Führungskräfte vor der Kamera: Man spürt die Absicht und ist verstimmt

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Illustration: Katerina Limpitsouni

Nicht alles, was ein Mitarbeiter oder eine Führungskraft ist, gehört in einem Unternehmensvideo vor die Kamera, schreibt Carlo P. Olsson.

Man staunt immer wieder auf neue, wer in Auftragsproduktionen sein Gesicht in die Kamera hält. Führungskräfte, die aussehen, als müssten sie sich sogleich von Nervosität übergeben. Mitarbeitende, bei denen man gegen den Wind spürt, wie „freiwillig“ ihr Auftritt im firmeneigenen Imagefilm ist.

Getoppt werden derlei Ungeheuerlichkeiten nur noch dann, wenn es auch noch gilt, in einem Video zu sprechen. Mühsam memorierte Sätze, dem Zuschauer angestrengt um die Ohren geschlagen, Formulierungen, die kein Mensch bei Sinnen dermaßen verstiegen in freier Rede von sich geben würde.

Klar, der Boss ist der Boss. Und wer zahlt, befiehlt. Jeder Auftraggeber hat das Recht, sich mit einem Auftritt in einem Firmenvideo lächerlich zu machen!

Nur: Das bei derartigen Peinlichkeiten oft an den Haaren herbeigezogene Argument der Authentizität hilft hier nicht. Niemand käme auf die Idee, ein verdrecktes Klo als wünschenswert zu bezeichnen, nur weil es authentisch ist.

Das Wundermittel, das bei Videos den überzeugenden Auftritt vor der Kamera gewährleistet, ist längst erfunden. Es heißt Casting. Erst der Blick durch die Kamera offenbart den Unterschied zwischen Naturtalent und Anfänger.

Wer sich um die Qualität bemüht, muss als Videoproducer den Mut aufbringen, seine Kund*innen offen und ehrlich darüber zu informieren, dass nicht jeder Auftritt vor der Kamera für die Wirkung eines Videos von Vorteil ist. Dies auch bei einem Manager mit einem Kameratest zu evaluieren ist nicht peinlich. Sondern professionell.

Offenbaren sich bei einem kurzen Kameratest, der in wohlüberlegten Fällen sogar mit einem Smartphone erfolgen kann, Unsicherheiten, geht die Welt nicht unter. Im Gegenteil.

Abhängig von der Wichtigkeit der betroffenen Person kann man – offenbart sich im Casting fehlende Routine im Umgang mit Kameras – mehr oder weniger Zeit in ein Training investieren. Das kann, muss aber nicht ein klassisches Medientraining sein. Wer sich als Führungskraft im Büro von seinem Assistenten oder im privaten Raum von einem Familienmitglied einmal pro Tag mittels Smartphone mit einem Videostatement aufzeichnen lässt, wird bald einmal seine Scheu vor der Kamera verlieren.

Wer dabei nicht in die Gänge kommt, wird als zur Selbst-Reflexion fähiger Manager erkennen, dass Video möglicherweise für die eigene Person das falsche Kommunikationsmittel ist.

Meist aber ist es nicht die fehlende Eignung zum Medienstar, sondern der mangelnde Wille zum Training, der den eigenen Auftritt in einem Unternehmensvideo scheitern lässt.

Übung macht den Meister.

Wer ohne Zwang und Druck vor der Kamera übt, stellt sicher, dass er nicht über seine eigenen, guten Absichten stolpert und sich nachher über seine ungelenke Darbietung im Video grün und blau ärgert. Und sich damit zum Clown macht.

Carlo Olsson 99 Artikel
Carlo Olsson begleitet die Herstellung von Filmen, Videos und TV-Serien im Auftrag von Unternehmen, Agenturen und Produktionsfirmen. In seiner Freizeit spielt er Eishockey und beschäftigt sich mit barocker Klangdramatik.

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