Die Kunst der Figurenentwicklung für Film und Serien: Zwischen Klischee und Komplexität

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Starke Charaktere, starke Story | © Illustration: Sokolov

Was treibt die größten Film- und Serienhelden wirklich an? Ist es ihr offensichtliches Ziel, den Schatz zu finden, den Feind zu besiegen, die Liebe zu gewinnen? Oder steckt hinter ihrem äußeren Wunsch eine tiefere und innere Wahrheit, die ein Filmcharakter erst selbst entdecken muss? Spannende Geschichten leben von Filmfiguren, die nicht nur etwas erreichen, sondern sich dabei auch verändern. Doch erst das Zusammenspiel von äußeren Zielen und inneren Bedürfnissen in der Figurenentwicklung macht sie wirklich unvergesslich. Warum das so ist und wie innere Konflikte die Handlungen einer Figur formen, erfährst du in diesem Artikel.

Als Drehbuchautor oder Filmemacher musst du dich mit Character Development beschäftigen, weil lebendige Filmfiguren den Unterschied zwischen einer vergessenen und einer unvergesslichen Geschichte ausmachen. Charaktere mit klaren Zielen, inneren Konflikten und Entwicklung schaffen emotionale Tiefe, treiben die Handlung voran und ermöglichen es dem Publikum, sich mit ihnen zu identifizieren.

Welche primären Ziele verfolgen Hauptfiguren in Filmen und Serien typischerweise?

Typischerweise verfolgen Hauptfiguren in Filmen und Serien primäre Ziele, die ihre Handlungen und die Entwicklung der Geschichte und die Charakterentwicklung maßgeblich bestimmen. Diese Ziele eines Filmcharakters lassen sich oft in zwei Kategorien einteilen: äußere Ziele (Wünsche oder Wants) und innere Ziele (Bedürfnisse oder Needs).

Funktion der äußeren Ziele (Wünsche/Wants) bei der Entwicklung von Charakteren:

  • Handlung vorantreiben:

    Das sichtbare Ziel, das die Handlung vorantreibt, steht im Zentrum der Figurenentwicklung. Dies ist das, was der Filmcharakter aktiv zu erreichen versucht und was dem Publikum in der Regel bewusst ist. Beispiele hierfür könnten sein, ein bestimmtes Objekt zu erlangen, eine Person zu retten, einen Wettbewerb zu gewinnen oder einen Feind zu besiegen.

  • Motivation erklären:

    Äußere Ziele sind in der Charakterentwicklung oft mit der Motivation der Figur verbunden. Der Wunsch beantwortet die Frage „Was will die Filmfigur?“, während die Motivation erklärt, „warum“ sie es will. Diese Motivation kann vielfältig sein, wie Rache, finanzielle Notwendigkeit, Ehrgeiz oder der Wunsch nach Anerkennung.

  • Motor für Konflikte:

    Ein Motor für den Plot. Die Verfolgung des äußeren Ziels erzeugt Ereignisse, Konflikte und Wendungen in der Geschichte. Hindernisse, die sich der Erreichung des Wunsches in den Weg stellen, sind ein wichtiger Bestandteil der Dramatik.

  • Veränderung:

    Äußere Ziele können sich im Laufe der Geschichte ändern. Während ein übergeordneter Wunsch bestehen bleiben kann, können sich die unmittelbaren Ziele der Filmfigur in einzelnen Szenen oder im Verlauf der Erzählung wandeln.

Es ist wichtig zu beachten, dass Wunsch und Bedürfnis oft miteinander verbunden sind. Der äußere Wunsch des Filmcharakters kann ein Symptom für ein tieferliegendes inneres Bedürfnis sein. Eine gelungene Geschichte verbindet diese beiden Ebenen im Rahmen der Charakterentwicklung auf sinnvolle Weise und führt zu einer sowohl spannenden Handlung als auch zu einer emotional resonanten Figurenentwicklung.

Funktion der inneren Ziele beim Character Development einer Filmfigur:

  • Heilung:

    Das, was die Filmfigur auf einer tieferen Ebene lernen oder über sich selbst oder die Welt entdecken muss, um vollständig oder „heil“ zu werden. Oft ist der Figur dieses Bedürfnis zu Beginn der Geschichte nicht bewusst oder sie lehnt es sogar ab.

  • Wachstum:

    Treibt die Entwicklung und das Wachstum der Filmfigur voran. Die Auseinandersetzung mit dem inneren Bedürfnis führt zu Veränderungen in der Persönlichkeit, den Überzeugungen oder den Werten der Figur.

  • Erfahrung und Sehnsüchte:

    Sind oft universeller Natur. Während der äußere Wunsch spezifisch für den Filmcharakter sein kann, spiegeln die inneren Bedürfnisse oft allgemeine menschliche Erfahrungen und Sehnsüchte wider, wie der Wunsch nach Liebe, Akzeptanz, Selbstvertrauen oder die Überwindung von inneren Konflikten.

  • Entwicklung:

    Treiben das Thema der Geschichte voran. Die Entwicklung der Figur im Hinblick auf ihr inneres Bedürfnis trägt zur übergeordneten Botschaft oder dem Thema des Films oder der Serie bei.

Die Kombination aus dem, was die Figur will, und dem, was sie benötigt, macht Hauptfiguren komplex, nachvollziehbar und damit letztlich unvergesslich.

Filmcharakter: Wie beeinflussen innere Konflikte die äußeren Ziele?

Innere Konflikte haben einen maßgeblichen Einfluss auf die äußeren Ziele einer Filmfigur. Sie sind erstens oft der treibende Motor hinter dem, was eine Figur äußerlich erreichen will, und sie können, zweitens, auch bestimmen, wie die Figur diese Ziele verfolgt.

