Tonaufnahmen sind die Stiefkinder der Videoproduktion. Ton gehört zwar zu Film dazu, spielt aber zu oft die Nebenrolle. Dabei gibt es wenige Mittel, die kostengünstiger ein Video prägen können. In diesem Artikel findest du eine Anleitung für professionelle Audio-Aufnahmen auf dem Filmset.
Das Aufnehmen vom Ton bestimmt über das, was man gemeinhin Bild-Eindruck nennt, ganz entscheidend mit. Damit du bei Tonaufnahmen das bestmögliche Resultat erzielst, musst du bei den Dreharbeiten auf 17 Regeln achten. Unsere Anleitung erklärt dir auf anschauliche Weise alle wichtigen Punkte bei Recordings von Audio-Tracks auf dem Filmset.
Ton: Lautstärke, Schallpegel und Frequenz
Das Hörorgan des Menschen erkennt Lautstärke nur als Abweichung zu vor-/nachgehenden Toninformationen. Darum wird für die Beschreibung dieser akustischen Information der Schalldruckpegel genutzt. Er wird in dem relativen Wert Dezibel (dB) angegeben.
Unser Gehör ist aber auch hochgradig adaptiv: Es passt seine Sensibilität an den herrschenden Schallpegel an. Deswegen können Geräusche im Hintergrund einer Videoaufnahme aus dem Bewusstsein zurückgedrängt werden. Wirkt ein Reiz über eine gewisse Zeit auf das Ohr ein, gewöhnt sich dieses an den Dauerton. Es beginnt zu ermüden und die Toninformation wird zunehmend als leiser, oder überhaupt nicht mehr als Audio-Information, wahrgenommen.
Die Frequenz – als Hertz (Hz) definiert – gibt die Anzahl der Schwingungen einer Schallwelle pro Sekunde an. Das menschliche Ohr kann Schall im Frequenzbereich von 20Hz bis 20kHz wahrnehmen. Am empfindlichsten ist unser Gehör für Töne im Frequenzband von 3 bis 5 kHz. Darum ist dieser Frequenzbereich bei der Tonmischung von Dialogen oder Videos, bei denen die Verständlichkeit im Vordergrund steht, ganz besonders wichtig.
Zwischen Schalldruckpegel und der Frequenz besteht eine Verknüpfung: Sinustöne mit gleichbleibendem Schalldruckpegel und ändernder Frequenz werden von Menschen als unterschiedlich laut wahrgenommen. Ebenso wird eine technische Pegelveränderung vom Ohr als eine Klangveränderung wahrgenommen.
Jeder Ton, den ein Instrument oder die menschliche Stimme erzeugt, besteht aus Grund- und Obertönen. Obertöne und Grundtöne sind beide immer sinusförmig. Die einzelnen Sinusschwingungen addieren und subtrahieren sich zu einer sog. Hüllkurve. Der Grundton bestimmt die Tonhöhe, die Obertöne definieren den Klangcharakter. Ob wir ein Klavier oder ein Saxofon hören, hängt also immer von den jeweiligen Obertönen ab.
1Ton verzeiht weniger Fehler als das Bild
Der wichtigste Punkt, den du im Umgang mit Tonaufnahmen unbedingt beachten musst, hat mit der Art zu tun, wie unser Hirn Toninformationen verarbeitet. Anders als beim Bild gibt es bei der Wahrnehmung von Ton eine viel kleinere Toleranz für Fehler.
Meist können wir nicht einmal im Detail sagen, was auf der Tonspur nicht stimmt. Instinktiv fühlen wir aber, dass bei der Tonaufnahme ein Fehler passiert sein muss: Der Track klingt falsch, weil er nicht so tönt, wie es die vom Bild präsentierte Umgebung in Realität tut. Zu viel Hall oder ein zu trockener Ton und minimale Abweichungen reichen, um Irritation in unserem Unterbewusstsein auszulösen.
Wie also bekommen wir bei Dreharbeiten für ein Video perfekte Tonaufnahmen?
2Auch die Tonspur will geplant sein
Bei der Planung eines Videos gehört in der Vorproduktion auch ein Konzept für den Ton mit dazu. Tonaufnahmen einfach so mal nebenbei erstellen, führt zu einem zufälligen Resultat. Zufall ist das Gegenteil von Professionalität.
Oftmals reicht es schon, sich den Ton überhaupt zu vergegenwärtigen. Und sich im Rahmen der Vorproduktion zu fragen: wie werden bei dieser Einstellung oder bei jener Szene die Tonaufnahmen rein praktisch gemacht. Dabei hilft ein Storyboard oder Shooting Board ebenso gut, wie bei der Planung der jeweiligen Filmbilder.
