Fallstudie: Modulare Produktvideos zur Online-Vermarktung einer Mobile App

Fallstudie Online Video
Gewusst, wie: Fallstudie Online-Video | © Symbolbild: Pavel Sokolov

Die Ländergesellschaft eines international tätigen Finanz-Dienstleisters hat, der Vorgabe ihrer Konzernmutter folgend, eine radikale Vereinfachung sämtlicher Kontaktpunkte mit ihren lokalen Kunden eingeleitet. Statt mit Formularen und Telefonanrufen sollen die Mehrheit der Kundenkontakte in Zukunft unkompliziert über eine Mobile App erfolgen können. Dazu benötigt der Kunde Produktvideos.

Fallstudie Produktvideos

Aufgrund der Corporate Policy des Kunden wird in dieser Fallstudie zu einem Corporate Video auf die Namensnennung des Auftraggebers verzichtet. Geschäftsfelder und Produkte wurden zur Anonymisierung abgeändert.

Ausgangslage

Um sicherzustellen, dass die Mobile App vom Adressatenkreis nicht nur sporadisch genutzt wird, soll diese dem Kunden nebst den Kernleistungen des Konzerns auch Mehrwert in Form von branchenfremden Dienstleistungen bieten: Es sollen auch tagesaktuelle Kochrezepte und Einkaufsrabatte angeboten werden. Hier soll das Bewegtbild seine Trümpfe ausspielen.

Damit die neue App ein unverzichtbarer Bestandteil im Leben der Adressaten des Unternehmens werden kann, sollen die User von Smartphones und Tablets durch Produktvideos in Form von Video Pre-Roll Ads erfahren, dass es diese neue Applikation gibt. Sie sollen verstehen, dass diese weit mehr bietet als man auf den ersten Blick und aufgrund des bisher nicht unbedingt für unkonventionelle Ideen bekannten Absenders meinen könnte. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Download-Werte die angestrebten Volumen erreichen.

Leistungskatalog für die Produktvideos

Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung für die Produktvideos sind nur die Wirkungsziele definiert. Als Herausforderungen sind neben der filmischen Arbeit zu bewältigen:

  • Das Produkt selbst befindet sich noch einem frühen Vor-Stadium ihrer Entwicklung. Ähnlich verhält es sich auch für die Art der zusätzlich angebotenen Benefits, die erst als Gedankengebäude skizziert sind. Testphasen und der Zeitpunkt des Go-live kann bei Projektstart nicht bestimmt werden.

Darum wird gewünscht,

  • dass auch die visuelle Kommunikation dem Prinzip der rollenden Planung folgen muss.

Erschwerend kommt hinzu, dass auf Seite des Auftraggebers unterschiedliche Teams und verschiedene Hierarchien in das Projekt eingebunden werden müssen. Project Owner ist die Division für Webprodukte, welcher projektbezogen ein junger Mitarbeiter aus der Stabsstelle Kommunikation zur Seite gestellt wurde.

Verlautbarungen und Gerüchte in Internetforen besagen, dass die technischen Spezifikationen auf allen wichtigen Download-Plattformen innerhalb der nächsten sechs Monate von den jeweiligen Anbietern aus den USA modifiziert werden, was möglicherweise auch die Einbindungsmöglichkeiten von Bewegtbild-Elementen betreffen kann.

Warnsignale für Kreation und Produktion

Offene Termine, undefinierte Inhalte und unklare Distributionskanäle einer Kommunikationsmaßnahme sind, kombiniert mit einem Fixpreisbudget, nicht unbedingt die richtigen Zutaten für einen guten Schlaf des Projektleiters und hochwertige Produktvideos. Zumal die hochdynamischen Arbeitsprozesse in der Entwicklung unterschiedlichen Abläufen und Vorgaben gehorchen müssen als die im Vergleich dazu eher statisch anmutende Produktion von Film- und Videomaterial.

Umsetzung der Videos

Da die Produktvideos bei der Vermarktung eine entscheidende Bedeutung innehaben, wird auf den Einbezug einer klassischen Werbeagentur verzichtet. Stattdessen wird mit einem mehrstufigen Pitch eine Filmagentur ausgewählt.

Bereits in der Vorphase des Projektes, beim Pitch um den Auftrag, hat die Idee überzeugen können, modular mit unterschiedlichen Film-Paketen zu arbeiten, welche

  • zeitlich gestaffelt hergestellt und
  • flexibel untereinander kombiniert, auf
  • unterschiedlichen Online-Kanälen

eingesetzt werden können. Nicht ein Film, sondern eine Serie Produktvideos, jeder mit einer klaren Botschaft.

Am Kick-Off mit den Beteiligten aller Seiten geht es zum Startzeitpunkt der Produktvideos darum weniger um Inhalte, sondern um die Definition und Festlegung von Kommunikations- und Entscheidungswegen. Und um die Frage, was die rollende Planung und die undefinierten Vorgaben für die Qualitätssicherung und das Fixpreisbudget bedeuten.

Um das Projekt stabil zu halten, wird beschlossen, mit in ihrer Wichtigkeit kategorisierten Annahmen fortzufahren (Szenario-Technik):

  • Film-Modul A beinhaltet die zwingende kommunikative Etablierung
  • Film-Modul B weitere optionale Maßnahmen zur Steigerung der Wirkung, die erst in einem späteren Schritt mengenmäßig definiert und mit Eckwerten parametrisiert werden.

