Können wir Tonaufnahmen teilweise oder auch vollständig auf das iPhone oder iPad verlagern? Kann man dabei ein genauso überzeugendes Ergebnis erzielen wie mit professionellem Audio-Equipment? Hier kommen die Antworten.
Smartphones und Tablets sind längst zum Computer im Taschenformat avanciert. Sie bieten Leistung und Speicherkapazitäten, welche es auch bei Tonaufnahmen zulassen müssten, die im Film gängigen Audioformate aufzuzeichnen! Für die Bildaufnahme gibt es bereits einige Beispiele, welche eindrücklich aufzeigen, dass das Smartphone als Kamera dienen kann. Lest dazu unbedingt den Artikel zum Thema iPhone Video drehen.
iPhone oder iPad für Tonaufnahmen einsetzen
Gehen wir von folgender Frage aus: Was steht mir im Raum Zürich zur Verfügung, wenn ich in ein paar Tagen einen Auftrag hätte, bei welchem meine Arbeit am Set für Tonaufnahmen sowie in der Audio-Postproduktion gefragt ist?
Ende 2017 schickte mir mein geschätzter Kollege Tino Scherer von Light + Byte einige Bilder. Er hatte sein neues iPhone X mit Mikrofonen der Firma Røde ausgestattet. Mikrofone, welche speziell für gute Tonaufnahmen für das iPhone/iPad entwickelt wurden. Oder welche sich problemlos damit verbinden lassen.
Ich ließ ihn wissen, dass er mich sehr neugierig gemacht hat und ich ihm einen Besuch bei Light + Byte abstatten würde. Bei deren Sortiment handelt es sich um Werkzeug, welches auch den breiten Markt anspricht und für jedermann zugänglich und testbereit ist.
Die Mikrofone, welche in diesem Artikel für die Tests zu Tonaufnahmen verwendet wurden, stammen also wie bereits erwähnt von der australischen Firma Røde sowie vom japanischen Hersteller Zoom. Røde und Zoom stellen beide Produkte her, welche (nur) auf Apple-Geräte zugeschnitten sind. Sorry, liebe Android-Leute.
Weiter möchte ich in dieser Artikelserie über Tonaufnahmen nicht zu technisch werden. Denn er soll alle an Audioaufnahmen mit dem iPhone oder iPad interessierten Personen ansprechen und nicht abschrecken. Am Ende des Tages zählt, was wir hören. Und dies gefällt uns. Oder gefällt uns eben nicht. Meine Hauptinteressen lagen beim Testen deswegen auch immer beim Ergebnis, welches ich schlussendlich zu hören bekam.
Grundsätzliches: Was macht guten Ton aus?
Es erklärt sich von selbst, dass es auch bei Mikrofonen für Tonaufnahmen mit Smartphones und Tablets von Vorteil ist, wenn man bereits über Erfahrung im Musikbereich, der Tongestaltung und im Aufnahmesegment verfügt. Hilfreich ist auch, wenn man die Audio-Terminologie kennt und damit weiß, wo und wie man das Maximum aus einem solchen Produkt rauskitzeln kann.
Technischer als in diesem Abschnitt wird es zu Tonaufnahmen nicht mehr – versprochen!
Das aufgenommene Audiosignal sollte im Filmbereich eine Abtastung von mindestens 48kHz und höher und eine Bit-Tiefe von 24 und höher besitzen. Dem Signal sollen also in jeder Sekunde 48’000 zeitliche Fixpunkte zugeteilt werden.
Bittiefe von 24 bedeutet, dass ein Signal 2 24 dynamische Zustände annehmen kann: Das ergibt 16’777’216 Zustände. Die Abtastrate steht also für die Anzahl der entnommenen Proben auf der Horizontalen (Zeit), währenddessen die Bittiefe für den Dynamikbereich und somit für die Vertikale steht (Amplitude). Zudem arbeitet man mit unkomprimierten Dateiformaten wie .wav oder .aiff.
