»Jung Sterben« | Exklusiver Blick hinter die Kulissen von LiLAs neuem Musikvideo

Musikvideo "Jung Sterben" von LiLA | © Foto: lila-musik.de
Musikvideo "Jung Sterben" von LiLA | Fotograf: Jens Wittenburg, © Foto: lila-musik.de

Jung Sterben, so heißt das neue Musikvideo von LiLA. Es wurde in einer einzigen Einstellung gedreht. Im exklusiven Interview mit Filmpuls erzählen LiLA und Lars Henriks (Regie und Schnitt) erstmals, wie sie den Spagat zwischen Vision und Realität, zwischen Musikvideodreh und den eigenen, hohen künstlerischen Ansprüchen erfolgreich gemeistert haben.

Musikvideos haben es leicht und zugleich schwer: Mit der Musik gibt es für das Video zwar eine klare Leitlinie, die im wahrsten Sinne des Wortes der Visualisierung den Takt vorgibt. Umgekehrt gilt es aber auch, imaginäre Bilder in die Realität zu übersetzen – oftmals sogar für kleines Geld.

„Jung Sterben“ ist die neue Single mit dem gleichnamigen Musikvideo von LiLA

LiLA - Jung Sterben (Official Video)

Im exklusiven Interview mit Filmpuls erzählen LiLA und Lars Henriks (Regie und Schnitt) erstmals, wie sie den Spagat zwischen Vision und Realität, zwischen Musikvideodreh und den eigenen, hohen künstlerischen Ansprüchen erfolgreich gemeistert haben.

Interview mit Sängerin LiLA und Regisseurs Lars Henriks

Filmpuls:Ein Musikvideo ohne Schnitt und damit an einem Stück zu drehen, wie kommt man auf diese Idee?

© Foto: LiLA
LiLA

LiLA hat Power, Mut und Gefühle. So trifft Pop auf Beats und Eingängigkeit auf Poesie. Ihr Erfolgsgeheimnis: Ihre Musik und ihre Texte erzählen Geschichten. Über das Leben, über die Liebe – und damit über uns alle.

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© Foto: Lars Henriks

Lars Henriks ist Regisseur, Schauspieler und Autor. Er ist bekannt für Leon muss sterben (2017), Bearkittens (2018) und Performaniax.

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LiLA:Ich komme seit dem „Hideaway“ Video von Kiesza nicht mehr von dem Gedanken los, einen Onetake mit Tanz machen zu wollen. Außerdem fand ich auch schon immer Spiele mit Tempo und Vorwärts-Rückwärts super. So kam es dann zu der Zeitlupenidee. Dazu kann ich „Mädchen aus Berlin“ von Tiemo Hauer sehr empfehlen.

Filmpuls:Wie habt ihr es geschafft, trotz Einsatz von Zeitlupe und Slow Motion mit Bild und Musik synchron zu bleiben?

LiLA:Da musste Lars, der neben der Regie auch den Schnitt gemacht hat, ganz schön unter mir leiden. Wir haben gefühlte 100 Korrekturschleifen gemacht, bis es so synchron war, wie es jetzt ist. Natürlich passt es durch die Zeitlupe nicht überall hundertprozentig, weil wir bei den Szenen die Musik in doppeltem Tempo abgespielt haben und die Box nicht direkt an der Szene stand, aber ich bin happy mit dem Ergebnis.

Lars:Wir haben das komplette Video mit 50 fps aufgenommen, wodurch alles in Zeitlupe war, und dann die Refrains in „doppelter Geschwindigkeit“ abgespielt. Das klingt erst mal einfacher, als es dann war. Dadurch, dass teilweise die Punkte, in denen sich die Geschwindigkeit ändert, nicht ganz exakt getroffen werden können (25 Frames sind nun mal einfach nur ein Viertel der Millisekunden, die so eine Sekunde hat) und durch so Faktoren wie den Standort der Box, aus der am Set die Musik gekommen ist, und die Verzögerungen, die durch weitere Abstände entstehen, musste ich im Schnitt ein bisschen tricksen. Wenn man zum Beispiel den Punkt, an dem geschnitten und die Geschwindigkeit erhöht wird, um einen Frame verschiebt, werden das weiter hinten im Clip, durch den Geschwindigkeitsunterschied, immer einige Frames mehr, wodurch alles durcheinander geht. Ich habe dann teilweise vier oder sechs Frames auf einmal genommen und die verzögert oder schneller abgespielt, um Frame-genaue Änderungen zu machen. Da saß ich schon mindestens zwei Tage dran, bis LiLA zufrieden war.

