»Irgendwas mit Medien« | Interview mit Produzentin Helga Löbel zur neuen ARD-Serie

helga löbel UFA irgendwas mit medien interview
Mirko Muhshoff, Jano Kaltenbach und Dominique Horwitz in der TV-Serie "Irgendwas mit Medien" | © ARD

Die ebenso unterhaltsame wie überraschende Serie „Irgendwas mit Medien“ ist das Erstlingswerk der beiden jungen Filmemacher Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach. Sie haben geschafft, wovon viele träumen: mit der UFA Serial Drama-Produzentin Helga Löbel eine erfahrene Produzentin einer renommierten Produktionsfirma für ihre originelle Serienidee zu begeistern und eine Serie umzusetzen, welche keinen Medienmacher kaltlässt. Das ist umso bemerkenswerter, als dass die zwei Talente gleich für Drehbuch und Regie verantwortlich sind und zusätzlich auch noch überzeugend die tragenden Hauptrollen der Serie spielen.

Die für die Mockumentary-Serie „Irgendwas mit Medien“ verantwortliche UFA-Produzentin Helga Löbel erklärt im Interview mit Filmpuls, warum sie vom Talent von Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach von Beginn weg begeistert war. Und wie sie die mit einer Serienproduktion einhergehenden Risiken mit den für junge Filmemacher erforderlichen Freiräumen in der Zusammenarbeit mit der Redaktion des MDR erfolgreich vereint hat.

Filmpuls:Eine Zusammenarbeit von jungen Talenten wie Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach mit einer erfahrenen Produzentin wie du es bist, und die mit der UFA erst noch einen großen Player im deutschen Produktionsgeschäft im Rücken hat – das muss doch bei jungen Filmemachern erstmals auch etliche Ängste auslösen. Wie seid ihr damit umgegangen?

Helga Löbel:Wir haben ganz viel am Anfang darüber gesprochen. Und zwar aus allen möglichen Perspektiven. Natürlich waren Ängste da. Das war mir auch klar, dass man die haben muss. Wir haben diese Ängste immer sehr offen besprochen und hatten dann eine Verabredung: Wir machen quasi die Bühne und den Teppich bereit, und Mirko und Jano dürfen sich dann darauf austoben. Wir stecken als Produktion den Rahmen und helfen. Aber es ist ihre Show. Erst wenn man diesen Rahmen, die Bühne verlässt, dann müssen wir alle sprechen. Es ist unheimlich wichtig, einander vertrauen zu können. Ich habe auch klargemacht, dass wir als UFA und ich als Produzentin alles dafür tun, dass die beiden performen und abliefern können. Das würden Jano und Mirko bestimmt auch so unterschreiben.

© Foto: UFA
Helga Löbel UFA Produzentin

Helga Löbel (* 1982) ist Produzentin UFA Serial Drama & UFA Fiction.Von 2004 bis 2009 studierte sie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf Film- und Fernsehproduktion.

Nachdem sie als Producerin die Kinderserie KiKANiNCHEN für den KIKA auf den Weg brachte, wechselte sie zur UFA Serial Drama in das Team von GUTE ZEITEN, SCHLECHTE ZEITEN. 2016 ging Helga Löbel zum Kindersender Nickelodeon, wo sie bereits die erste Staffel der Teenagerserie SPOTLIGHT betreute, welche sie bis heute bei der UFA produziert und dessen 6. Staffel seit Dezember 2023 auch international bei Paramount+ zu sehen ist und aktuell im Free-TV bei Nickelodeon läuft. Im November 2016 kehrte sie zur UFA zurück und entwickelt und verantwortet dort seitdem den Geschäftsbereich Kids & Young Adults.

Zu den Produktionen von Helga Löbel gehören neben SPOTLIGHT, die seit Februar 2021 auf RTL+ streambare Young Adult Serie EVEN CLOSER – HAUTNAH und die im September 2022 gestartete Serie KALTSTART für den KIKA, welche auch auf kika.de abrufbar ist. Ihre neueste Produktion, die 8-teilige Mockumentary-Serie IRGENDWAS MIT MEDIEN, startet am 14. April 2023 in der ARD Mediathek.

mehr ...