Wir möchten mit unserem Smartphone und Tablet Tonspuren aufzeichnen, welche sich auch für die Postproduktion eignen. Wichtig hierbei ist es für Tonaufnahmen, sogenannten Headroom zu lassen. Im digitalen Audiobereich ist die herkömmliche Messskala dbfs (Decibell fullscale). Hierbei markiert die Schwelle 0 das absolute Maximum, bevor es hässlich und unbrauchbar wird.
Bei 0 haben wir keinen Headroom mehr: digitales Clipping ist die Konsequenz.
Was ist Clipping?
Clipping (Überschreitung des max. Dynamikbereiches, welcher je nach Bittiefe variieren kann) ist nicht gut und tönt unschön. Am Set möchte man also Aufzeichnungen machen, welche nicht voll ausgesteuert sind. Nicht zu stark, nicht zu schwach. Eine Stimme in normaler Lautstärke darf den Pegelbalken gerne zu zwei Dritteln oder mehr füllen (so bis -6). In der Postproduktion wird das Audiomaterial weiter optimiert. Dafür braucht es Headroom.
Ich habe vorhin das Ergebnis erwähnt und wie wir dies entweder als gut oder eben als schlecht empfinden. Klang lebt von Details.
Ich will es so erklären:
Ein sog. Sinuston hat bei Tonaufnahmen keinerlei Persönlichkeit. Die Persönlichkeit erzeugen die Obertöne. Ein Sinuston besitzt keine dieser Obertöne, denn er besteht aus einer ‚perfekten’ Wellenform. Sprich ein Sinuston mit der Frequenz von 440Hz und die A-Saite einer Gitarre (die zweit-dickste, welche auf 440Hz gestimmt wird) tönen ohne Obertöne genau gleich. Ohne diese kleinen Nuancen, welche einem Ton Persönlichkeit verleihen, würden Menschen, Tiere und Instrumente so ähnlich tönen, wie das Startsignal bei einem Skiweltcuprennen.
Geräusche haben im Gegensatz zu Tönen keine dominante Frequenz. Ein Wasserfall erzeugt unter anderem ein Rauschen, welches das gesamte vom Menschen wahrnehmbare Spektrum (20Hz-20kHz) erzeugt. Jedoch lässt sich hierbei keinen Grundton etablieren, wie es bei einer Stimme der Fall ist.
Mikrofone sollten also fähig sein, diesen klang-ästhetischen Ansprüchen gerecht zu werden und diese aufzeichnen. Dabei gibt es Mikrofone, welche besser für Stimmen sind, und andere, welche sich besser für Geräusche eignen.
Was ist guter Sound?
Und sind wir ehrlich: Richtig guter Sound kann bei Tonaufnahmen erstens nur von einer Handvoll Leute wirklich beurteilt werden. Und zweitens benötigt man zur Wiedergabe auch dementsprechendes Equipment, welches die tonalen Finessen auch tatsächlich detailliert reproduzieren kann. Ach ja, und dann bräuchte man noch einen Raum, welcher die Schallwellen optimal verteilt und an unser Gehör weiterleitet. Alles gut und recht. Aber ich bin mir sicher, dass es bis zur finalen 5.1- oder 7.1-Mischung, bei welcher es sehr Sinn ergibt, dies in einer dafür erstellten Einrichtung zu mischen und zu mastern, anders geht.
Deshalb: Sounds in einem Millionen-teuren Studio genießen, ist sicher nicht schlecht. Aber es entspricht nicht der Realität für Tonaufnahmen. Es gleicht in etwa dem Schriftsteller, welcher nur noch auf seinem 10’000 Franken teuren Mont-Blanc-Kugelschreiber schreiben kann.