Aus Budgetgründen ist alles an einem Tag passiert.
LiLA

Filmpuls:Wie viel habt ihr digital getrickst?

LiLA:Ein Logo wurde wegretuschiert. Aber sonst würde ich behaupten, das Musikvideo ist trickfrei, oder Lars?

Lars:Es war insgesamt mehr Nachbearbeitung, als ich dachte, aber das wesentliche stand am Set schon. Wir hatten richtig tolle Tänzerinnen und einen fantastischen Kamera- und Lichtmenschen – das war sehr angenehm! Plansequenzen sind meist sowohl am Set als auch in der Nachbearbeitung aufwändiger, als klassisch aufgelöste Szenen.

Filmpuls:Wie lange war euer Drehtag?

LiLA:Wir haben uns mit den Tänzerinnen und der Choreografin Martha Maria Möbius um 10:00 Uhr getroffen und angefangen die Choreo einzustudieren.

Lars:Ich bin gegen halb elf dazu gekommen und wir waren um 20:00 fertig.

Fotos von den Dreharbeiten  | © Jens Wittenburg

Filmpuls:Wie habt ihr das Licht gesetzt? Die Frage darum, weil die Location erstens sehr schön ausgeleuchtet ist, und zweitens, obwohl die Kamera sich bewegt, mit Ausnahme der ersten Tanzszene, nirgendwo wirklich Lichtquellen sichtbar sind, die nicht natürlich wirken.

Lars:Das hat unser Kamera- und Lichtmann Konstantin gemacht — Alleine! Krasser Typ, oder?

LiLA:Wir wollten nicht, dass später sichtbar Stative irgendwo im Weg stehen. Deshalb haben wir uns dafür entschieden sehr punktuell zu arbeiten.

Filmpuls:Ihr habt an zwei Drehorten gedreht, aber darauf verzichtet, Berlin explizit ins Bild zu rücken. Warum?

Lars:Weil wir auf der Reeperbahn in Hamburg waren und fanden, dass die ein schönes Panorama für den Außen-Teil des Videos geboten hat. Da war Berlin irgendwie gar nicht nötig.

Storyboards sind bei solchen Low-Budget Guerilla-Drehs oft eine echte Falle!
Lars Henriks

LiLA:Und es ist tatsächlich auch nur eine Location. Die Weißblende gibt es, weil die Kamera mit dem Lichtsprung von drinnen nach draußen nicht allein fertig geworden ist, da musste eine Lösung her.

Filmpuls:Wie muss man sich die Proben vorstellen? Zuerst die Kamerabewegung, dann die Positionen der Personen, parallel dazu die Choreografie?

LiLA:Lars hat die Wege in der Location festgelegt und dann haben wir angefangen mit DOP Konstantin Tanner, der Schauspielerin Lena Conzendorf und mir zu proben, ob das so funktioniert. Erstmal mit Handy, einfach um die Wege zu checken und dann später erst mit großer Cam. Die Choreografie wurde parallel vor Ort einstudiert.

Inspiration: „Mädchen aus Berlin“ von Tiemo Hauer:

Tiemo Hauer - Mädchen aus Berlin (Offizielles Musikvideo) HD

Lars:Die Tänzerinnen haben ein paar Mal die Choreografie geprobt, während Konstantin und ich uns den Raum angeguckt und ein bisschen besprochen haben. Dann habe ich einmal allen gesagt, wo ich sie gerne hätte und schon in der ersten Durchlauf-Probe war der Ablauf klar. Ab da haben wir alles gleichzeitig geprobt und einige Sachen verändert, bis es saß.

LiLA:Es ist aus Budgetgründen alles an einem Tag passiert. Wir hatten die Location genau 10h, in denen musste von Probe, über Kostüme aussuchen, Choreo lernen etc. alles passieren.

Lars:Die Tänzerinnen haben die Choreo am Set zum ersten Mal geprobt! Unglaublich, oder? Wir haben uns vormittags getroffen, geprobt und waren sehr schnell da, wo wir hinwollten. Dann haben wir alles so um die zehnmal gedreht, bis zum frühen Abend. Es lief wirklich erstaunlich gut.

Filmpuls:Gab es ein Storyboard?

Lars:Nein. Storyboards sind bei solchen Low-Budget Guerilla Drehs oft eine echte Falle.

LiLA:Wir haben aber natürlich im Vorfeld des Drehs länger darüber telefoniert, was wir uns vorstellen und dann vor Ort entschieden, wie wir es umsetzen wollen.

Filmpuls:Könnt ihr uns was zur Technik verraten? Kameratyp, Schnittplatz undsoweiter?