Tonleute haben auf dem Set nie den überragenden Status, den eine Kameraperson innehat. Trotzdem darf man ihnen die praktische Ausübung ihrer Arbeit nicht verunmöglichen. Auch sie haben ein Recht auf Vorausplanung, weil sie nur so ihre Funktion professionell ausführen können.
3Arbeite nur zur Not mit dem Mikrofon der Kamera
Es ist unter Profis kein Geheimnis: Das Mikrofon einer Videokamera ist nur als Reserve konzipiert. Bist du mit der Kamera auf einer Reportage und dein Handmikro ist defekt, hast du als Notlösung immerhin noch die Tonaufnahme des Kamera-Mikros.
Ansonsten, d. h. immer, wird mit einem externen Mikrofon gearbeitet!
Auch darum, weil viele Kamerahersteller im Bewusstsein um die Reserve-Funktion des kameraeigenen Mikrofons ihre Aufmerksamkeit beim Entwickeln ihrer Kameras auf die Bildaufnahme-Einheit richten. So findet sich auf der Kamera selten das bestmögliche Mikrofon für die Tonaufnahmen. Sondern das günstigste Modell.
4Ein externes Mikrofon wirkt bei Tonaufnahmen Wunder
In dem Moment, in dem du dir überlegst, dir deine erste Kamera zu kaufen, solltest du zugleich auch ein oder zwei externe Mikrofone einkalkulieren.
Gute Tonaufnahmen werden dir nur mit einem zusätzlichen externen Mikrofon gelingen! Schon für wenig Geld findest du vertretbaren Kamera-Zubehör, der den Ton deiner Videoaufnahmen um Welten verbessert.
5Jedes Mikrofon nimmt den Ton anders auf
Mikrofon ist nicht gleich Mikrofon. Je nach Art der Tonaufnahme wirst du ein Mikrofon mit unterschiedlichen Spezifikationen wählen.
- Ein Mikrofon kann man nach Funktionsweise oder nach Richtcharakteristik unterscheiden.
- Auch nach Art der Schnittstelle (Funkstrecke, XLR, Klinke) kann unterschieden werden.
- Die Richtcharakteristik beschreibt, welcher Raumbereich vom Mikrofon aufgenommen wird. Eine Kugelcharakteristik nimmt den Ton gleichmäßig aus allen Richtungen auf (sog. ungerichtetes Mikrofon). Das Gegenteil davon, das Richtmikrofon, zeichnet den Ton nur an dem exakten Punkt auf, auf den es ausgerichtet wird.
- Gerichtete Mikrofone eignen sich für Dialog und Stimmaufnahmen besonders gut. Dazu gehören Nieren-Mikrofone, die den Ton nierenförmig festhalten: Schallwellen aus dem Hintergrund werden nicht aufgenommen, seitliche Geräusche nur abgeschwächt.
- Nach der Funktionsweise unterscheidet man hauptsächlich zwischen Kondensatormikrofon (unterteilt in zwei Untergruppen: Groß- und Kleinmembran-Mikrofone) und dynamischen Mikrofonen (auch hier mit zwei Typen: Tauchspulen & Bändchen-Mikrofone)
Übersicht Mikrofone und Zubehör für Aufnahmen von Ton bei Videos (von links nach rechts): Funkstrecke, Kugelmikrofon, Richtmikrofon, Mikro mit Nieren-Charakteristik, dynamisches Mikrofon, Windschutz, Ton-Angel
© Fotos bei den jeweiligen Herstellern
Es gibt Alleskönner-Mikrofone. Aber keines, das für alle Zwecke gleich gut ist. Jedes Teil hat seine Vorteile und Nachteile. Je besser ein Mikrofon für die eine Art von Ton geeignet ist, desto schwächer seine Leistung bei einer abweichenden Aufgabe.
6Ohne Kopfhörer geht es nicht
Bei der Aufnahme von Ton kommst du nicht daran vorbei, die Tonqualität live zu kontrollieren. Möglich ist es nur mit dem realen Höreindruck, was dir wiederum nur ein guter Kopfhörer vermitteln kann.
Neben Kamera und Mikrofon ist bei Tonaufnahmen der Kopfhörer das dritte Stück Equipment, an dem du nicht vorbeikommst. Teste dazu einige unterschiedliche Modelle, die zu deinen Preisvorstellungen passen.
Denke daran, dass die Kopfhörerbuchsen, gleich wie auch die Mikrofonanschlüsse, mit den Schnittstellen zu deinem Kameramodell übereinstimmen müssen.
7Ton-Angel oder Ansteckmikrofon?
Die Ton-Angel ist bei Spielfilmproduktionen nicht wegzudenken. Sie gehört mindestens so sehr zum Klischee eines richtigen Films wie die Regie-Klappe.
