Was du aus dem Sex-Alarm bei Raumschiff Enterprise über Kommunikation lernen kannst

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Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Wissenschaftsoffizier Spock in Star Trek | © Fake Filmposter: Pavel Sokolov

Die in den Sechzigerjahren lancierte TV-Serie Raumschiff Enterprise ist aus zwei Gründen ganz besonders bemerkenswert: Erstens wurde damit eine Filmmarke lanciert, deren Erfolg bis heute andauert. Zweitens wurden die Botschaften der Serie von einem Teil des Publikums katastrophal missverstanden. Daran lässt sich eines der Grundprinzipien der Kommunikation vortrefflich erläutern.

Als die Serie Raumschiff Enterprise (Originaltitel: Star Trek) in den 60er-Jahren erstmals über die Bildschirme flackerte, sah sich ihr Erfinder, Gene Roddenberry, öffentlich zu einem Dementi gezwungen. Was war passiert?

A sagen und B wie Botschaft verstehen?

Verstehen ist ein Akt des Verarbeitens einer Botschaft, das ist heute wissenschaftlich belegt. Und genau darin liegt die Herausforderung. Darum, weil man heute weiß, dass der Empfang einer Nachricht nicht nur von der Qualität der Formulierung beeinflusst wird, sondern auch von der Person des jeweiligen Empfängers und weiteren Umständen.

Konkret: Die identische Nachricht A kann von Person B komplett anders verstanden werden, als von Person C und D. Bei Star Trek sorgte dieser Umstand in den prüden USA für einen Skandal. Was war passiert?

Männer im Weltall

Die Gay-Community in den USA erkannte ab 1965 im Fall von Raumschiff Enterprise rasch anhand von verschlüsselten Codes, dass es in der Serie um viel mehr ging, als nur die Eroberung der unendlichen Weiten des Weltalls. In ihren Augen war die Serie ein Aufruf für die Anerkennung von Randgruppen und die Rechte homosexuelle Bürger. Die Argumente, die für diesen sehr speziellen und hoch subjektiven Blickwinkel auf die Serie sprachen, waren schließlich ebenso vielfältig wie offensichtlich.

Dabei wäre ein nicht unwesentlicher Teil des TV-Publikums, nämlich die Mehrheit, von sich allein, niemals im Leben auf den Gedanken gekommen, die Erfolgsserie auf diese Weise zu interpretieren. Der Blickwinkel der Schwulenszene auf Star Trek sorgte für einen Skandal. Sex-Alarm im Weltall! Die Krone der Schöpfung, das Schwein, der Mensch. Und dies zur Primetime am TV!

Schließlich sah sich der Erfinder und Schöpfer der Serie, Gene Roddenberry, gezwungen, öffentlich Stellung zu beziehen. Er versicherte, bei Star Trek keine einzige Sekunde an gleichgeschlechtliche Liebe gedacht zu haben, als er die TV-Serie und deren Handlungsgerüst entwarf.

Die homosexuelle Community hielt dennoch unverbrüchlich daran fest, dass ihre Wahrnehmung korrekt und Raumschiff Enterprise ein Plädoyer für die Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Liebe sei. Schließlich waren die Beweise dafür schwarz auf weiß im Farbfernsehen wöchentlich zu sehen.

Was kann man daraus lernen?

Unterschiedliches Verständnis von Botschaften

Wir alle kennen das Prinzip der Flüsterpost, auch bekannt als stille Post. Ein Kind flüstert seinem Nachbarn in sein Ohr und lässt auf diese Weise eine erfundene Behauptung im Kreis herumwandern.

Dass das, was ich höre, nicht immer auch ist, was mein Gegenüber sagt, ist heute ein Gemeinplatz. Stuart Hall, ein britischer Soziologe und Kommunikationswissenschaftler, ging einen Schritt weiter. Er war überzeugt, dass das Verstehen eine eigene Handlung ist. Hall belegte damit, dass dieselbe Botschaft von unterschiedlichen Zielgruppen komplett unterschiedlich verstanden wurde.

