»Siddhartha« | Dokumentarfilm von Damiano Giacomelli und Lorenzo Raponi

Dokumentarfilm Siddhartha Noci Sonanti
"Noci Sonanti" (Siddhartha ) | © Damiano Giacomelli, Lorenzo Raponi.

Siddhartha ist der neunjährige Sohn von Fabrizio, Lebenskünstler und Guru. Sein 65-jähriger Vater lebt mit ihm in einer Gemeinschaft außerhalb eines kleinen Dorfes in Italien. Er verzichtet bewusst auf Elektrizität, lebt ohne fließendes Wasser und ernährt seinen Sohn weit möglichst als Selbstversorger.

Siddhartha ist kein Kind wie andere. Er wächst fernab der konventionellen Gesellschaft auf. Häufig lebt er in seinem italienischen Wald nackt wie Tarzan im Dschungel. Doch es gibt auch die zivilisierte Welt in seinem Leben: ein Dorf. Dort hat Siddhartha eine Spielfreundin, bei der er die Welt des Konsums und das Fernsehen entdeckt.

Klingende Nüsse

Der Originaltitel des Dokumentarfilms lautet in Italienisch „Noci Sonanti“. Übersetzt in die deutsche Sprache bedeutet der Filmtitel sinngemäß: klingende Nüsse.

„Noci Sonanti“, so nennt sich die Gruppe, in der Fabrizio (65) und sein Sohn Siddhartha (9) leben. Ihren selbst gewählten Namen leitet die autonome Gemeinschaft aus dem Umstand ab, dass eine Nuss, die allein in einer Tasche getragen wird, keine Geräusche erzeugen kann. Anders als viele Nüsse, die in derselben Situation durch die Bewegung miteinander in Kontakt kommen, und durch ihr gegeneinander klappern wahrnehmbar werden.

Noci Sonanti (Siddhartha) - Film trailer

Siddhartha und Fabrizio

Vater Fabrizio lehrt seinen Sohn Siddhartha im Hausunterricht, um ihn auf die Jahresabschlussprüfung der Schule vorzubereiten. Zugleich beherbergt er bei Bedarf Menschen in seinem Heim, die bei ihm und mit ihm meditieren und fernab von Internet und Mobiltelefonie zur inneren Ruhe finden wollen.

Was bedeutet Siddhartha?

Siddhartha war der Begründer des Buddhismus, auch bekannt als Buddha, Gautama und Siddhattha Gotama. Dieser lebte ab dem Alter von dreißig Jahren als Asket. Bekannt wurde der Name auch durch Hermann Hesse, der in seinem 1922 erstmals publizierten, gleichnamigen Buch die Geschichte eines Mannes beschrieb, der seine gesellschaftliche Position, aber auch die Autorität seines Vaters infrage stellt.

Siddhartha fällt es schwer, die Aufmerksamkeit seines Vaters mit diesen Fremden zu teilen. Und auch die Lebenseinstellung des Vaters und dessen hartnäckig Verweigerung, ihm die Annehmlichkeiten der modernen Welt zu erlauben (die er im Dorf kennenlernt), lassen Siddhartha immer wieder (ver)zweifeln.

Filmkritik: Siddhartha

Der Dokumentarfilm Siddhartha ist einfühlsam und hauchzart im Beobachten. Der Dok wirkt wie die wahr gewordene Geschichte von Heidi, aber aus der Perspektive des Knaben erzählt.

Die zwei italienischen Filmemacher Damiano Giacomelli und Lorenzo Raponi begleiten im Film Vater und Sohn still beobachtend einen ganzen Sommer lang: Sie greifen nicht in das Geschehen ein, sondern verbringen möglichst viel Zeit mit ihren Protagonisten. Dabei entsteht ein sehr nahes Porträt von Siddhartha, das die Widersprüche der zwei Welten widerspiegelt.

Man spürt in diesem Dokfilm förmlich, wie glücklich Siddhartha einerseits in seiner abgeschiedenen, freien Welt ist. Andererseits wachsen die Konflikte mit dem Vater, Fabrizio. Dies oft in den Momenten, in denen der Junge zu verstehen beginnt, dass insbesondere der Verzicht auf Medikamente für ihn nicht nur Vorteile hat.

Weniger ist beim Dokfilm oftmals mehr

Das Drehteam hat für Siddhartha mit sehr reduzierter Technik gedreht. Um den Protagonisten nahezukommen, sollte möglichst wenig Film-Equipment am Drehort stören. Zum Einsatz kamen jeweils zwei Kameras und zwei Mikrofone.

In doppelter Ausführung darum, weil im Haus von Fabrizio kein Strom verfügbar war und darum die Akkus der Gerätschaften nicht aufgeladen werden konnten.

Wachsende Nähe zu den Protagonisten

Regisseur Giacomelli erzählt im Filmgespräch des Filmfestivals DOK Leipzig, dass es für den neunjährigen Siddhartha überaus schwierig gewesen sei, das ihn ständig begleitende Drehteam zu ignorieren. Am Anfang sei auch ihre Beziehung zu Vater Fabrizio sehr distanziert gewesen.

Aber je länger sie gemeinsam Zeit verbracht hätten, desto so glücklicher seien sie alle mit der filmischen Dokumentation und ihren Erfahrungen geworden. Heute freuten sich Siddhartha und sein Vater sogar sehr, wenn das Drehteam zu Besuch käme.

Ein Karrierehöhepunkt

Giacomelli beschreibt denn auch die Dreharbeiten bei der Präsentation seines Dokumentarfilms Siddhartha an der DOK Leipzig 2019 als sein (Zitat) bisher „größtes kinematografisches Erlebnis“.

Auf die Frage, ob er sein Leben zugunsten von mehr Freiräumen so leben möchte, wie es sein Hauptdarsteller Siddhartha tut, entgegnet der Regisseur allerdings: „Nein! Denn dann könnte ich die Akkus für meine Kamera nicht mehr aufladen!“

Juliane Kirsch 3 Artikel
Juliane Kirsch ist freie Journalistin (BA) und arbeitet für unterschiedliche dokumentarische Fernsehformate. 📧 jk.earlybirdproduction@gmail.com

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