Wie viel darf Neu­kunden­gewinnung kosten? Anleitung für Video Dienst­leister

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Nicht, was du denkst: Wie hoch dürfen die Ausgaben für die Gewinnung neuer Kunden sein? | © 3D-Foto: Pavel Sokolov

Ohne Kunden läuft nichts. Das ist im Grundsatz immer richtig. Trotzdem gibt es Geschäftsfelder und Fälle, in denen es sinnvoller ist, auf die Neukundengewinnung zu verzichten.

Ich denke bei der Kundengewinnung nicht an komplizierte Auftraggeber. Auch nicht an Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Neukunden. Oder an Zahlungsausfälle. Solche Dinge sind meist nicht voraussehbar. Sie gehören zu jeder Geschäftstätigkeit. Hier geht es um eine viel wichtigere Frage: Wann ist es mit Blick auf die Kosten richtig, sich neue Geschäftspartner zu bemühen? Wie kann ich dies als Dienstleister im Bereich Film und Video feststellen? Im Zentrum stehen also beim Preis für professionelle Videos etliche Fragen der BWL / Betriebswirtschaftslehre.

Wie viel kostet ein neuer Kunde?

Viele Videoproducer werden die Frage, ob eine Neukundengewinnung Sinn ergibt, mit der Höhe des Auftragsvolumens beantworten. Dieses lässt sich schon vor der Auftragsvergabe für Auftraggeber wie für Videoproduzenten problemlos mit dem Online-Filmkosten-Rechner von Filmpuls eruieren. Dann folgt überwiegend die Argumentation mit der Auslastung der eigenen Kapazitäten. Ebenso wichtig aber ist, was die Akquisition eines neuen Auftraggebers überhaupt kostet. Neugegründete Produktionshäuser dürfen dabei nicht vergessen, dass es auch Anfangsinvestitionen zurückzubezahlen gilt – gerade die Anschaffungskosten für eine professionelle Filmausrüstung sind hoch.

Genauso wie ein Film kalkuliert werden kann, gibt es auch für die Neukundengewinnung eine einfache Berechnungsmethode. Dieser Artikel versteht sich als Anleitung, wie man diese Kosten rechnerisch beantworten kann.

Wer für Akquisition verantwortlich ist oder wer sein Gehalt selbst generiert, muss die Kosten für die Neukundengewinnung wissen. Marketing und Buchhaltung werden es später danken. Anders kann man Akquise und sinnvolle Werbung in eigener Sache nicht erfolgreich betreiben.

Kosten für Neukundengewinnung bestimmen

Am Anfang stehen bei der Neukundengewinnung drei einfache Überlegungen und Fragen:

  • Erstens: Wie hoch ist der Aufwand, um einen neuen Auftraggeber von meinen Qualitäten zu überzeugen?
  • Zweitens: Was werde ich am Ende des Tages mit diesem Geschäftspartner und mit dem ersten Auftrag verdienen?
  • Drittens: Wie viele weitere Aufträge darf ich nach der ersten erfolgreichen Zusammenarbeit über welchen Zeitraum zusätzlich erwarten?

Die erste Antwort ist schnell kalkuliert und beantwortet. Schließlich geht es hier darum, die gesamte Investition in Zahlen der Anzahl dadurch generierter Neukunden gegenüber zustellen. Wenn es mich 100 kostet und daraus zwei neue Kundenbeziehungen hervorgehen, kostet eine Kundenbeziehung 50 (100 geteilt durch 2 Neukunden = 50).

In der Praxis besteht dieser Aufwand (die eigenen Kosten) für die Neukundengewinnung aus allem, was dem neuen Produktionsauftrag vorausgeht. Das können die Kosten für Werbemittel wie das Erstellen von Showreels, die Schaltung von Werbung online bei Google oder auf einer Website, Gehalt und Personalaufwand, Telefonkosten oder für Vertrieb sein.

Betriebswirte bezeichnen die Kosten für diese Aufwände bei der Neukundengewinnung als Kundengewinnungskosten. Die englischen Customer Acquisition Cost (abgekürzt CAC) bedeuten dasselbe. Diese Anleitung verwendet beide Begriffe.

Zu wissen, dass eine neue Kundenbeziehung X oder Y kostet, beantwortet Frage 1.