Filmpuls:Die Serie „Irgendwas mit Medien“ ist ein Erstlingswerk. Schläft man da gut? Als Produzentin musstest schließlich auch du, wie du es so schön sagst, liefern?

Helga Löbel:Man kann schon sagen, die Ängste sind gegenseitig. Aber mit anderem Inhalt. In der Produzentenfunktion hast du natürlich die Verantwortung, eine Serie zu dem Preis, der eben mit einem Sender verabredet ist, in der vereinbarten Drehzeit auch abzuliefern. Dann denkst du schon: Ja, hoffentlich schaffen die das, die haben 22 Drehtage dafür, hoffentlich schaffen sie das. Hoffentlich kriegen die das hin und liefern. Die haben noch nie so lange gedreht, noch nie so viel geschnitten, noch nie so lange am Stück gedreht. Und im Schnitt ist es doch so: Wer kreativ arbeitet, macht so lange rum, bis jemand kommt und es ihm wegnimmt. Also, das ist dann schon Angst gegen Angst, beziehungsweise, wie ich eher sagen würde, gerechte Risikoverteilung. Darum ist das gegenseitige Vertrauen, das beidseitig wachsen muss, so enorm wichtig.

Filmpuls:Bekommen Frischlinge in der Branche tiefere Budgets zugesprochen, als erfahrene Macher?

Helga Löbel:Ich würde nicht sagen, dass wir weniger investieren und riskieren. Weil jedes Projekt, was ich angehe oder betreue, ja mit der gleichen Intensität und Liebe zum Detail und mit dem gleichen Kommunikationsaufwand im Sender einhergeht. Also, ich mache da keine Unterschiede. Natürlich ist eine TV-Redaktion ein wichtiger Partner und will auch involviert sein, und das in hohem Maß und zurecht. Da kann ich nicht kommen und sagen: „Das hier ist irgendwie ein Nachwuchsding, es kostet weniger, und deswegen gibt es hier nur die halbe Zeit für den kommunikativen Austausch und Abgleich!“ Wir haben bei „Irgendwas mit Medien“ genauso gearbeitet wie in TV-Formaten, bei denen erfahrenere Kolleginnen und Kollegen dabei sind. Diese Strategie hat sich in jedem Fall gelohnt, zum einen, weil es einfach ein wahnsinnig gutes Produkt geworden ist, das hat wirklich eine ganz, ganz tolle Qualität erreicht. Und zum anderen, weil das natürlich in deiner Arbeit als solches ein Riesengewinn ist, natürlich und hoffentlich auch für zukünftige Projekte. Diese Produktion mit Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach war für mich ein Riesengeschenk.

Filmpuls:Hatten Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach dich für eine Zusammenarbeit kontaktiert?

Helga Löbel:Wir kannten uns bereits. Die Zwei haben mit ihrem Stoff ein Förderprogramm absolviert. Sie haben beide in Weimar studiert und sind mit ihrer Idee in diese Förderschiene reingegangen. Ich war in dem Programm eine der Mentorinnen. Nach einem Jahr war das Projekt auf Papier entwickelt und ein bisschen was gedreht und geschnitten, aber sie sind nach Ende des Förderprogramms in einer Sackgasse gelandet. Dann sind Jano und Mirko auf mich und die UFA zugegangen, um den Stoff weiter zu optimieren. Und wie immer hat es dann ein kleines bisschen noch gedauert, bis wir wirklich loslegen konnten. Wie es dann immer so ist. Ein Stoff muss an die richtigen Menschen geraten. Ich hatte das große Glück, damit beim MDR zu landen. Deren Redaktion hat genau wie ich sofort das Potenzial darin gesehen, was da eben zu sehen war.

Filmpuls:Was war denn zu sehen? Talent?

Helga Löbel:Genau. Dieses Unbedingte, zu dem man Talent sagen kann, das öffnet Türen, wenn es Menschen mitnehmen und mitreißen kann. Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach sind nicht auf einer Filmschule gewesen. Das heißt, sie haben diese ganz klassischen Lehrgänge, was ja normale Filmhochschüler, Regie, Autoren und so weiter absolvieren, nicht durchlaufen. Sie haben aber trotzdem nach dem Studium, das war schon etwas unheimlich, das Handwerkszeug schon gehabt! Das ist für mich insofern Talent, weil das einen starken Willen zum Selbststudium, zum Nachdenken, Überlegen und Recherchieren zeigt.