Die Artikelserie zu Tonaufnahme mit iPhone und Tablets
Alles über Tonaufnahmen mit iPhone und Tablets:
- Tonaufnahmen mit iPhone oder iPad: die ultimative Anleitung (dieser Artikel)
- Mikrofone für iPhone und Tablets: Die besten Apps für dich im Praxis-Test
- Røde SmartLav+ Mikrofon: Test für iPhone und iPad
- Røde VideoMicro im Experten-Test
- Røde iXLR für iPhone: Praxis-Test
- Zoom iQ6: Mikrofon für iPhone im Test
- Die besten Mikrofone für Tonaufnahmen mit dem iPhone oder iPad
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 24.04.2018
Warum ist keine Angabe zum Schallpegel (Rauschpegel in dB) und der damit am Mikrofon Ausgang anliegenden Spannung in mV gemacht? Das sagt etwas über die im Mikrofon vorgenommene Verstärkung aus.
Hallo GTU! Hier schreibt der Autor. Besten Dank für dein Feedback. Das ist ein sehr guter Input! Macht jedoch eher Sinn, diesen Sachbestand bei Tests zu erläutern, welcher sich ausschließlich an Audioprofis richtet(und auch innerhalb der Audioprofis nur an eine auserwählte Schar von Mikrofonprofis). Meine Artikel haben den Anspruch, von einer breiten Leserschaft an filmbegeisterten Personen gelesen und bestenfalls verstanden zu werden. Angaben zu Signal/Rausch-Verhältnissen etc. sollten in der Produktanweisung des jeweiligen Herstellers zu finden sein (auch online). Lieber Gruß
Servus Neil, existiert eine Möglichkeit(APP, auch kostenpflichtig) mit dem iPhone/iPad Tonaufnahmen von einem laufenden Radioprogramm oder Podcast über das Audiosignal – nicht über das Mikro, Tonaufnahmen zu machen? (wie früher mit dem Kassettenrekorder). Ich suche verzweifelt so ein Programm und hab auch in div. Audiofachzeitschriften nichts gefunden. Danke im Voraus für die Hilfe.
@Helmut: Apple wünscht sich diese Funktionalität für iPhone und iPads – im Gegenteil zu dir – etwa so sehr wie der Teufel das Weihwasser! Darum herrscht im App Store und Web zu diesem Thema gähnende Leere. Offiziell, weil die Aufnahme von Podcasts oder Musik den Tatbestand einer Urheberrechtsverletzung darstellt. Böse Zungen allerdings sagen, der wahre Grund dafür sei vielmehr, dass der Konzern die eigenen Musik-Streaming-Abos nicht durch Alternativen rivalisieren will.
Hallo Neil, vielen Dank für deine Artikel. Leider habe ich noch nicht gefunden, wonach ich suche: Aktuell versuche ich, mein Spiel auf einem Instrument mit einem iPhone in einem Video festzuhalten. Dabei glaube ich festgestellt zu haben, dass eine automatische Lautstärkeanpassung vorgenommen wird, sodass auf den Aufnahmen sowohl vom Crescendo also auch vom Decrescendo kaum etwas wahrnehmbar ist – obwohl ich diese Lautstärkeänderungen live sehr deutlich höre. Bei meinen Recherchen im Internet konnte ich bisher nichts dazu finden – weißt du zufällig etwas darüber? Gibt es eine Art „Sound-Nivellierung“ in den Videoaufnahmen des iPhones und wenn ja, wie kann ich diese Funktion deaktivieren oder umgehen? So klingt jede Aufnahme irgendwie langweilig, ohne „Pfeffer“, es gibt keine richtigen leisen, aber auch keine richtig lauten Passagen – es könnte natürlich auch an meinen Fähigkeiten liegen und ich bilde mir nur ein, dass ich lauter oder leiser spiele, was ich aber mangels Möglichkeiten kaum austesten kann. Hast du eine Idee?
@Thomas – Hallo Thomas: vielen Dank, für deinen Beitrag. Dies mit der automatischen Lautstärkeanpassung wäre mir nicht bekannt. Hast du über eine App aufgezeichnet, welche ggf. eine solche Anpassung autom. vornimmt? Dynamik ist von allergrößter Wichtigkeit. Lieber Gruß, Neil