Interview mit Madita Selas zum Zertifikatskurs Regieassistenz des Erich Pommer Instituts

Zertifikatskurs Regieassistenz Madita Selas
Weiterbildung Film (Symbolbild) | © Foto: freepik

Madita Selas arbeitet als 1. Regieassistentin. Sie gehört zum Dozententeam des Zertifikatskurses Regieassistenz, den die Filmuniversität Babelsberg gemeinsam mit dem Erich Pommer Institut zwischen Oktober 2021 und Dezember 2021 berufsbegleitend anbietet. Madita erzählt im Interview mit Filmpuls, warum sie ihren Job liebt und weshalb dieses Weiterbildungsangebot auch für Quer- sowie Wiedereinsteiger*innen interessante Perspektiven bietet.

Madita Selas kommt direkt vom Dreh zum Interview, klingt aber trotz eines langen Arbeitstags frisch und fröhlich. Im Dialog mit ihr spürt man, dass sie ihre Worte sehr sorgfältig und gezielt wählt. Wohl auch darum, weil die Fähigkeit, überlegt zu kommunizieren, mit zu den Schlüsseleigenschaften des Berufs der Regieassistenz gehört. Umgekehrt ist die Begeisterung unüberhörbar, als Dozentin am Zertifikatskurs Regieassistenz des Erich Pommer Instituts mitwirken zu dürfen und zur Professionalisierung dieses Berufsbilds in Deutschland beitragen zu können.

© Foto: zVg
Madita-Selas-1.-Regieassistenz

Madita Selas arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt beim Film. In ihr Portfolio gehören 14 Projekte, die sie in der Funktion der 1. Regieassistentin begleitet hat. Darunter sind bekannte Kinospielfilme wie „Das Tagebuch der Anne Frank“ (Regie: Hans Steinbichler), Netflix-Serie wie „How to Sell Drugs Online (Fast)“ von Regisseur Arne Feldhusen, die in der Film-Reihe Tatort dieses Jahr erscheinende Folge „Und immer gewinnt die Nacht (Arbeitstitel)“ unter der Regie von Oliver Hirschbiegel, aber auch Imagefilme, Werbefilme und Musikvideos.

Eingestiegen in die deutsche Filmindustrie ist Madita als 2. Regieassistentin, wo sie bei 34 Film- und Videoprojekten nicht nur in Deutschland, sondern auch in Osteuropa, in Frankreich, der Schweiz und im Vereinigten Königreich (UK) wertvolle Erfahrungen in der Filmproduktion sammeln konnte.

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Filmpuls:Madita, wie würdest du für unsere Leser*innen den Job der Regieassistenz beschreiben?

Madita Selas:Die Regieassistenz umfasst Organisation und Management. Dabei hast du unglaublich viele kreative Menschen um dich herum. Du bist die Person, welche diese Kreativität erfassen und letztlich in ein Schriftstück, in einen Plan bringen muss, den alle auf dem Set verstehen. Darum ist die Kommunikation enorm wichtig. Weil das Kreative in den Köpfen der Autoren und der Regie oftmals zuerst in realisierbare Bestandteile übersetzt werden muss. So gesehen ist der Zusatz „Assistenz“ richtig. Sonst aber ist der Beruf eher keine assistierende Funktion im eigentlichen Wortsinn.

Filmpuls:Was unterscheidet die 1. Regieassistenz von der Tätigkeit der Produktionsleitung?

Madita Selas:Produktionsleitung ist, einfach erklärt, das Bindeglied zwischen Geld und Produktion. Sie verpflichtet die Teams und kontrolliert die Kosten. Als gute Regieassistenz hast du natürlich auch einen Blick auf die Produktionsmittel. Du möchtest das Budget optimal einsetzen. Aber Budgetierung und Kostenkontrolle und alles, was dazu gehört, das ist bei der Funktion Regieassistenz nicht die erste Priorität. Wir bauen die Brücke zwischen Kreation und Produktion.

Filmpuls:Wie muss ich mir ein Berufsleben als Regieassistenz vorstellen?