Nur: Diese Antwort zahlt noch keine Miete. Die 50 pro Kunde in unserem Beispiel sind nur eine Hilfszahl. Diese benötigen wir später. Darum gilt es, als Nächstes herauszufinden, wie hoch der Wert des ersten Auftrags (Frage 2) für ein Video und das Potenzial für zukünftige Aufträge ist (Frage 3). Kennt man auch diese zwei Werte aus der Buchhaltung, kann man ihn anschließend erfolgreich in Beziehung zu den Kosten der Auftragsakquisition stellen und daraus wichtige Rückschlüsse und Erkenntnisse u. a. für die Finanzen, Marketing und Vertrieb ziehen.

Wie viel ist ein Kunde kalkulatorisch wert?

Der Kundenwert (englisch: der Customer Lifetime Value, kurz CLV) setzt sich aus dem ersten Auftrag einer Zusammenarbeit für ein Video und dem Umfang der zukünftig erwarteten Auftragsvolumen zusammen. Die Höhe des ersten Auftrags entspricht dem vertraglich vereinbarten Preis. Sie ist einfach zu bestimmen. Schwieriger wird es mit Aufträgen, die in unbestimmter Zukunft möglicherweise noch folgen. Die Antworten basieren hier auf Annahmen und Projektionen in ein zukünftiges Kundenverhalten.

Der Kundenwert geht davon aus, dass neue Auftraggeber dem Auftragnehmer treu bleiben und mit ihm weiter Video produziert. Wer sich nicht als Wahrsager betätigen mag, kann die nachfolgenden Beispiele trotzdem benötigen. Diesfalls beantwortet man einfach nur Frage 2 (aktueller Umsatz des neuen Projektes). Die Prognose über zukünftige Umsätze lässt man einfach weg.

Je höher das Auftragsvolumen (konkret und in der Voraussage), desto besser. Das leuchtet sofort ein. Trotzdem interessiert der Umsatz in dieser Anleitung zur Analyse der Neukundengewinnung nur bedingt. Viel wichtiger als der Umsatz ist, wie viel vom Umsatz in der eigenen Kasse liegen bleibt. 200 Umsatz, um am Ende 200 auszugeben, ist unternehmerischer Selbstmord.

Der Kundenwert arbeitet darum bei der Neukundengewinnung mit Deckungsbeiträgen (DB). Kleine Unternehmen, die nicht mit einer Deckungsbeitragsrechnung agieren können, statt dem DB auch Markup oder Gewinn verwenden. Entscheidend ist, was in dieser Zahl (Deckungsbeitrag, Markup oder Gewinn) alles enthalten ist. Hauptsache, man operiert mit Netto-Beträgen.

Industrien und Unternehmen außerhalb der Film- und Videobranche kalkulieren den Kundenwert weit aufwendiger. Hier werden nebst den Akquisitionskosten für den individuellen Kunden nicht nur DB1, das Marketing und Kundenbetreuungskosten, sondern unter anderem auch noch Diskontierungszinsätze über den Betrachtungszeitraum der zugrunde gelegten Perioden und weitere Elemente berücksichtigt.

Anleitung und Beispiele

Beispiel #1

Mit einer Investition von 50 gelingt es Videoproduktion ABC, 2 Neukunden zu gewinnen. Die Ausgaben für die Neukundengewinnung betragen damit pro Kunde 25 (50 : 2). Neue Kunden bringen pro Jahr je ein Auftragsvolumen von 150 und sie bleiben dem Unternehmen 1 Jahr treu. Die Produktionsfirma erwirtschaftet aus diesen 150 Auftragsvolumen pro Kunde einen durchschnittlichen Netto-Deckungsbeitrag von 30 %, also 45 (30 % von 150).

Der Kundenwert pro Jahr beträgt 45. Das Verhältnis zwischen Kundenwert und den Kundengewinnungskosten beträgt 45:25 und damit 1,8. Der neu gewonnene Kunde macht den Aufwand, der investiert werden musste, um ihn für die Zusammenarbeit zu gewinnen, mühelos wett.

Beispiel #2:

Mit 50 Aufwand gelingt es Videoproduktion DEF, 2 zusätzliche Auftraggeber für sich zu gewinnen. Die Neukunden generieren pro Jahr je ein Auftragsvolumen in der Höhe von 150. Sie bleiben während 2 Jahren (statt wie bei der Produktionsfirma ABC nur 1 Jahr) treu. Die Produktionsfirma erarbeitet diesmal einen kalkulatorischen Netto-Deckungsbeitrag im Schnitt und pro Kunde von 30 % und 45 %. Der Kundenwert beträgt 45.

Weil im Folgejahr kein Geld in die Akquisition investiert werden muss, halbieren sich die Kundengewinnungskosten (25 für 2 Jahre ergibt 12,5 pro Jahr). Kundenwert und Kundengewinnungskosten stehen im Verhältnis von 45:12,5, draus resultieren schöne 3,6.