Ausschlaggebend für die Unterschiede im Verständnis einer Nachricht waren folgende Punkte:

  • Soziale Schicht / Herkunft
  • Wissensstand zu einer Sache vorab zum Erhalt einer Botschaft
  • Kontext, in dem eine Botschaft geäußert wird
  • Ethnischer Hintergrund
  • Absicht, was der Empfänger verstehen will
  • Tonalität / Wie etwas gesagt wird
  • Ort der Aussage / Wo kommuniziert wird

Damit erhellt sich die Hysterie um die richtige Interpretation von Raumschiff Enterprise. Stuart Hall sagt: Die Botschaft wird durch den Akt des Empfangens vom Empfänger verändert.

Wer bei Star Trek Beweise für enge Männerbeziehungen und den Kampf von Randgruppen um gesellschaftliche Anerkennung finden wollte, konnte diese auch sehen. Und fand sich von der bunt gemischten Crew, vom Asiaten über den Sowjet bis zum Vulkanier, und deren Verhaltensweisen in seinen Ansichten bestätigt.

Ausschnitt aus der ersten Folge von Raumschiff Enterprise (1966)

Raumschiff Enterprise (1966), Folge 1, Staffel 1

Kodieren und Dekodieren

Das alte, klassische Modell von Senden und Empfangen ist heute widerlegt. Niemand geht mehr davon aus, dass dem Empfänger nur eine passive Rolle zukommt. Der dabei spielende Mechanismus wird heute als „Sender-Empfänger-Modell“ bezeichnet.

Die Rezeption (der Empfang) einer Botschaft ist ein Tun. Genauso, wie der Absender eine Aussage kodiert und damit eine Absicht verbindet, dekoriert der Empfänger diese Nachricht, um sie zu verstehen. Bewusst. Oder unbewusst.

Dieses Dekodieren, geprägt durch die Person des Empfängers, ist auf vier grundsätzlich verschiedene Arten möglich:

  1. Die Botschaft wird so verstanden oder gelesen, wie es der Absender wollte.
  2. Der Empfänger versteht die Nachricht anders, möglicherweise sogar umgekehrt, als vom Absender beabsichtigt.
  3. Oder aber, Senden und Empfangen sind beide das Resultat einer Mischform der in Punkt 1 und 2 vorerwähnten Möglichkeiten. Sei es, weil der Absender die Art, wie seine Botschaft verstanden wird, (teilweise oder ganz) mit dem Empfänger verifiziert. Oder, weil der Empfänger sich beim Absender rückversichert, ob er die Nachricht korrekt verstanden hat.
  4. Die Nachricht kann nicht dekodiert werden – sie wird weder falsch noch richtig oder anders verstanden. Sondern überhaupt nicht.

Anmerkung: Die klassische Theorie der Dekodierung erwähnt nur die ersten drei erwähnten Optionen. Dennoch dürfte auch die vierte Variante im Alltag weitaus häufiger vorkommen, als einem lieb ist.

Wie du missverständliche Botschaften verhinderst

Wer mit sich selbst kommuniziert, weiß immer, was er sagen und verstehen will. Das scheint logisch, ist aber der Schlüssel zur Reduktion von Fehlinterpretationen in der Kommunikation. Denn wenn du Missverständnisse zwischen Sender und Adressaten verringern willst, muss es dein Ziel sein, die Barrieren zwischen Absender und Empfänger zu verringern.

Senden und Empfangen als Kodierung und Entschlüsselung einer Botschaft

Sender Empfänger Modell Kommunikation
Kommunikation als Handlung | © Grafik: Pinterest

Damit hast du nur eine Option: Du begibst dich auf Augenhöhe mit deinem Empfänger. In der Realität bedeutet dies, du bittest jemand aus deiner Zielgruppe, deine Botschaft in seine eigene Sprache zu übersetzen. So verringert du Missverständnis und erhöhst die Treffsicherheit. Alternativ kannst du deine Botschaft auch selbst formulieren, um deren korrekte Dekodierung später durch jemanden aus deiner Zielgruppe überprüfen lassen.

