Wie Dokumentarfilmer von virtuellen privaten Kommunikationsnetzen (VPN) profitieren

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VPN: erprobt als Mittel gegen die staatliche Überwachung der eigenen Aktivitäten im Web | © Illustration: Pavel Sokolov

Das Verhältnis zwischen der US-Filmindustrie und den Anbietern von VPN-Services war und ist kompliziert. Das hat damit zu tun, dass verschlüsselte Netzwerkverbindungen in den Augen der Rechteinhaber von Filmen und Serien und Streaming-Konzernen dem User eine nicht immer gewünschte Freiheit erlauben. Umgekehrt gibt es herausragende und kommerziell höchst erfolgreiche Dokumentarfilme, die ohne sichere Datenübertragung in die Heimat niemals zustande gekommen wären.

Ein virtuelles privates Netzwerk (VPN) verschleiert die Herkunft und Identität des Nutzers. Daten werden dabei durch einen verschlüsselten Tunnel direkt vom Gerät des Anwenders auf einen VPN-Server geleitet, der die gewünschten Vorgänge für den User ausführt. Nebst der Anonymität gibt der Anwender solcher Dienste dem Internet vor, sich in einem anderen Land (dem Serverstandort) aufzuhalten. Damit lassen sich Ländersperren mühelos umgehen.

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Gewusst wie

Wie funktioniert ein virtuelles privates Netzwerk (VPN)?

apa. Ein virtuelles privates Netzwerk, abgekürzt VPN, ist eine verschlüsselte Verbindung über das Internet von einem Endgerät zu einem Netzwerk. Die Verschlüsselung ermöglicht, dass Daten sicher übertragen werden können. Dazu nutzten VPN speziell konfigurierte Remote-Server, die damit zur Quelle der Daten werden und diese losgelöst von der IP-Adresse des Absenders an ihr Ziel weiterleiten. Dritte können damit nicht mehr rückschließen, welche Daten von einem User gesendet und empfangen werden.

Die Einrichtung ist auch für technische Laien mit wenigen Klicks möglich. VPN-Verbindungen werden von nahezu allen Unternehmen genutzt, häufig aber auch von Privatpersonen, denen Sicherheit und Privatsphäre bei der Datenübermittlung wichtig ist.

Darum sind VPNs für Herrschaftsformen wie Diktaturen oder regierenden Personengruppen mit nahezu unbeschränkter politischer Macht ein Dorn im Auge. Weil sich Zensur in Form von Internetsperren nicht nur von der eigenen Bevölkerung umgehen lässt. Sondern weil die eigenen Behörden Journalisten und Macher von Dokumentarfilmen, die ein virtuelles privates Netzwerk nutzen, um damit ihre Internetdaten auf einen sicheren Server umzuleiten, nicht überwachen können.

Cloud-Computing und VPN für die Filmproduktion

Cloud-Technologien werden für die Produktion von Filmen und Serien immer entscheidender. Der Traditionsfirma UFA (u. a. SOKO Leipzig) hat bereits 2018 gemeinsam mit T-Systems getestet, wie wichtige Prozesse der Filmproduktion von der Cloud profitieren können.

Datenschutz ist bei der Herstellung von Filmen besonders wichtig. Rohaufnahmen (ungeschnittene Sequenzen direkt vom Drehort) dürfen ebenso wenig an die Öffentlichkeit gelangen, wie Schnittversionen, die online zur Beurteilung und für Freigaben den Beteiligten oder interessierten Kinoverleiher zur Verfügung gestellt werden.

Noch wichtiger werden Verschlüsselung und Sicherheit bei der Datenübertragung, wenn die Filmaufnahmen in einem Land und für ein Projekt erstellt werden, an dem die jeweiligen Machthaber überhaupt keine Freude haben. Eine konfiszierte Harddisk kann diesfalls für alle Beteiligten große, wenn nicht sogar tragische, Konsequenzen nach sich ziehen. Die Übermittlung der Rohdaten über ein VPN kann hier wesentlicher Teil des Risikomanagements sein. Auch die Kommunikation im Vorfeld der Dreharbeiten mit Helfern und Partner vor Ort erfolgt bei „heißen“ Dokumentarfilmen, wenn nicht mündlich vor Ort, zumeist über private virtuelle Netzwerke.

Das musst du bei der Wahl eines VPN-Providers beachten:
  • Leistungsfähigkeit der Server:

    die Schnelligkeit der gewählten VPN-Server sollte für die Wahl eines Anbieters weit vorn bei den Auswahlkriterien stehen. Besonders dann, aber nicht nur, wenn Aufnahmen zum Download über einen Link an den Schnittplatz übermittelt werden

  • Serverstandort:

    Gerade bei der Übermittlung großer Datenmengen (durch ein möglicherweise wenig leistungsfähiges WLAN) ist es von Vorteil, wenn der VPN-Partner auch einen „No-Borders“-Modus hat. Damit ist die Möglichkeit zur Wahl von sicheren Servern unter Hoheit des Anbieters in räumlicher Nähe des eigenen Standorts / Drehortes gemeint. Diese lassen sich mit einem Klick in der Bedienerführung auswählen, meist unter einer Bezeichnung wie „schnellster Service“.