Beispiel #3:

Mit einem Invest von 50 kann Videoproduktion GHI 2 neue Geschäftspartner gewinnen. Die zusätzlichen Auftraggeber ergeben pro Jahr je ein zusätzliches Auftragsvolumen von 75 (statt 150 wie bei den Produktionsfirmen ABC und DEF) und bleiben 1 Jahr treu. Mit den Kunden erwirtschaftet die Produktionsfirma wiederum im Durchschnitt einen Netto-Deckungsbeitrag in einer Höhe von 30 % und damit 22.5 pro Jahr.

Der Wert des Auftraggebers beträgt 22.5. Kundenwert und der Aufwand für die Neukundengewinnung in Beziehung gesetzt ergibt nur 0,9.

Neukundengewinnung: Learnings für Video-Anbieter

Der Kundenwert kombiniert mit Kosten für die Neukundengewinnung (Customer Acquisition Costs, CAC) lassen sich mit etwas Erfahrung und Einsicht in eine Branche wertvolle Rückschlüsse über die Gesundheit eines Geschäftsbereichs gewinnen. Hohe Kosten für die Akquise, Marketing und Werbung, tiefe Volumen und eingeschränkte Kundentreue sind für Marktteilnehmer ein gefährlicher Mix. Auch dafür will diese Anleitung sensibilisieren. Dazu drei Tipps:

Tipp 1:

Misslingt in Beispiel #1 die Akquisition eines dritten Neukunden, für den ebenfalls 25 investiert wurden, kann die Video-Produktionsfirma ABC diesen Aufwand gut verkraften (3 × 25 = komplett 75 Aufwand, 2 × 45 = 90 Ertrag).

In Beispiel #3 werden die Kosten für die Neukundenakquisition nicht gedeckt. Der neue Kunde muss, soweit möglich, aus anderen Ertragsquellen quersubventioniert werden.

Tipp 2:

CAC und CLV müssen bei der Neukundengewinnung in einem Gleichgewicht stehen. Ein Wert von 1 (Gewinnungskosten geteilt durch Kundenwert) ermöglicht das Fortschreiben des bestehenden Geschäftsmodells.

Bei einem Wert über 1 erlauben die Finanzen einen Spielraum für Weiterentwicklung des Geschäftsmodells. Sie ermöglichen das erfolgreiche Überleben in harten Verdrängungskämpfen, ein höheres Gehalt oder die Expansion in neue Märkte oder höhere Ausgaben für Eigenwerbung online auf einer Website oder bei Google.

Tipp 3:

Unterschreiten die Kundengewinnungskosten den Kundenwert, lauern die Probleme, nicht nur für Schmalspurfilmer, bereits vor der Türe. In diesem Fall hilft nur eines: sofort über die Bücher und unbedingt neue Szenarien erarbeiten, damit es einem in Zukunft nicht kalt erwischt: Kosten müssen reduziert und alternative Wege für die Neukundengewinnung gefunden werden.

Fazit zur Neukundengewinnung

Bei der Kalkulation für zukünftige Aufträge darf je nach Kundenzufriedenheit davon ausgegangen werden, dass man für die Neukundengewinnung weniger Mittel als bei der Erstakquisition für die Aufrechterhaltung der Zusammenarbeit einsetzen muss. Im Idealfall bleibt die Kundenbeziehung sogar ohne weitere Investitionen bestehen.

Das musst du wissen

  • Nicht jeder neue Auftraggeber bringt einer Videoproduktion automatisch einen Gewinn. Für eine realistische Kostenbetrachtung muss auch der Aufwand zur Kundengewinnung eingerechnet werden.
  • Analysiert werden muss auch, wie viele der neugewonnen Kunden zu Stammkunden werden. Ein Teil der Neukunden wird naturgemäß nach dem ersten Auftrag weiterziehen. Auch diesen prozentualen Anteil musst du in deinen Aufwand zur Kundengewinnung einberechnen.
  • Kennst du deine Kosten für die Neukundengewinnung, wirst du möglicherweise feststellen, dass du mehr geschäftlichen Erfolg hast, wenn du auf gewisse Kunden verzichtest.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 29.08.2017

Carlo Olsson 102 Artikel
Carlo Olsson begleitet die Herstellung von Filmen, Videos und TV-Serien im Auftrag von Unternehmen, Agenturen und Produktionsfirmen. In seiner Freizeit spielt er Eishockey und beschäftigt sich mit barocker Klangdramatik.

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