten oftmals so, dass die Talente der beteiligten Schlüsselpersonen einander ergänzen (sog. Komplementär-Prinzip, auch bekannt als „Talent-Packaging“). Wird ein Element entfernt, löst das für eine Videokalkulation eine Kettenreaktion aus. Parameter in einer Videokalkulation sind wie Comics, die als visuelle Sequenz auch nicht aus sich selbst heraus „automatisch“ einen Sinn ergeben.

Aus der Praxis: Für eine mittelgroße Stadt sollte eine Imagekampagne gestartet werden. Um die Entscheider von der Notwendigkeit eines Films zu überzeugen, wurde von der beauftragten Agentur mit bekannten Namen großer Talente gehandelt. Schließlich wurde das Budget für die Filmproduktion gesprochen, aber in reduziertem Umfang. Man war zur Meinung gelangt, dass der gewünschte Regisseur auch mit einem weniger erfahrenen Team die Aufgabe würde umsetzen können. Am Kick-Off-Meeting wurde der junge Kameramann vom preisgekrönten Regisseur mit den Worten begrüßt: «Du bist also der Esel, mit dem ich ein Pferderennen gewinnen soll!»

Wie es weiterging:

Zwei Tage später wurde der Regisseur auf Antrag des Produzenten mit einer fairen Aufwandsentschädigung dankend von seiner Aufgabe entbunden und ein komplett neues Team zusammengestellt. Dieses realisierte einen wunderbaren Film.

2Beispiel: „Der Rasierapparat-Effekt“

Der männliche Teil der Menschheit weiß: Im Gegensatz zu einem Rasiermesser kann mit einem Rasierapparat nichts schiefgehen. Egal, wie lang der Tag oder kurz die Nacht war, man zieht sich das Gerät über das müde Gesicht und darf darauf vertrauen, dass jedes einzelne Haar auf die exakt gleich Länge getrimmt wird.

Bei der Videokalkulation kommt der Rasierapparat zutage, wenn alle Budgetposten ungeachtet ihres Inhalts ohne das dafür erforderliche Wissen gekürzt – oder seltener: erhöht – werden. Ein Dreitagebart hat eine andere Qualität als ein frisch-rasiertes Männergesicht. Dasselbe gilt für lineare Anpassungen von Budgets. Hier wird an der Qualität geschraubt.

Aus der Praxis: Die Einkaufsabteilung eines bekannten Herstellers der Automobilbranche bat um eine Besprechung der abgelieferten Offerte für einen Produktfilm. Vor Ort und in Anwesenheit des Marketing-Verantwortlichen begann der Chef-Einkäufer dem Filmteam neue Filmkosten zu sämtlichen Posten der 14-seitigen Videokalkulation zu diktieren. Es dauerte einige Zeit, bis klar wurde, dass der Einkäufer sämtliche Preise ganz einfach linear gekürzt hatte.

Wie es weiterging:

Noch an der Besprechung konnte die vom Kunden angestrebte Reduktion des Budgets umgesetzt werden. Dies, weil mit Zustimmung des Marketing-Entscheiders eine für das Produkt und die Filmdramaturgie nebensächliche Szene markant vereinfacht werden durfte.

3Beispiel: „Der Excel-Tabelle-Effekt“

Was kosten Videofilme? Oscar Wilde (1854–1900) muss vielen Einkäufern von Großkonzernen unheimlich sein. Der irische Dramatiker hat sich nämlich schon vor einhundertfünfzig Jahren festgestellt, dass wir „von allem den Preis kennen, aber nur von wenigen Dingen den Wert“.

Wenn die Musik zu einem Auftragsfilm von einem Komponisten eigens komponiert werden und der Soundtrack nicht wie das Gedudel im Aufzug eines Supermarktes klingen soll, geht es schnell einmal um Talent. Das hat Konsequenzen für die Videokalkulation.

Talent oder den Preis dafür kann man für eine Videokalkulation in einer Excel-Tabelle abbilden. Wer versucht, das Honorar eines Komponisten – für Autoren und andere kreative Berufe im Film gilt dasselbe – im Excel-Sheet auf Tages- oder auf Stundensätze zu extrapolieren, dies in der Meinung, damit die Leistung besser einordnen zu können, mag sich zwar Trends im Einkaufsverhalten zur Bewegtbildkommunikation unterordnen, wird sein Ziel aber letzten Endes verfehlen. Musikant und Noten sind wie Autor und Text zwei Paar Schuhe, die unterschieden werden müssen.

Der Preis für Talente orientiert sich, wie alle Preise, an Angebot und Nachfrage. Auch wenn der Wert einer kreativen Leistung schwer nachvollziehbar zu sein scheint, auch er folgt Regeln.

Das musst du wissen

  • Der Domino-Effekt in einer Videokalkulation tritt dann ein, wenn ein Element einer Kalkulation verändert wird, ohne dessen Abhängigkeit von weiteren Teilkalkulationen zu erkennen. Damit löst die Abänderung einer Zahl eine Kettenreaktion aus, die schwerwiegende Folgen haben kann.
  • Der Effekt des Rasierapparats bezeichnet eine lineare Veränderung aller Budgetwerte. Er ist damit gewissermaßen das Gegenteil klug gesetzter Production Values. Trotzdem ist er bei der Trimmung von Videokalkulationen immer wieder anzutreffen.
  • Die Excel-Tabelle steht symbolisch für das fehlende Verständnis von künstlerischen Leistungen und deren Wert. Wer Stundensätze statt Wirkung vergleicht, bewegt sich in dieser Kategorie.

Online Richtwerte mit Videokalkulation für Filmkosten finden

Mit dem Online-Filmkosten-Rechner von Filmpuls lassen sich Richtwerte für die Preise für ein Video einfach bestimmen. Länge und Genre eingeben und der Rechner zeigt sowohl einen Richtwert für die Kosten als auch den für die Produktion erforderlichen Zeitraum. Dies rückwärts gerechnet ab dem Zeitpunkt, auf den der Film fertiggestellt sein muss.

Weitere Informationen zur Budgetierung und Videokalkulation enthält die mehrteilige Filmpuls-Serie „Filmbudget“. In dieser Artikelreihe findet sich auch ein Muster für ein Kalkulationsschema.

Wer aktuelle Kosten aus der Praxis sucht, findet diese in der Rubrik Leserfragen im Artikel Was kostet ein Film, der auch eine Tabelle mit Richtwerten enthält.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 25.02.2016

Maurus Eugster 4 Artikel
Maurus Eugster ist Leiter Finanzen und Mitglied der Geschäftsleitung der Condor Films AG.

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