  • Rechtmäßigkeit der VPN-Nutzung:

    Die Nutzung von VPN ist in westlichen Ländern legal. In Hoheitsgebieten mit eingeschränkter Meinungsäußerungsfreiheit sind VPNs oftmals weder verboten noch erlaubt.

  • Sperren für Download:

    Wo von einer Regierung Barrieren die freie Nutzung im Internet verhindern, ist zu 99 % auch der Download von Software zum Set-up von virtuellen privaten Netzwerken unmöglich.

  • Vorsicht Falle:

    Findet sich in einem Land mit Zensur und Internetsperren im Web ein Download-Link, um die Blockaden mit Software zu gehen, ist nicht auszuschließen, dass es sich um Schad-Software von Geheimdiensten und damit um eine „Falle“ handelt.

  • Installation:

    Sichere Software muss vorab zur Abreise in ein kritisches Gebiet auf den Devices installiert werden. Oder – falls Kontrollen am Zoll bei der Einreise zu erwarten sind – muss die spätere Installation durch einen erfahrenen Spezialisten so vorbereitet werden, dass sie bei einer Kontrolle der mitgeführten Gerätschaften nur mit einigem Aufwand entdeckt werden kann.

  • Ein VPN kann Argwohn wecken:

    Unbedingt VPN vor der Ausreise auf dem Laptop löschen. Auch hierzu gibt es Profi-Tools, die jede Spur im Installationsverzeichnis löschen.

  • Kombination:

    Wer die Sicherheit der Datenübertragung und Anonymität zusätzlich steigern möchte, kann via VPN auch SSL-Verschlüsselung und Tor Browser kombinieren.

  • Verschieben der Angriffspunkte:

    Ein geschützter Datentunnel schützt den Datenverkehr zwischen Nutzer und Server des VPN-Dienstleisters. Aus technischer Sicht verschieben sich damit die möglichen Angriffspunkte. Wer Daten gezielt abgreifen will, zielt nicht mehr auf die Übertragung selbst. Sondern auf Endgeräte, konkret: Laptop / Smartphone des Users und Knotenpunkt (Server) des Anbieters. Die Seriosität des Anbieters ist darum ebenso ein Sicherheitskriterium wie Passwortschutz und weitere Maßnahmen bei der Hardware des Users.

  • Gratis-Angebote:

    Qualität kostet. Kostenlose VPN-Angebote müssen sorgfältig geprüft werden. Zumal es Anbieter gibt, die kostenfreie Software anpreisen, welche Viren und Trojaner auf dem eigenen Rechner installiert. Im Internet finden sich seriöse Ranglisten, in denen Experten bewährte VPN-Lösungen bezüglich Sicherheit und Preis-Leistungs-Verhältnis untersucht haben.

Grundsätzlich gilt bei jedem Filmvorhaben, bei dem sich die Macher dem Unwillen von mächtigen Parteien und Personen auszusetzen drohen:

VPN-Sicherheitslücke Tunnel Crack

VPN-Sicherheitslücke entdeckt

Freitag, 11.08.23 | redaktion filmpuls

Forscher aus verschiedenen Institutionen haben bei diversen VPN-Diensten eine massive Sicherheitslücke namens „Tunnel Crack“ entdeckt. Der Fehler betrifft hauptsächlich Apple-Geräte. Doch auch Windows und Linux waren bisher nicht in jedem Fall vor Spionage sicher: Wer sich über unsichere Wi-Fi-Stationen in sein VPN eingeloggt hat, machte seine Webaktivitäten möglicherweise für Dritte zugänglich.

Die meisten Anbieter der betroffenen VPN-Dienste haben zur Behebung der Lücke unmittelbar nach Bekanntwerden von „Tunnel Crack“ Sicherheitsupdates veröffentlicht oder technische Anweisungen an ihre Kunden zur Minimierung des Risikos weitergegeben.

Wie dieser Sicherheitsvorfall zeigt, sollten User stets die aktuellste Version ihrer VPN-App verwenden, um sicherzustellen, dass sie vor Bedrohungen geschützt sind.

Quelle: www.theregister.com

Aber nicht nur die Vernachlässigung von Updates ist ein Risiko: Eine Software ist bloß so sicher, ⁣wie der Mensch seriös und professionell ist, der sie programmiert hat. Und wie der User, der die Apps installiert, anwendet und die dafür notwendige Infrastruktur und Hardware auswählt. Auch wer seinen Laptop ungesichert im Hotel liegen lässt oder in einer Hotel-Lobby mit VPN stundenlang Daten überspielt, weckt möglicherweise unerwünschte Aufmerksamkeit.

