
Die moderne Unterhaltungsindustrie hat einen beeindruckenden Wandel durchlaufen. Neue Technologien haben das Erlebnis für den Rezipienten um viele Aspekte reicher gemacht und nicht zuletzt dafür gesorgt, dass Genregrenzen zunehmend verschwimmen. Besonders greifbar wird die Verschmelzung im Bereich Film und Gaming.
Viele Computerspiele haben inzwischen ihren Weg auf die große Kinoleinwand oder auf den Fernsehbildschirm gefunden. Umgekehrt haben sich auch einige erfolgreiche Computerspiele aus einer Film- oder Serienvorlage entwickelt. Nicht immer ist die Verschmelzung beider Genres gelungen. Trotzdem bietet sie viel Potenzial für die Unterhaltungsindustrie der Zukunft.
Vom Film zum Spiel und wieder zurück
Ein Film ist immer nur so gut, wie die Geschichte, die er erzählt. Gutes Storytelling erschafft eine Kulisse, in die das Publikum eintauchen kann und möchte. Gleiches gilt für moderne Computerspiele. Auch hier sind zusammen mit den technologischen Möglichkeiten wie beeindruckenden Grafiken oder Virtual Reality die Ansprüche der Spieler gestiegen.
Um das Interesse einer Community langfristig wachzuhalten, ist längst mehr erforderlich als eine gelungene Grafik. Eine stimmige Hintergrundgeschichte, in der sich die Charaktere ständig weiterentwickeln können, gehört zum Gaming unserer Zeit dazu.
Nach Jahrzehnten in der Unterhaltungsindustrie ist der Pool an frischen Ideen für eine gute Story allerdings recht seicht geworden. Dass Filmproduzenten und Spieleentwickler deshalb gerne auf gute und bereits erprobte Geschichten aus den Nachbargenres zurückgreifen, erscheint vor diesem Hintergrund nur logisch. So manche Geschichte hat es inzwischen vom Computerbildschirm auf die Kinoleinwand geschafft, ebenso wie verschiedene Computerspiele die Kulisse beliebter Filme noch einmal in neuem Gewand zum Leben erwecken.
Zu den echten Klassikern, die aus diesem Verschmelzungsprozess hervorgegangen sind, gehören sicher die „Tomb Raider“ Filme, die aus der Computerspielreihe hervorgegangen sind. Die Computerheldin Lara Croft hat in Angelina Jolie und im Reboot von 2018 in Alicia Vikander ein menschliches Pendant gefunden.
Auch die Computerspielreihe „Assassin’s Creed“ hat den Sprung zwischen den Genres gemeistert. 2016 kam der Film auf die große Leinwand. Die Meinungen der Community, die dem Action-Adventure aus der Feder von Ubisoft seit 2007 treu ist, waren geteilt.
Computerspiele sind ein Kulturgut.
Prof. Jürgen Fritz
Umgekehrt beeinflussen die Kinohits seit Langem das Gaming. Auch hier wurden viele Filmvorlagen verarbeitet.
Zu den beliebtesten Beispielen gehören zum Beispiel „Jurassic Park“, „Ghostbusters“, „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ oder „Gladiator“. Besonders interessant ist dabei, wie es den Spieleentwicklern gelingt, Games am Computer eine stimmige und atmosphärisch anspruchsvolle Hintergrundstory einzubetten.
Die Liste der Filme und Computerspiele, die sich thematisch im jeweils anderen Genre bedient haben, lässt sich beliebig fortsetzen. Titel wie „Resident Evil“, „Mortal Kombat“ und „Prince of Persia“ gehören ebenso auf diese Liste wie „Der Herr der Ringe Online“ oder „Warcraft“.
Die erfolgreiche Netflixserie „The Witcher“, die auf dem gleichnamigen Action-Rollenspiel aus dem Hause CD-Projekt RED basiert, macht deutlich, dass die Genreverschmelzung auch in Serie gehen kann.

Ganz gleich, wie wohlwollend Adaptionen in die eine oder andere Richtung von der Community aufgenommen werden, die Synergien zwischen Film oder Serie und Computerspiel werden stärker werden und die Unterhaltungsindustrie nachhaltig prägen.
Gemeinsamkeiten und Wechselwirkungen von Film und Spiel
Der Grund für den immer häufiger vollzogenen Sprung vom Computerbildschirm auf die Leinwand sind die Gemeinsamkeiten beider Genres, die es leicht machen, eine stabile Brücke zu schlagen. Wie etabliert die Synergien inzwischen sind, zeigte nicht zuletzt die Ausstellung „Film und Games – Ein Wechselspiel“, die bis 2016 im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main gastierte.