Botschaften verstehen wollen

Der britische Sprachphilosoph Paul Grice formulierte: Gestalte deine Kommunikation so, dass sie dem Zweck dient, den du gemeinsam mit deinem Kommunikationspartner verfolgst.

Er nannte dies das sogenannte Kooperationsprinzip, für ihn eine der Grundregeln des gegenseitigen Verstehens.

Nur wenn Sprecher und Zuhörer sich grundsätzlich kooperativ verhalten, es also auch wollen, funktioniert die Kommunikation. Oder, anders gewendet: nur wenn die eine Partei verstanden werden will, und die andere Seite verstehen will, funktioniert verstehen.

Grice formulierte vier Maximen, welche die Verständlichkeit sicherstellen:

  1. die Maxime der Quantität: Sage genug, damit dich dein Gegenüber versteht. Aber auch nicht mehr als nötig. Denn bei zu viel Informationsstiftes du Verwirrung.
  2. die Die Maxime der Qualität: Spekuliere nicht mit Unklarheiten, sondern sage die Wahrheit. Denn nur so verleitest du dein Gegenüber nicht dazu, etwas anderes zu glauben als das, was du sagst.
  3. die Maxime der Relevanz: Kommuniziere immer nur zu einem Thema und sage dabei nichts, was nicht zu der Sache gehört, über die du sprechen willst.
  4. die Maxime des Stils: Sei klar, einfach und verfallen, folge einer logischen Reihenfolge bei dem, was du sagst.

Man kann diese vier Punkte auch folgendermaßen zusammenfassen:

Wenn du sagst, was wahr und wichtig ist, und dies klar und deutlich formulierst, so darfst du bei einem wohlwollenden Gegenüber davon ausgehen, dass deine Botschaft richtig dekoriert und damit verstanden wird.

Zusammengefasst

Eine Kommunikationsmaßnahme ist darum niemals nur das, was sie ist. Film und Video bilden dabei im Konzert von Unterhaltung, Information, Marketing, PR und Kommunikation keine Ausnahme. Ihre Botschaften sind nie in Stein gemeißelt. Sondern ändern sich je nach Zielpublikum.

Das willst du wissen

  • In der Kommunikation wird naheliegenderweise zwischen Absender und Empfänger unterschieden.
  • Der Empfang einer Botschaft kann als passives Muster verstanden werden. Die Nachricht wird gesendet und ohne weiteres Zutun verstanden.
  • Ein aktives Verständnis von Kommunikation bedeutet die Akzeptanz, dass es mit dem Ankommen einer Aussage allein nicht getan ist. Anders gesagt: Jede Botschaft muss immer auch vom Empfänger verarbeitet und in einen für ihn verständlichen Inhalt übersetzt werden.

Als Absender einer Nachricht sollte man sich deshalb stets bewusst sein, dass diese vom Empfänger übersetzt werden muss. Umgekehrt muss der Empfänger berücksichtigen, dass nicht automatisch das versteht, was der Absender ihm sagen wollte. Die Lösung dieses Problems heißt nicht nur bei Raumschiff Enterprise: Kommunikation. Oder noch exakter, Dialog. Nur mit ihm kann sichergestellt werden, dass Kommunikation mehr als der Irrtum ist, sie habe stattgefunden.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 18.02.2020

Volker Reimann 22 Artikel
Mag. Volker Reimann ist TrendScout für virtuelle Realität, Games und interaktives Bewegtbild. Er ist überzeugt davon, dass bald schon über gezielte Nervenstimulation realitätsnahe Projektionen direkt in das menschliche Hirn möglich sind.

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