Im falschen Film: Die wahre Geschichte des Terroristen, der wegen Dreharbeiten zum Verräter wurde …

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Nein, das sieht nur echt aus, ist aber ein Fake-Foto | © Symbolbild: Pavel Sokolov

Er glaubte im falschen Film zu sein, als er als Statist die Dreharbeiten für ein Propagandavideo des IS miterlebte. Für Harry Sarfo aus Deutschland waren Videos der Auslöser, warum er sich der Terror-Gemeinschaft anschloss. Aber als der 27-Jährige sah, wie ein Video in Tat und Wahrheit produziert wird, entschloss er sich, wieder zu desertieren.

Seit sein Name in den US-Medien aufgetaucht ist, wurde er auch für die breite amerikanische und deutsche Öffentlichkeit zu einem Begriff. Geboren in England, aufgewachsen in Deutschland, sitzt Harry Sarfo heute in einem Hochsicherheitsgefängnis in Bremen.

Im Kalifat war Harry Sarfo Teil einer für Anschläge zuständigen, geheimen Spezial-Organisation. Sie ist Geheimdiensten unter dem arabischen Namen Emni (auf Deutsch: Kein Problem, Anm. d. Red.) bekannt. Emni hatte zur Aufgabe, selbst ernannte Gotteskrieger aus Europa nach erfolgreich absolvierter Terror-Ausbildung als Schläfer zurück in ihre Heimatländer zu senden.

Während seiner Ausbildung in Syrien kamen andere deutsche Kämpfer auf Harry Sarfo zu. Sie baten ihn, bei der Produktion eines deutschsprachigen Propagandavideos mitzuwirken. Der Grund für das Video: «Wir benötigen keine Europäer mehr in Syrien, aber zukünftige Attentäter in Deutschland!» So landete Harry Sarfo im falschen Film. Dieses Video war aber auch der Anfang vom Ende einer Terroristen-Karriere, die ursprünglich im Paradies mit wasserreichen Gärten, Leckereien und nicht alternden Jungfrauen hätte enden sollen:

Alles echt, glaubt Harry Sarfo

In einem Interview erklärt Harry Sarfo, dass er bei den Dreharbeiten für das IS-Propaganda-Video aus allen Wolken gefallen sei. Zu Hause in Deutschland, sei er, wenn er bisher Filme der Terror-Organisation im Internet angesehen habe, immer überzeugt gewesen, ein Video zeige die Wahrheit.

Im falschen Film: Harry Sarfo
Im falschen Film gelandet: Harry Sarfo

Der Clip, in dem er als Statist mitgewirkt hat, irrlichtert auch heute noch im Zusammenhang mit den neu erstarkten Taliban und ihren Geiselnahmen im Internet herum.

Seine Rolle war einfach: Harry Sarfo sollte in der Ortschaft Palmyra mit einer schwarzen Fahne des IS an der Kamera vorbeimarschieren. Doch zum großen Erstaunen von Harry Sarfo ließ der Regisseur die Szene immer wieder wiederholen. Mal ging er zu schnell. Mal zu langsam, dann wieder zu wenig federnd oder die Laienschauspieler waren zu wenig begeistert.

Erst nach einer endlosen Anzahl Einstellungen waren die Terror-Filmer zufrieden.

Im weiteren Verlauf der Dreharbeiten wurden für das Video syrische Gefangene von deutschen Mitgliedern des IS erschossen.

Harry Sarfo sah zu, wie die Gefangenen gezwungen wurden, sich niederzuknien. Als die Hinrichtung vorüber war, wurde gemeinsam diskutiert, ob das Morden und die Mörder vor der Kamera gut genug ausgesehen hätten. Andernfalls würde man die Szene wiederholen und weitere Gefangene vor der Kamera hinrichten.

Erst da begann er zu verstehen, dass die Propagandavideos keine Augenzeugenvideos waren, sondern Teil einer perfekten Kommunikationsmaschinerie. Erst da erkannte er nach eigener Aussage, im falschen Film zu sein.

Nach wochenlanger Planung desertierte er und konnte er in die Türkei flüchten. Am 20. Juli 2015 wurde er am Flughafen Bremen bei der Einreise nach Deutschland verhaftet.

Ohne Kopf geht es nicht

Wäre der Film nicht erst vor 144 Jahren erfunden worden, es wäre spannend zu wissen, wie die Vordenker der Aufklärung mit der Kraft des bewegten Bildes umgegangen wären. Denn darum geht es und darin gleicht der Film am Ende auch dem Leben. Ohne Kopf geht es nicht.

Zumindest in dieser Hinsicht, so die böse Erkenntnis, dürften die radikalen Schergen in Schwarz ebenso wie Harry Sarfo mit uns Andersgläubigen übereinstimmen.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 23.08.2016

Zachery Z. 51 Artikel
Zachery Zelluloid war in der Unterhaltungsindustrie tätig. Er schreibt unter Pseudonym, weil er weder vertraglichen Schweigepflichten verletzen, noch das wirtschaftliche Fortkommen der Berufsgattung Anwalt fördern oder Freunde brüskieren will. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

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