Die Verfilmung von Videospielen erntet häufig kritische Stimmen, denn oft empfindet die Fangemeinde die Umsetzung eines Spiels auf der Leinwand als wenig geglückt. „Das war oft sehr enttäuschend, weil da nicht genug Sorgfalt dabei war“, sagt Ausstellungs-Kurator Andreas Rauscher im Gespräch mit der SHZ.
Selbst Filme, die sich in der Umsetzung sehr eng an die Spielvorlage gehalten haben, wie „Tomb Raider“ oder „Resident Evil“, wurden nicht gerade mit dem Oscar belohnt. Gelungener erscheinen da schon eher Anleihen aus Filmen, die für Konsolenspiele genutzt werden. Hier werden häufig nur gestalterische Elemente aufgegriffen und auf das neue Medium angepasst.
Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit zwischen Film und Spiel, die immer häufiger zum Austausch zwischen den Genres führt, ist der Unterhaltungswert durch grafisch ansprechende Bilder. Schon länger gehören umfangreiche und grafisch höchst anspruchsvolle Filmsequenzen zu modernen Computerspielen. Die Weiterentwicklung der Computertechnologie hat es möglich gemacht, hochwertige cineastische Episoden einzufügen, deren Bildqualität beinahe real wirkt.
Aber auch umgekehrt hat sich eine neue Gemeinsamkeit entwickelt, die Filme und Spiele näher zusammenrücken lässt. Gemeint ist die Kameraperspektive. Hier hat die Filmindustrie in den vergangenen Jahren ihren Horizont erweitert und einige interessante Elemente aus dem Computerspielbereich übernommen.
Während viele Computerspiele aus der Ego-Perspektive entwickelt werden, hat sich die Filmindustrie hier lange Zeit schwergetan. Erst mit dem überraschenden Erfolg des eher experimentellen Horrorfilms „Blair Witch Project“ ist ein neuer Blickwinkel entstanden, der das Publikum noch einmal ganz anders zu fesseln vermag. Auch lange Kamerafahrten, die auf einen Schnitt verzichten, sind der Videospielperspektive entlehnt und etablieren sich immer mehr in modernen Filmen.
Eine ebenfalls interessante Verschmelzung ästhetischer Ansätze ist das sequenzielle Erzählen. Hier treffen Comics und Filme aufeinander und zeigen, dass der künstlerische Ansatz beiden Genres guttut. Der Erzählstil beider Kunstformen hat einen sequenziellen Charakter, wobei Filme durch die Verschmelzung einzelner Bilder zu einem bewegten Ablauf lebendiger erscheinen. Comics dagegen reihen ihre Erzählsequenzen in einzelnen Bildern aneinander und verzichten auf den bewegten Übergang. Cartoons liegen als Sub-Genre in der Mitte und bilden eine ganz eigene Kunstform.
Videospiele formen eine Denkweise, welche die Kreativität wachsen lässt.
Nolan Bushnell
Tatsächlich hat die Ästhetik aus Computerspielen einen stärker bereichernden Effekt auf die Filmindustrie als umgekehrt. Sehr eindrucksvoll zeigen dies Filmklassiker wie „War Games“ oder „Tron“, in jüngerer Zeit auch „Gamer“ oder „Black Mirror: Bandersnatch“. Während in „War Games“ noch eindrucksvoll dargestellt wird, wie ein vermeintliches Computerspiel Einfluss auf die reale Welt nehmen kann, hat die reale Computertechnologie zunehmend auch die Möglichkeiten der Filmindustrie bereichert. So schreibt das Internetportal heise.online:
Das Filmschaffen wurde daraufhin selbst zunehmend von digitalen Technologien und manipulativem Softwaregebrauch beeinflusst. Zum Beispiel durch Computer Aided Design (CAD) und Computer Generated Imagery (CGI), bis die Dinosaurier, die 1993 in Steven Spielbergs Film Jurassic Park die Leinwand bevölkerten, gleichermaßen fotorealistische Qualität angenommen hatten.
So hat die Welt der Computerspiele nicht nur thematisch, sondern auch technologisch einen starken Einfluss auf die Filmindustrie genommen und ist spätestens seit Motion Capture, CAD und CGI nicht mehr daraus wegzudenken.