Regeln für Onlinekanäle

Für die Kreation von Bewegtbild-Content für den Online-Einsatz ist es auch für Produktvideos essenziell, zwischen Online-Werbevideo und TV-Werbevideo zu unterscheiden. Klassische Werbespots eignen sich nur bedingt für den Online-Einsatz.

Die wichtigsten Regeln lauten:

  • Online-Videos müssen (anders als Produktvideos) kürzer als klassische TV-Spots sein (meist zwischen 6 Sekunden und 30 Sekunden, je nach Kanal)
  • Wichtige Informationen sollten tendenziell eher zu Beginn des Videos genannt werden. So können auch User erreicht werden, die nach wenigen Sekunden abspringen. Zu beachten gilt aber auch, dass zu viele Informationen die Magnetfunktion des Filmbeginns abschwächen. Wie ein Angelhaken müssen Werbevideos online sofort ihre Zuschauer fesseln. Zu den Bestandteilen, die aus wirkungsorientierter Sicht an den Anfang und das Ende eines Online-Werbevideos gehören, zählen
    • das Branding des Absenders
    • der Call to Action (CTA)
  • Ein Online-Spot muss (wie Produktvideos auch) in unterschiedlichen Bildformaten ausgespielt werden können. In der Online-Werbung gibt es anders als im TV auch ein 16:9-Format und zusätzlich Square-Bildformate und Vertical-Formate.
  • Videos transportieren ihre Message online immer auch ohne Sound. Der Ton darf, anders als beim TV, bei Online-Werbespots keine für das Filmverständnis und damit für die Wirkung relevante Rolle spielen.
  • Online-Videos, darin sind sie TV-Werbespots gleich, müssen äußerst zielgerichtet und effizient Emotionen und Informationen transportieren.

Modul 1: Etablierungsphase

In einem ersten Schritt sollen die Produktvorteile (die Fähigkeiten) und die sich daraus ergebenden Benefits für den User visuell mit Produktvideos illustriert werden. Dazu werden zwei unterschiedliche Videos konzipiert, die auf das gleiche Bildmaterial zugreifen können sollen.

Im ersten Produktvideos soll die App im Download-Store emotional präsentiert und beworben werden. Der User soll dadurch zum Download und (ebenso wichtig) zum Ausprobieren motiviert werden. Im zweiten Video, welches außerhalb des Download-Stores auf einer zusätzlich erstellten Landingpage zur Verfügung gestellt wird, findet der ungeübte User eine detaillierte Anleitung zur Nutzung. Dies zusammen mit einer Beschreibung aller aktuellen und zukünftigen Nutzervorteile.

Weil die App, ebenso wie die Videos, hohen ästhetischen Ansprüchen genügen muss – und Produkt und Werbemittel mit identischem Look und kongruent zum hochwertigen Branding des Kunden daherkommen sollen – beschließen die Gestalter und der für die Videos verantwortliche Art Director, für die Oberfläche der Applikation und die Videos identische Bildwelten zu verwenden.

Um dem Look und der User-Experience möglichst nahezukommen, kombinieren die Videos dazu reale Bildern und Menschen mit Motion Design.

Modul 2: Booster-Phase

In einem zweiten Schritt, dessen Zeitpunkt vom Umfang der Akzeptanz und damit vom Erfolg im Markt abhängig gemacht wurden, sollen

  • die Downloadzahlen durch gezielt für diesen Zweck erstellte Online-Werbevideos einen zusätzlichen Schub bekommen.
  • Die für das zweite Modul erstellten Werbefilme sind im Gegensatz zu den Produktvideos aus der Phase 1 stark emotional. Sie sollen die Bekanntheit steigern, Sympathie vermitteln und nochmals verstärkt für einen erweiterten Adressatenkreis den Download-Impuls wecken.
  • Die Videoserie soll darum mit leicht übertriebenen, liebevoll-humoristischen Geschichten die Vorteile illustrieren, welche sich aus dem Gebrauch ergeben.

Begonnen und beendet werden alle Videos dieser Fallstudie aus dem zweiten Modul, wie im ersten Modul auch, mit einem klassischen Aufruf zu einer Aktion (Download Now!). Platziert wurden die Werbevideos auf Facebook und YouTube (Pre-Roll-Videos).

Da die Videos aus dem ersten Modul plangemäß implementiert und ohne Mehrkosten online gehen konnten und die prognostizierten Download-Zahlen trotz einem sportlich gesetzten Ziel erreicht werden konnten, gibt der Auftraggeber auch das zweite Modul zur Umsetzung und Produktion frei.

Fazit zur Fallstudie Produktvideos

Mit einem Rang innerhalb der Schweizer Top 50-Download-Charts konnte sich die App an der Produktvideos erfolgreich in ihrem Segment und gegenüber Mitbewerbern positionieren. Die ursprünglich zur Neukundengewinnung konzipierten Videos der Booster-Phase aus dieser Fallstudie wurden aufgrund der positiven Rückmeldungen aus dem Kundenmarkt zusätzlich aktiv als Videomails an die bestehenden Kunden versandt. Dazu wurden diverse Sprachversionen erstellt.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 22.03.2016

Philippa von Wittgenstein 6 Artikel
Philippa von Wittgenstein war langjährige Produktionsleiterin und Producerin für Film und Fernsehen und ist heute Hoteldirektorin.

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