Madita Selas:Die Mehrheit meiner Berufskolleg*innen sind freie Angestellte (Freelancer, Anm. d. Redaktion). So wie ich auch. Aber du bist trotzdem für einen längeren Zeitraum in gleichen Team an einem Arbeitsort tätig. Wenn es um einen Kinofilm geht, starte ich meistens zwei bis drei Monate vor Drehbeginn. Die Größe und Schwierigkeit des Projekts bestimmt meinen Aufwand. Bei einem Fernsehfilm oder einer Serie startet mein Job meistens vier bis fünf Wochen vor dem Drehstart. Drehs dauern in der Regel mindestens fünf Wochen, bei Serien mehrere Monate.

Filmpuls:Was ist das Schönste an der Tätigkeit der Regieassistenz?

Madita Selas:Ich bin jedes Jahr mit bis zu drei Projekten unterwegs. Dies mit einer Vielzahl von Leuten, verschiedenen Firmen und für die unterschiedlichsten Filmvorhaben. Diese Abwechslung ist einzigartig. Und bei nahezu jedem Filmdreh kommst du an Orte und Locations, an die man sonst niemals hinkommt, was ich als unfassbar großartig empfinde. In meinem Job gibt es keinen Einheitsbrei! Es gibt jeden einzelnen Tag etwas Neues.

Wenn du mit offenen Augen und Ohren durch dein berufliches Tun gehst und du die richtigen Voraussetzungen mitbringst, stehen dir die Türen offen.
Madita Selas

Filmpuls:Die Kehrseite vieler Traumjobs ist, dass man damit kaum seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Hand aufs Herz: Wie ist das bei dir?

Madita Selas:Ich kann davon leben, so wie von jedem anderen, vielleicht aber langweiligerem Beruf, den ich mit weniger Leidenschaft ausfüllen würde. Ja, das hat natürlich ein bisschen was gedauert, bis ich mich in der Branche etablierte, aber es gehört gar so nicht viel dazu. Wenn du weißt, was diesen Job ausmacht, du mit offenen Augen und Ohren durch dein berufliches Tun gehst und du die richtigen Voraussetzungen mitbringst, dann stehen dir die Türen offen. Also damit den Lebensunterhalt zu erzielen, das ist auf jeden Fall drin.

Filmpuls:Welche „gewisse Voraussetzungen“ sind das, die du da anklingen lässt?

Madita Selas:Du brauchst halt wie bei jedem seriösen Beruf das geforderte Grundlagenwissen. Darum bekommst du im Zertifikatskurs Regieassistenz auch Themen wie Grundlagen der Team- und Gesprächsführung, Stressmanagement und Reaktanz angeboten. Du übst da aber auch fachlich enorm wichtige Dinge: Zum Beispiel, wie man einen Zeitablaufplan und eine Tagesdisposition oder Drehbuchauszüge erstellt, was professionelle Terminplanung und Koordination in der Drehvorbereitung bedeutet, du machst Praxisübungen mit entsprechender Software und lernst, wie ein Drehbuch aufgebaut ist. Du erhältst daneben Grundlagenkenntnisse der Dramaturgie vermittelt, du erfährst, was szenische Auflösung bedeutet, das erstreckt sich über Bildgestaltung und Inszenierung bis hin zu den Schnittstellen Script Supervision, VFX und Storyboard. Es gibt auch Bereiche des Urheberrechts, Persönlichkeitsrechts und der Komparserie, Casting, Stunts und SFX, die du verstehen musst, um Fehler zu vermeiden.

Filmpuls:Hat jede erfolgreiche Regieassistenz einen solchen Zertifikatskurs besucht?

Madita Selas:Nein! Aber du kannst von erfahrenen Filmschaffenden in einer Weiterbildungsstruktur zuverlässiger lernen, was du als Regieassistenz alles wissen musst, um in deinem Job erfolgreich zu arbeiten.

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Filmpuls:Lerne ich das nicht besser mit Praktika auf dem Set?

