Die TV-Landschaft ist im Umbruch. Für talentierte Komponisten bieten die Veränderungen so viele neue Chancen, wie in den vergangenen zwanzig Jahren nicht mehr.
Der anhaltende Erfolg von Fernsehserien zeigt auch Auswirkungen auf die Arbeit von TV-Komponisten. Bis vor wenigen Jahren wolltest du als Musiker Spielfilme musikalisch mit deinem Soundtrack untermalen.
Wenn du heute auf der Höhe der Zeit bist und gutes Geld verdienen willst, setzt du besser auf TV-Serien. Warum, das erkläre ich dir in diesem Beitrag.
Wie das Geschäft mit der Musik für Komponisten bis anhin lief
Weil TV-Serien vor dem Siegeszug von Netflix & Co. meist nur im eigenen Land ausgestrahlt wurden, wurde Musik immer nur für das eigene Land lizenziert. Verträge mit Komponisten waren dazu einfach zu erstellen, weil es wenig zu regeln galt.
Erleichtert wurde die Lizenzierung von Musik auch durch bis heute bestehende, pauschale Arrangements zwischen TV-Anstalten und den Vertretern der Rechteinhabern (GEMA, AMK, SACEM, SUISA etc.).
Schaffte es eine TV-Serie wider Erwarten, ins Ausland verkauft zu werden, wurde es schnell sehr kompliziert. Die Musikrechte mussten diesfalls nämlich neu geklärt und mit dem Komponisten verhandelt werden. Ein Problem war das für die Branche nicht. Aber nur darum, weil früher kaum einer Serie der Sprung über die Landesgrenze hinaus gelang!
Und wenn doch, war das für Komponisten und den Inhaber der Musikrechte keinen Grund zur Freude.
Um das Risiko beim Verhandeln tief zu halten, und um Kosten zu sparen, wurde in der Regel im Ausland die ursprüngliche Musik des Komponisten für den Einsatz im Drittland ruckzuck durch lizenzfreie Konservenware ersetzt. Darunter litt die Qualität der verkauften Serien. Was wiederum den Erfolg im Auslandsmarkt schmälerte – und dazu führte, dass Serien als grundsätzlich nicht geeignet für Auslandsverkäufe galten. Der Komponist musste dem machtlos zusehen.
Der Erfolg von Netflix hat dieses fatale Muster erfolgreich auf den Kopf gestellt!
So machen erfolgreiche Komponisten heute Geschäfte
Weil heute von Beginn weg das Ziel anvisiert wird, eine mehrteilige TV-Serie überallhin auf der Welt verkaufen zu können, besteht der einfachste Weg dazu ganz einfach darin, bei der Musikproduktion von allem Anfang sämtliche Musikrechte vom Komponisten zu erwerben. Oder diese zumindest mit einer Erwerbsoption zu sichern. Beides bedeutet Mehreinkommen für den Komponisten.
Die früher übliche Praxis, durch pauschale Abgeltung mit Urheberrechtsgesellschaften auf bestehende Musik aus dem Archiv zuzugreifen, ist dabei ein Problem. Darum, weil diese Lizenzen seit jeher immer nur für einen Markt gelten.
Netflix investiert 2019 eine Milliarde USD in europäische Produktionen und will dieses Jahr 221 eigene und koproduzierte europäische Serien veröffentlichen.
The Hollywood Reporter, 1.5.2019
Darum sichert sich der Produzent von Serien wie die deutsche Netflix Original Doku-Serie »Rohwedder – Ein perfekte Verbrechen« heute von allem Anfang an beim Komponisten die Möglichkeit, die von ihm produzierte TV-Serie mitsamt Original-Musik überallhin verkaufen zu können. Dazu sind Auftragskompositionen für Serien, erstellt von Komponisten, plötzlich die bessere Option. Für das Werk, für alle Beteiligten und für den Zuschauer.
Zugleich öffnete sich damit in vielen Fällen auch ein neues Arbeitsfeld in der im Umbruch begriffenen TV-Landschaft. Nicht nur für Komponisten, sondern auch für Songwriter. Die Kraft, eine Szene mit einem in sich geschlossenen Song zu stärken (oder in Einzelfällen zu retten), ist heute eines der Erfolgsgeheimnisse guter Serien.
Sing meinen Song?
Serien benötigen beides: Musik von Komponisten als durchgehendes, dramaturgisches Gestaltungselement. Aber auch alleinstehende Songs.
Beide, Score und Song, werden gezielt komponiert. Ein speziell für eine Szene komplizierter Song hat aber eine andere Aufgabe als die Musikkomposition. Zwar illustrieren beide die Handlung musikalisch. Doch bei Schlüsselmomenten der Handlung geht der Song weiter: Hier können Songtext und Serienhandlung auch ineinander greifen. Und sich inhaltlich ergänzen. Solches funktioniert natürlich nur, wenn der Text für das ausländische Publikum auch verständlich ist. Aber hey, auf dieser Basis funktioniert die gesamte amerikanische Entertainment- und Musikindustrie.
Natürlich lassen sich so, zumindest theoretisch, auch bestehende Erfolgssongs bekannter Künstler in Serien einbinden. In der Praxis bevorzugt man allerdings eher unbekannte Musikstücke. Erstens, weil diese vom Komponisten zu einem tieferen Preis lizenziert werden können. Zweitens, weil unbekannte Songs den Charakter der Serie nicht mit dem Image des Künstlers prägen. Denn ungeachtet welcher Serieninhalt, Lady Gaga bleibt immer Lady Gaga. Umgekehrt ist es absolut möglich, dass eine unbekannte Musikkomposition durch die Einbindung in eine Serie weltweit zum Hit wird.
Und natürlich ist auch beides möglich: Du komponierst Soundtrack und Songs. Dann bist du als Komponist in der Königsklasse angelangt.
Diese künstlerischen Voraussetzungen musst du als Komponist erfüllen
Als Serienkomponist wird von dir schnelle und präzise Arbeit erwartet. Gefordert werden solide dramaturgische Kenntnisse. Ähnlich wie die Kameraarbeit müssen deine Kompositionen die Serien mittragen.
Ebenso muss den Erwartungen des Regisseurs und des Produzenten gerecht werden. Ausgewählt für die Zusammenarbeit wird der Komponist für Serien üblicherweise durch den Musik-Supervisor im Auftrag der Produktionsfirma.
Zusammengefasst
Bei TV-Serien sind Musikkomponisten wieder im Trend. Allein das ZDF will über 200 Millionen € für die Serienproduktion investieren. Damit einher geht die Notwendigkeit, Original-Musik überall auf der Welt ohne rechtliche Risiken einsetzen zu können.
Das willst du wissen
- Die TV-Industrie wächst. In wenigen Wochen starten neu auch Disney und Apple mit dem Streaming eigener Serieninhalte. Damit wächst auch das zukünftige Arbeitsvolumen für Komponisten.
- Zugleich haben schon Player wie Netflix das Geschäft mit der musikalischen Vertonung von Serieninhalten komplett verändert.
- Anders als früher, wird die Musik von Serien nicht mehr nur für einzelne Territorien lizenziert.
Talent benötigst du als Komponist nach wie vor. Dazu auch Flexibilität und ein Wissen, das über das reine Musikhandwerk hinaus geht. Kannst du diese Punkte erfüllen, sind die Perspektiven für dein Berufsleben weit attraktiver, als sie es die letzten 20 Jahre waren.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 22.10.2019
Teile jetzt deine Erfahrungen