Lars:Das Video ist mit der Blackmagic Pocket 4k gedreht worden. Geschnitten habe ich mit Premiere Pro an einem ganz neuen Schnittplatz, der mir die Arbeit wirklich sehr erleichtert hat.

Filmpuls:Ist es aufwendiger oder billiger, ein One-Shot-Musikvideo zu drehen?

Lars:Anders als man vielleicht intuitiv annehmen könnte, sind Plansequenzen bei der Musikvideoproduktion meistens sowohl am Set als auch in der Nachbearbeitung aufwendiger, als klassisch aufgelöste Szenen. Es ist am Set halt wahnsinnig viel zu beachten und man muss wirklich drehen, bis jeder einzelne Moment so perfekt ist, wie es geht, und weil eben doch nichts perfekt werden kann, muss man in der Nachbearbeitung noch ganz viel anpassen und das aber, so gut es geht, verstecken. Nervig, aber aufregend und lohnt sich am Ende!

Fotos von den Dreharbeiten  | © Jens Wittenburg

LiLA:Ich würde sagen die Arbeit ist vor allem anders. Man kann eben nicht, wie man das normalerweise macht, kleine Abschnitte ausbessern, indem man sie noch mal dreht. Es muss einfach alles klappen. Und dann kann ein Take auch schon mal dadurch versaut sein, dass das Konfetti durch den Wind nicht so fliegt, wie es soll…

Filmpuls:Was habt ihr beim Dreh gelernt?

LiLA:Natürlich hätte man mit ein bisschen mehr Budget einfach länger proben können, mehr Tänzer casten, weitere Teammitglieder dazu buchen können, um allen die Arbeit zu erleichtern, aber ich bin echt happy, wie das Video geworden ist.

Lars:Beim Übergang in der Mitte hätten wir dafür sorgen sollen, dass das Ende des Ersten und der Anfang des zweiten Clips besser matchen, dann hätte man das alles noch ein bisschen smoother hinbekommen, aber ansonsten fand ich’s eigentlich gut, wie es war.

LiLA:Gibt es etwas im Musikvideo, auf das du unseren Blick lenken möchtest? Etwas, was man nur sieht oder versteht, wenn man es weiß?

Lars:Ich finde die Jacke super, aber ich glaube, die sieht man auch, ohne dass ich das sage. Und guckt euch mal den zweiten Refrain an und stellt euch vor, Heinz Strunk schreibt die Autobiografie von LiLAs Charakter und beschreibt den Moment, in dem sie so romantisch in der Bar tanzen will und ihre Flamme das nicht so dolle findet. Das ist dann lustig, finde ich. Und ist euch aufgefallen, dass am Ende dieser Pfahl in der Mitte des Bildes ist, wo zuerst auf der einen Seite LiLA und auf der anderen Lena ist und dann, wenn Lena weg ist und die Kamera zurückgeht, auf der einen Seite LiLA und der anderen die Leere? Ist das nicht deep? Oh, und das Öffnen des Vorhangs finde ich sehr erwähnenswert, weil LiLA’s Showmanship mich in dem Moment einfach stark entertaint. Für einen dreiminütigen Clip könnte ich da jetzt ganz schön viele Details rauspicken und mit Bedeutung überladen. Ich bin Fan. LiLAs Socken sind außerdem fantastisch! Achtet auf die Socken!

Ich habe nur nette Leute bei meinen Drehs dabei!
LiLA

LiLA:Haha, ja die Socken mag ich auch!

Filmpuls:Was war das Schlimmste, was dir beim Dreh passiert ist?

Lars:Ich hab meine Festplatte zu Hause vergessen, weil ich leider sehr dumm bin, und meine Freundin musste kommen und mir eine bringen. Ihr merkt schon, das ist keine sehr spannende Story. Der Dreh war ziemlich idyllisch und nett. Das ist natürlich schlecht für Interviews. Sorry.

LiLA:Genau, also Drama gab’s nicht. Ich achte immer drauf, dass ich nur nette Leute bei meinen Drehs dabeihabe! Am Ende, als schon alles abgedreht war und wir zusammengepackt haben, ist eine Tänzerin gestürzt und hat sich ganz schön doll an der Hand verletzt, das war glaub ich für mich das Schlimmste.

Filmpuls:Und das Beste beim Dreh?

Lars:Die Entdeckung des Vorhangs!

LiLA:Okay, ich ändere noch mal mein „Schlimmstes“: Das war, dass Lars den Vorhang entdeckt hat!

Filmpuls:LiLA und Lars, ein fettes Dankeschön, dass ihr beide uns Rede und Antwort gestanden seid. Wir wünschen euch weiterhin viel Erfolg und Freude!

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 23.07.2019

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