Stream (gratis) | ARD MEDIATHEK
Irgendwas mit Medien: Zwischen Uni-Wahnsinn, Selbstverwirklichung und der ganz großen Kunst

Filmpuls:Glaubst du, dass beim Film die Kunst das Handwerk stärker braucht, als das Handwerk die Kunst?

Helga Löbel:Über das normale Maß hinaus lernen wollen und an seinem Wissen zu arbeiten ist vielleicht nicht so das Klischee vom gottgegebenen Talent. So, ich bin von der Muse geküsst, aufgewacht, und da war eine Idee da. Ich glaube, dass das ganz, ganz viel Fleiß ist, weil Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach diese Serie unbedingt machen wollten. Nenn es Handwerkszeug oder nenne es Talent, aber sowas siehst du im Material in der ersten Minute, dass das da ist.

Filmpuls:Wie war das denn bei dir, dein Karriereweg?

Helga Löbel:Ich hab das tatsächlich, so wie Mirko und Jano, auch immer schon machen wollen, was ich jetzt tue: Geschichten erzählen. Schon in der neunten Klasse habe ich ein Schüler-Praktikum gemacht, in einer Produktionsfirma. Dort habe ich verstanden, ah, okay, das ist ja cool: Geschichten erzählen ist ein richtiger Job! Von da an ließ mich der Beruf dann eigentlich nicht mehr los. Damit war auch total klar, dass ich das studieren möchte.

Ich glaube, dass Talent auch aus ganz, ganz viel Fleiß besteht
Helga Löbel

Filmpuls:Der starke Wille verbindet euch mit Lennart, eine der tragenden Charaktere in „Irgendwas mit Medien“. Trotz konstanten Rückschlägen strebt er in höchst amüsanten, auch absurd-peinlichen Situationen pausenlos danach, ganz große Kunst zu machen.

Helga Löbel:Wir haben uns bewusst für eine Dramaturgie entschieden, die hauptsächlich vertikal funktioniert, mit einer leichten horizontalen Entwicklung. Wir haben dazu sehr komplizierte Dramaturgie-Modelle aufgestellt. Die vertikalen und horizontalen Entwicklungslinien kreuzen sich in Folge 4 und sind da ungefähr auf demselben Level, bevor sie bewusst wieder auseinanderdriften. Im Endeffekt sind Lennart und Simon typische Comedy-Charaktere, die nichts lernen. Sie fangen immer wieder von vorn an, so wie in jeder Sitcom. Der Spaß liegt darin, ihnen immer wieder beim Scheitern zuzusehen. „Irgendwas mit Medien“ hätte darum auch ein reines Comedyformat werden können. Aber es war immer schon von Mirko und Jano als Mockumentary gedacht. Mockumentary ist ein sehr unverbrauchtes Stilmittel. Auch wenn es jetzt gerade eine kleine Renaissance hat. Mit diesem Genre hat man auch die Möglichkeit, einfach in der Geschichte woanders hinzuspringen, Sachen auch auszulassen, bewusst zu sagen, nee, wir sehen das jetzt genau nicht. Das finde ich sehr, sehr passend.

Filmpuls:Wenn du die fertige Serie pitchen müsstest, Helga, was würdest du hervorheben?

Helga Löbel:Es ist ein Format, das einfach Spaß macht, und das können wir in heutigen Zeiten alle ganz gut gebrauchen. Wir sehen hier mit Mirko Muhshoff und Jano Kaltenbach zwei neue, völlig unverbrauchte Talente! Man muss ihre Figuren in der Serie einfach lieben. Bei „Irgendwas mit Medien“ gucken wir nicht in was rein, was schon 100-mal gesehen wurde!

Das hier publizierte Interview ist eine gekürzte Transkription eines Videoanrufs, den Kristian Widmer mit Helga Löbel geführt hat.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 13.04.2023

Redaktion Filmpuls 200 Artikel
Unter der Bezeichnung »Redaktion Filmpuls« erscheinen Beiträge, die von mehreren Redaktionsmitgliedern gemeinsam erstellt oder bearbeitet wurden.

Teile jetzt deine Erfahrungen

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Links zu Werbezwecken werden ausgefiltert.


*