Ein äußeres Ziel (Wunsch oder Want) ist das sichtbare Ziel, das eine Figur in der Handlung erreichen möchte. Ein innerer Konflikt bei der Charakterentwicklung hingegen entsteht aus dem inneren Bedarf (Need) der Figur, einer verborgenen Wahrheit über sich selbst oder die Welt, die sie erkennen muss, um vollständig zu werden. Dieser innere Bedarf ist oft mit einem Glaubenssatz oder einer „Lüge“ verbunden, die die Figur daran hindert, das zu erreichen, was sie wirklich benötigt.

Der Wunsch des Filmcharakters ist oft ein Symptom für etwas, das im Inneren der Filmfigur fehlt. Die Figur glaubt vielleicht, dass das Erreichen ihres äußeren Ziels ihren inneren Konflikt lösen wird. Zum Beispiel könnte eine Figur äußerlich nach Reichtum streben (Wunsch), weil sie innerlich unter einem Gefühl der Wertlosigkeit leidet (innerer Konflikt/unbeachteter Bedarf nach Selbstwertgefühl).

Warum es innere und äußere Konflikte beim Filmcharakter braucht

  • Lenkungsfunktion:

    Der innere Konflikt kann die äußere Handlung antreiben, indem er die Motivation der Figur verstärkt oder in eine bestimmte Richtung lenkt. Die Unzufriedenheit oder der Schmerz, der aus dem inneren Konflikt entsteht, können die Filmfigur dazu bringen, ihre äußeren Ziele mit größerem Eifer zu verfolgen.

  • Hürde:

    Allerdings kann der innere Konflikt auch ein Hindernis für das Erreichen des äußeren Ziels darstellen. Wenn die Figur beispielsweise an einem mangelnden Selbstvertrauen leidet (innerer Konflikt), kann dies ihre Fähigkeit beeinträchtigen, ein äußeres Ziel wie die Führung eines Teams zu erreichen. Die Filmfigur muss möglicherweise zuerst ihren inneren Konflikt angehen, um ihr äußeres Ziel erfolgreich zu verfolgen.

  • Konflikte:

    Die Art und Weise, wie eine Figur ihre äußeren Ziele verfolgt, wird oft von ihren inneren Konflikten geprägt. Eine Hauptfigur, die von Schuldgefühlen geplagt wird (innerer Konflikt), könnte beispielsweise versuchen, ihr äußeres Ziel (z. B. eine Beförderung) auf eine Weise zu erreichen, die selbstsabotierend wirkt, weil sie sich innerlich nicht für Erfolg würdig hält.

  • Konfrontation:

    Im Laufe der Geschichte führt die Auseinandersetzung der Figur mit ihren äußeren Zielen oft dazu, dass sie sich auch ihren inneren Konflikten stellen muss. Die Hindernisse und Herausforderungen, denen sie auf dem Weg zu ihrem Wunsch begegnet, können sie zwingen, ihre Überzeugungen und ihr Selbstbild zu hinterfragen und so ihren inneren Bedarf zu erkennen. Diese Erkenntnis und die damit einhergehende Charakterentwicklung können wiederum die äußeren Ziele der Figur verändern oder ihr eine neue Perspektive auf deren Bedeutung geben.

Innere Konflikte haben eine tiefgreifende Wirkung auf die äußeren Ziele einer Figur und deren Charakterentwicklung. Sie können die Motivation für diese Ziele liefern, die Art und Weise ihrer Verfolgung beeinflussen und gleichzeitig interne Hindernisse darstellen, die die Figur überwinden muss, um sowohl ihren äußeren Wunsch zu erfüllen als auch ihren inneren Bedarf zu stillen. Die Spannung zwischen dem, was die Figur äußerlich will und innerlich braucht, ist oft ein Kernbestandteil fesselnder und entwicklungsreicher Geschichten.

Warum sind sowohl „Want“ als auch „Need“ für Filmcharaktere wichtig?

Sowohl „Want“ (das äußere Ziel oder der Wunsch) als auch „Need“ (das innere Bedürfnis) sind für die Entwicklung von Charakteren von entscheidender Bedeutung, da sie unterschiedliche, aber sich ergänzende Funktionen in der Geschichte erfüllen und bei der Figurenentwicklung in Filmen oder Serien maßgeblich zur Tiefe und Resonanz der Filmfigur beitragen.

„Want“ treibt die Handlung voran. Es ist das sichtbare, oft greifbare Ziel, das der Charakter in der äußeren Welt zu erreichen sucht. Dieses Verlangen motiviert die Handlungen des Charakters und lenkt den Plot.

„Need“ hingegen ist das innere, oft unbewusste Bedürfnis des Charakters nach persönlicher Entwicklung, Heilung oder Vervollständigung. Es geht darum, was der Charakter auf einer tieferen Ebene über sich selbst oder die Welt lernen muss, um ganz und heil zu werden. Dieses Bedürfnis steuert das emotionale Gerüst der Geschichte und die thematische Ebene. Das „Need“ entsteht bei der Charakterentwicklung oft aus einem inneren Mangel oder einer „Lüge“, die der Filmcharakter glaubt und die ihn daran hindert, sein wahres Bedürfnis zu erkennen und zu erfüllen.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 23.03.2025

Gabriela Weingartner 27 Artikel
Gabriela Weingartner ist überzeugt, dass der Autor Patrick Süskind recht hat, wenn er sagt: »Man muss gescheit sein, um in der dummen Sprache des Films eine Geschichte klug erzählen zu können.«

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