Wenn Schauspieler mehr als nur Stimmen sind
Ein Phänomen, das kurz nach der Jahrtausendwende an Bedeutung gewonnen hat, ist die Übernahme realer Personen in animierte Filme. Möglich wird dieses Kunststück durch Motion Capture. Einen ersten Meilenstein setzte der komplett computeranimierte Film „Final Fantasy“, der 2001 Premiere feierte.
2004 staunten Filmfans dann nicht schlecht, als ihnen im ebenfalls komplett computeranimierten Film „Der Polarexpress“ Superstar Tom Hanks entgegenlachte. Der Schauspieler verkörperte dank modernster Technologie sechs Rollen im Film und lieh dem Werk damit nicht nur seine Stimme.
Digital animiert: Tom Hanks (links) in „Polar Express“ und Jim Carrey (rechts) in „A Christmas Carol“ | © Castle Rock Entertainment / Walt Disney Pictures
Weniger vielfältig und trotzdem beeindruckend war auch Jim Carreys Auftritt im Animationsfilm „A Christmas Carol“. In der Neuauflage des vielfach verfilmten Klassikers von Charles Dickens schlüpft der Comedy-Star in die Rolle des Geizhalses Ebenezer Scrooge und zeigt einmal mehr sein komödiantisches Talent, mit dem er der Rolle ein sympathisches Augenzwinkern verleiht.
Viele andere Animationsfilme bedienten sich menschlicher Charaktervorlagen und zeigten damit, dass die moderne Filmtechnik es nicht nur möglich macht, computergenerierte Bilder in Realfilme einzufügen, wie bei den lebensechten Dinosauriern in „Jurassic Park“. Sie kann auch die Persönlichkeit realer Schauspieler einfangen und in eine computeranimierte Welt integrieren und lässt damit ein faszinierendes Filmerlebnis entstehen.
Diese Schnittmenge lieben Gamer und Filmfans
Durch die Synergien, die zwischen der Film- und Computerspielindustrie entstanden sind, wurde eine Schnittmenge geschaffen, in der sich Fans beider Genres wohlfühlen können. Auch wenn viele Verfilmungen von Computerspielen von der Fangemeinde am Computerbildschirm eher kritisch aufgenommen wurden, gibt es auch erfolgreiche Umsetzungen.
Großen Erfolg feierte unter anderem die Netflixserie „The Witcher“, in der Henry Cavill in die Rolle des Geralt von Riva schlüpfen durfte. Die positive Kritik der Fans führte dazu, dass bereits eine Folgestaffel geplant ist.
Ein Must-see für Fans beider Genres sind auch die Klassiker „Tron“ (1982) und „War Games“ (1983), die beinahe als Begründer eines gemischten Genres gelten können.
In jüngerer Zeit folgten Filme, die die Verschmelzung von erzählter Geschichte und Computerspiel noch weiter auf die Spitze treiben. „Gamer“ aus dem Jahr 2009 erzählt die Geschichte eines Todeskandidaten (Gerard Butler), der sein Schicksal abwenden kann, wenn er an einem mörderischen Spiel teilnimmt. Das Besondere besteht darin, dass er die Kontrolle über sein Handeln an einen Spieler abgeben muss, der ihn durch die 30 gefährlichen Spiellevel lenken soll.
Ein etwas anderes, aber ebenso interessantes Konzept verfolgt der Film „Black Mirror: Bandersnatch“ (2018), der eine neue Hybridform aus Film und Computerspiel darstellt. Hier können die Zuschauer nicht nur verfolgen, wie der Hauptcharakter seinen Traum vom eigenen Computerspiel zu verwirklichen versucht, sie können auch direkt Einfluss auf seine Handlungen nehmen und damit den Verlauf des Films dramatisch verändern. An verschiedenen Stellen wird die Handlung unterbrochen und der Zuschauer kann über die Fernbedienung aus verschiedenen Handlungsoptionen selbst auswählen.
Die Liste der Filme, die Gamer und Filmfans gleichermaßen glücklich machen, ist lang. Wie gut eine Verschmelzung gelingt, hängt weniger von der Thematik als von der Umsetzung ab. Die Zukunft beider Genres wird zunehmend von Anleihen und Adaptionen aus dem jeweils anderen Bereich geprägt sein und vielleicht mit der Zeit sogar ein neues gemeinsames Sub-Genre hervorbringen.
Quellen: Prof. Jürgen Fritz in: gamersglobal.de, Nolan Bushnell in: Why Everyone Should Be Playing Video Games, theodysseyonline.com
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 04.06.2021
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