Ein Koch in Nordkorea

Filmaufnahmen in Form von Daten sicher außer Land zu bringen, das war für diese drei Dokumentarfilme eine ganz besondere Herausforderung:

Der dänische Koch Ulrich Løvenskjold Larsen hat über 10 Jahre als vermeintlich begeisterter Anhänger das Regime in Nordkorea infiltriert. Larsen hat dabei immer wieder auch mit versteckter Kameraausrüstung seine ebenso unglaublichen wie haarsträubenden Erlebnisse als vermeintlicher Vermittler von Drogen-finanzierten Waffendeals heimlich (und teilweise auch offen) dokumentiert. Der Dokfilm »Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea« erzählt diese unglaubliche Story. Dieser Dokfilm gehört zu den besten Filmen der letzten Jahre.

Video-Trailer: »Der Maulwurf – Undercover in Nordkorea«:

The Mole: Undercover in North Korea | Official trailer met Nederlandse ondertiteling | myLum

Auch der Dokumentarfilm »Raving Iran« war eine Herausforderung: bei den Dreharbeiten 2015 im Iran wurde die Ausrüstung konfisziert. Um dennoch drehen zu können, haben die Filmemacher ein Smartphone in ein Hemd eingenäht. Das Filmmaterial wurde bei dieser Filmproduktion nicht digital übermittelt. Iranische Auslandsstudierende schmuggelten die Speicherkarten durch den Zoll.

Nicht weniger sehenswert ist der Film »Der Dissident« über die Ermordung des saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi. Auch diese wichtige Filmdokumentation wurde zu einem guten Teil in einem Land gedreht, das nicht als frei von Zensur gilt.

VPN unterstützen wie Dokumentarfilme ein hohes Gut

Bei Unterhaltungskonzernen lösen VPN-Dienste starke Abwehrreflexe aus. Aktuell gibt es Bestrebungen der US-Studios, die Anbieter solcher Services mit Klagen wegen Verletzung von Urheber- und Lizenzrechten an Serien und Filmen haftbar zu machen und damit in die Illegalität zu drängen. Damit folgen die Kläger zwar dem bedenklichen Trend vieler Staaten und Interessengruppen, das Internet stärker kontrollieren zu wollen. Die Aussichten auf Erfolg dürften aber nach Rücksprache mit Juristen, insbesondere im europäischen Rechtsraum, nach heutigem Wissensstand eher gering sein.

Aus wirtschaftlicher Sicht sind die freie Standortwahl durch Zugriffe über sichere Server für Unterhaltungskonzerne wie Netflix, Disney+ oder Amazon Prime – anders als für die Anwender von VPN-Services – tatsächlich eine Herausforderung:
  • Abo-Kosten für Streaming-Plattformen variieren je nach Land erheblich. Diese Differenzen lassen die Gebühr für ein privates virtuelles Netzwerk im Vergleich zum Abopreis im eigenen Land oft als überaus attraktiv erscheinen.
  • Auswertungsrechte für die Auswertung bei immer mehr Serien und Spielfilmen – auch bedingt durch die zunehmende Zahl von Koproduktionen – können von den Streamern nicht mehr als Total Buy-out erworben werden. Als Folge unterscheiden sich die Auswertungsrechte und zulässigen Zeitfenster je nach Territorium.
  • Die Nutzung eines VPN-Services ist nach den meisten westlichen Rechtsordnungen legal. Urheberrechtsverletzungen (Verbreitung von Raubkopien mittels virtueller privater Netzwerke) über VPN bleiben aber weiterhin ein Strafdelikt. Auch kann ein Unternehmen die Zulässigkeit der Nutzung privater virtueller Netzwerke in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen ausschließen – und bei Feststellung einer Verletzung das Abo stornieren.

Die andere Seite der Medaille ist aber wesentlich gewichtiger. Sie geht weit über das Risikomanagement bei regimekritischen Dokumentarfilmproduktionen hinaus:

Gesellschaftspolitisch betrachtet geben seriöse VPN-Anbieter dem Internetuser durch die Gewährleistung von Anonymität und Sicherheit ein Stück Freiheit zurück. Sichtbar wird dies aus dem sprunghaften Anstieg der Suche nach VPN-Lösungen nach Kriegsausbruch in der Ukraine:

Suchen nach VPN-Lösungen: Ukraine vs. Russland. Quelle: Statista, 2022

Die Idee der Freiheit stand nicht ohne Grund in der Pionierzeit im Zentrum des Internets. Selbstgewählt tun und lassen zu können, was man will, ist – identisch zur Informationsfreiheit und Meinungsäußerungsfreiheit – entscheidend für das Funktionieren von Demokratien und zur Gewährleistung der Menschenrechte.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 20.10.2022

Carlo Olsson 99 Artikel
Carlo Olsson begleitet die Herstellung von Filmen, Videos und TV-Serien im Auftrag von Unternehmen, Agenturen und Produktionsfirmen. In seiner Freizeit spielt er Eishockey und beschäftigt sich mit barocker Klangdramatik.

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