Die Angel bringt bei Tonaufnahmen das Mikrofon in eine ideale Nähe zur Tonquelle. Ihr Einsatz beim Dreh sieht allerdings um sehr viel einfacher aus, als er in der Praxis ist. Nicht nur muss die Ton-Angel außerhalb des Blickwinkels der Kamera sein, sie muss auch Bewegungen folgen und darf keine Schatten auf die Gesichter der Schauspieler werfen.
Aus diesen Gründen entscheiden sich bei vielen Filmarten die Filmemacher dazu, den Ton mit einem Ansteck-Mikrofon (auch bekannt als Lavaliermikrofon) aufzunehmen.
Moderne Ansteck-Mikrofone sind so klein, dass sie im Bild kaum mehr stören. Zumindest, solange es nicht um Kurzfilmen oder Spielfilme geht, wo ein Mikrofon als Fremdkörper wahrgenommen wird.
Bei dem Einsatz von Lavalier- / Ansteckmikrofonen muss man darauf achten, dass weder ein anderes Kleidungsstück (Jacke, Kragen, Krawatte) noch Kinn, Hals oder die Hand des Trägers mit dem Mikrofon in Berührung kommen! Ansonsten entstehen Störgeräusche, welche die gesamte Tonaufnahme unbrauchbar machen können.
8Ton-Pegel beachten: Input ist Output
Bei Tonaufnahmen muss der Ton-Pegel stimmen. So einfach und so schwierig. Auch hier gilt erneut, dass Input gleich Output ist.
Pegeln kannst den Ton bei der Aufnahme entweder manuell oder automatisch, und mit Software-Unterstützung. Profis wählen zur Erzielung einer optimalen Aufnahmequalität einen Mittelweg aus drei Variablen:
- dem Abstand des Mikrofons zur Quelle des Tons
- der manuellen Aussteuerung des Tonträgers
- und dem Einsatz von Software.
Vielfach wird bei der Aufnahme der Ton überwacht und die automatische Pegelung, wo erwünscht, händisch nachgepegelt.
9Stille gehört beim Ton dazu
Kein Dreh, keine Videoaufnahme und kein Film darf nach Drehende in den Schneideraum kommen, ohne dass für jede einzelne Sequenz jeweils mindestens 10 Sekunden „Stille“ als Tonspur mit angeliefert werden.
Absolute Stille gibt es in keinem Drehort. Immer und überall gibt es im Ton ein Ambiente. Dieses muss darum separat unbedingt als Ton festgehalten werden, denn nur so kann später im Schnitt die jeweilige Atmosphäre einer Szene gleichbleibend unter alle anderen Töne gelegt werden.
Ton und Geräusche spielen bei der Montage auch darum eine wichtige Rolle, weil sie die einzelnen Einstellungen verbinden und Übergänge flüssiger wirken lassen.
10Achtung bei Aufnahme von Dialogen
Eine besondere Herausforderung ist die Aufnahme von Dialog. Grundsätzlich steht hier jeder Tonmeister und jeder Tonassistent vor einer schwierigen und sogar widersprüchlichen Situation:
- Erstens soll der Dialog möglichst lebensecht aufgenommen werden. Menschen, die miteinander sprechen, fallen sich oft bewusst oder unbewusst am Satzende ins Wort. Dabei müssen es nicht unbedingt Wörter sein, die sich überlappen und im Ton überschneiden. Atemgeräusche, Körperschall oder ein Glas, das abgestellt wird, gehört im Leben dazu, verdirbt eine saubere Dialogaufnahme aber unwiderruflich.
- Zweitens, wie schon skizziert, sollte der Tonmeister für die Audiomischung alle Tonaufnahmen möglichst separiert bekommen, also auch die Dialoge möglichst als Monologe.
Die Verantwortlichen für die Tonaufnahmen haben darum nur zwei Optionen:
- Sie können die Darsteller bitten, ihre Texte einzelnen zu sprechen, was bei einer Streitszene die Authentizität weitgehend zerstört. Allein schon, weil Sprachtempo und Ausdruck sich fast immer von einer 2er-Szene unterscheiden.
- Oder sie „verschränken“ die Dialoge schon bei der Tonaufnahme unwiderruflich und nehmen der Mischung damit einen Teil der kreativen Gestaltungsmöglichkeit.
Welcher dieser zwei Wege bei der Produktion gewählt wird, muss mit Regisseur, Produzent und der verantwortlichen Person für die Postproduktion abgestimmt werden.