Madita Selas:Training on the Job ist enorm wichtig. Aber bis du alles kannst, was ich dir aufgezählt habe, so lange willst und darfst du gar keine Praktika absolvieren. Klar, du beginnst meist als zweite Regieassistenz. So sammelst du wertvolle Erfahrungen, ohne die es nicht geht. Auch weil du herausfinden willst, ob du auf ein Filmset gehörst. Dann aber kommt irgendwann der Punkt, an dem du den nächsten Schritt tun willst. Ohne Weiterbildung musst du dich in diesem Moment darauf verlassen, dass du mehr oder weniger zufällig bisher bei deinen Projekten alles lernen konntest, was du für den nächsten Schritt benötigst. Das ist immer wieder ein Problem. Es besteht ein echter Mangel an 1. Regieassistenzen in Deutschland. Auch, weil sich unser System von dem in anderen Ländern unterscheidet.

Filmpuls:Darum der Ruf nach Weiterbildung und Nachwuchsförderung?

Madita Selas:Ja. Wie zuvor erwähnt: Alle in der Branche suchen nach guten Leuten! Wenn du etwas Praxiserfahrung hast und weißt, was der Job der Regieassistenz beinhaltet und mit Menschen umgehen kannst, sind die Türen offen. Besonders auch für Personen, die schon Erfahrung auf dem Set haben, so wie Aufnahmeleiter oder Set-Aufnahmeleiter oder anderen Personen in logistischen Funktionen beim Film oder Leute mit Vorerfahrung in anderen filmischen Berufen.

Filmpuls:Entschuldige bitte unsere Hartnäckigkeit, aber irgendwo muss doch ein Hacken sein?

Madita Selas:Na ja, es gibt Momente in diesem Job, da bist du froh, wenn du wenig Schlaf benötigst (lacht). Was mir spontan noch dazu einfällt: Du bist als Regieassistenz immer nur so gut, wie das Team, das dich umgibt. Dein Team ist während dem Projekt wie eine Familie. Nur gemeinsam ist man stark. Damit will ich nicht sagen, dass nicht auch mal Spannungen entstehen können. Dann musst du, auch wenn du innerlich kochst, kontrolliert bleiben. Dazu muss man sich selbst gut kennen.

Ich habe gelernt, meine innere Unruhe zur äußeren Ruhe werden zu lassen.
Madita Selas

Filmpuls:Wie hast du dich selbst gut kennengelernt?

Madita Selas:Das geschieht auf dem Set bei den meisten Menschen automatisch. Ich bin überzeugt, man kann immer Neues lernen, auch was deine eigene Person betrifft. Bei unserem Lehrgang sind darum ausdrücklich auch Quer- sowie Wiedereinsteiger*innen und Studienabgänger*innen willkommen!

Filmpuls:Was verbindest du als freiberufliche Regieassistentin mit dem Erich Pommer Institut?

Madita Selas:Also ich bin da gelandet, weil ich ein ganz großer Fan davon bin, was die machen und wie sie es machen: Weiterbildung in kompakter Form gepaart mit praktischem Fachwissen. Die stellen sich hin und sagen: Wir zeigen euch auf, wie’s geht und versorgen euch mit relevanten Themen und Praxiswissen. Wer aus diesem Netzwerk kommt, dem traue ich viel mehr zu als einer Person, die „nur“ ein Praktikum gemacht hat!

Filmpuls:Verrätst du uns zum Abschluss dieses Interviews, was dein eigenes Karriere-Rezept war?

Madita Selas:An oberster Stelle würde ich nach fünfzehn Jahren in diesem Beruf sagen, das waren Flexibilität und Verständnis von und für meine Mitmenschen, Menschenkenntnis! Und dann sag’ ich noch Multitasking und Kommunikationsgeschick, was ich zuerst lernen musste. Und natürlich meine Leidenschaft für Filme und Serien und meine Freude an der Zusammenarbeit mit außergewöhnlich kreativen Menschen.

Dieses Gespräch mit Madita Selas wurde Filmpuls vom Erich Pommer Institut vermittelt und erfolgte im Sommer 2021. Die Umsetzung des Interviews erfolgte unter alleiniger redaktioneller Hoheit von Filmpuls durch Kristian Widmer. Ein herzliches Dankeschön geht an Madita Selas und an alle Beteiligten für ihre Zeit und für den ehrlichen Dialog über den Beruf der Regieassistenz.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 01.07.2021

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