11Nähe zur Tonquelle bedeutet Qualität
Tonaufnahmen werden bei der professionellen Film- und Videoproduktion nahezu immer in der Audiopostproduktion nachbearbeitet. Auch für den Filmton gilt das uralte, aber hoch bewährte Filmprinzip „Input gleich Output“.
Was bedeutet das? Ganz einfach: wo der Originalton nicht optimal ist, lässt sich daraus nicht – oder nur mit sehr viel Aufwand, Geld und Mühe – eine qualitativ gute Tonmischung erstellen.
Darum möchtest du bei Tonaufnahmen den Originalton in optimaler Qualität aufnehmen. Dazu muss das Mikrofon möglichst nahe an die Tonquelle heran.
12Ton bei der Aufnahme isolieren
Aber nicht nur der Abstand zu einer Tonquelle entscheidet über professionelle Tonaufnahmen. Wichtig ist es auch, die einzelnen Töne bei der Aufnahme möglichst isoliert aufzuzeichnen.
Je sauberer und für sich alleinstehend ein Geräusch aufgezeichnet ist, desto besser lässt es sich später in der Tonmischung bearbeiten.
Überlappungen von Ton, Hall oder Lautstärken sind in der Tonbearbeitung mit einem Mausklick simuliert. Vom umgekehrten Weg kann man das nicht sagen: Geräusche oder sogar Stimmen bei einer Tonaufnahme auf digitalem Weg zu isolieren, gelingt selten in befriedigender Qualität.
13Störgeräusche bei der Tonaufnahme vermeiden
Viele Tonaufnahmen sind das Opfer von Störgeräuschen, die beim Dreh während der Tonaufnahme nicht wahrgenommen wurden und darum nicht verhindert werden konnten.
Die richtige Wahl eines Mikrofons hilft, den Geräuschpegel einer viel befahrene Straße im Hintergrund des Drehortes zu minimieren. Besser ist es, gar keine Störgeräusche zu haben. Dieser Punkt führt uns zurück zur Planung, wo der Ton auch schon bei der Wahl der Drehorte ein Wörtchen mitreden können muss.
14Windschutz nicht vergessen
In jede Tonausrüstung gehört nicht nur ein externes Mikrofon, sondern auch ein Windschutz. Ein Windschutz verhindert Störgeräusche durch Wind und Windböen. Weil die entsprechenden Schutzbezüge oftmals eine fellartige Struktur haben, werden sie auf dem Filmset im deutschsprachigen Raum auch bisweilen „Dackelfell“ genannt.
15Kontrolliere den Ton vor, während und nach der Aufnahme
Wegen mangelhaften Tonaufnahmen eine Szene wegschmeißen müssen, das ist der Albtraum vieler Regisseure. Denn einen Dreh zu wiederholen ist meist keine Option, weil zu teuer oder terminlich unmöglich.
Gegen solche Horrorszenarien hilft nur die Kontrolle der Tonqualität vor, während und nach der Tonaufnahme. Wer nicht kontrolliert, setzt die Qualität seines Videos unnötigen Risiken aus.
16Rechte am Ton: Achtung auf Persönlichkeitsrechte!
Es gibt nicht nur Rechte am Bild, auch am eigenen Ton / Klangbild seiner Stimme kann man einen Rechtsanspruch haben. Man kennt das von der Musik, wo es vorwiegend um Urheberrechte geht. Bei Tonaufnahmen von Menschen jedoch geht der rechtliche Aspekt vielfach komplett vergessen! Dies besonders bei Filmen, die keine Spielhandlung haben. Tonrechte umfassen aber nicht nur Urheber-, sondern auch Persönlichkeitsrechte.
Die gesetzliche Regelung zum Recht am eigenen Ton ist in Deutschland unmissverständlich geregelt: Tonaufnahmen, die von jemandem ohne Zustimmung erstellt werden, sind ein Straftatbestand nach § 201 respektive § 201a StGB.
Nicht nur die Aufnahme, auch der spätere Gebrauch oder die Zugänglichkeitsmachung einer Tonaufnahme für andere Personen, sei es durch Veröffentlichung oder Weitergabe, ist nach dem Strafgesetz (zusätzlich zur eigentlichen Tonaufzeichnung) strafbar.
17Tonspur bearbeiten
Gute Tonaufnahmen zeichnen sich immer auch dadurch aus, dass sie sorgfältig nachbearbeitet werden. Ebenso wie Videoaufnahmen in der Color Correction farblich optimiert werden, wird auch der Ton in der Mischung exakt auf den jeweiligen Zweck und die angestrebte kreative Wirkung zugeschnitten.
Nahezu jede Editier-Software ermöglicht dir heute eine weitgehende Tonbearbeitung. Viele dieser Programme zur Bearbeitung von Videos sind sogar kostenlos erhältlich.
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 13.10.2021
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