Was sind Emotionen und wie funktionieren Gefühle in Videos?

Emotionen Gefühle Stimmung Laune
Sieht so Glück aus? | © Foto: Pavel Sokolov

Früher hat man zwischen emotionaler und funktionaler Werbung unterschieden. Heute gilt diese Trennung als veraltet. Genauso wie die Unterscheidung zwischen Emotionen und Gefühlen.

Produkt und Marke müssen in der Kommunikation wie auch im Marketing immer als untrennbares Gesamtpaket betrachtet werden. Darum ergibt die Unterscheidung von funktionaler und emotionaler Kommunikation meist nur noch theoretisch Sinn. Die einzige Frage, die zählt, ist: Welches ist die passende positive Emotion, die ich mit Film oder Video transportiere, damit ich beim Zuschauer erfolgreich die richtigen Gefühle auslöse?

Was sind Emotionen?

Emotionen und Gefühle begleiten uns auf Schritt und Tritt. Gefühle beeinflussen, bestimmen und verändern unser Verhalten. Und das ist bekanntlich nicht immer sinnvoll oder logisch nachvollziehbar.

Bei den alten Griechen herrschte darum die Meinung vor, Gefühle würden das Denken des Menschen behindern. Erst mit Darwin und Freud begann sich die Betrachtung von Emotionen grundlegend zu wandeln. Darwin sah Gefühle als überlebenswichtige Eigenschaft von Lebewesen, Freud als Botschaft aus dem Unterbewussten.

Die moderne Forschung gibt beiden Betrachtungsweisen recht. Sie geht aber noch viel weiter.

Emotionen werden heute als komplexes Muster von Veränderungen verstanden. Dies als Folge einer Situation, die von uns als wichtig und bedeutsam wahrgenommen wird. Emotionen sind eine Reaktion auf etwas. Sie lassen sich als körperliche Reaktionen messen und als Prozesse und Verhaltensweisen analysieren.

Emotionen haben damit Einfluss auf viele wichtige Verhaltensweisen. Dazu zählen nebst dem wichtigsten Element, der Motivation als Element zur Handlungsauslösung, auch:

  • Aufmerksamkeit
  • Entscheidungen
  • Denkprozesse
  • Kommunikation
  • soziale Bindungen
  • Wahrnehmung

Viele Psychologen sind überzeugt, dass Emotionen nur teilweise bewusst ablaufen und damit steuerbar sind.

Davon scharf abzugrenzen ist die Frage, wie wir mit Emotionen umgehen – was anders als die Entstehung von Emotionen sehr wohl vom Menschen gelernt und kontrolliert werden kann.

Was sind Gefühle?

Früher wurde zwischen Innen- und Außenwelten der emotionalen Wahrnehmung unterschieden. Gefühle waren, was der Mensch innerlich fühlt. Emotionen umgekehrt das, was von diesem Fühlen äußerlich für andere Menschen wahrnehmbar war. Gleichzeitig wurden Gefühle dem Unbewussten zugeordnet, während Emotionen von ihrem Träger bewusst wahrgenommen werden konnten.

Diese Abgrenzung ist heute nicht mehr üblich und veraltet. Gefühle und Emotionen sind fast überall das Gleiche. Gehalten hat sich einzig der Unterschied zu den Stimmungen.

Die Abgrenzung zu Stimmungen

Eine Stimmung steht, anders als eine Emotion oder ein Gefühl, nicht in Bezug zu einem Menschen oder einer Sache und ist keine Reaktion auf einen konkreten Vorfall. Die Stimmung (der erweiterte Begriff Stimmungslage sagt es deutlicher) ist nicht kurz und intensiv, sondern langandauernd.

Eine Stimmung wird daher als Definition für ein länger andauerndes Bedürfnis verwendet. Emotionen und Gefühle dagegen für ein kürzer andauerndes Bedürfnis.

Die darum erste Frage – deren Wichtigkeit nicht zu unterschätzen ist – muss sein: Soll ein Video als PR- oder Marketingmaßnahme Emotionen / Gefühle oder ein Bedürfnis ansprechen?

Keine Entscheidung ohne Emotionen

Die aktuelle Forschung ist sich einig, dass ohne Emotionen keine Entscheidung zustande kommt.

Die einfachste Erklärung, die es dafür gibt: Unsere Sinnesorgane, unsere Ausbildung und unsere Erinnerungen und Erfahrungen vermitteln uns bewusst und unbewusst dermaßen viele Informationen, dass eine rationale Entscheidung in vernünftiger Frist gar nicht möglich ist.

Das gilt für vermeintlich einfache Fragen ebenso wie für schwierige Probleme.

Den stärksten Anlass zum Handeln bekommt der Mensch immer durch Gefühle.
Carl von Clausewitz

In der digitalen Welt, in der wir durch das Internet und soziale Medien eine nahezu unendliche Menge an Informationen und Impulsen zu fast allem, was man sich denken kann, bekommen können, werden schnelle Entscheidungen immer mehr zu einem Wettbewerbsvorteil.

Künstliche Intelligenz, selbstlernende Software und Big Data helfen dabei nur bedingt. Denn am Ende muss ein Entscheid für uns stimmen. Das tut er nur dann, wenn er in unserem Hirn auch gefühlsmäßig als „guter Entscheid“ wahrgenommen wird.

Mimik und Gestik, beide werden bestimmt durch Gefühle, spielen auch darum für unsere Wahrnehmung eine mindestens so wichtige Rolle wie Verstand und Logik, weil sie in der spontanen Interaktion viel schwieriger zu kontrollieren (und zu manipulieren) sind. Unser Hirn wertet sie deshalb als entscheidender Hinweis für Echtheit und Authentizität. Auch darauf bezieht sich das alte Sprichwort: Bilder sagen mehr als Worte.

Die sechs Basisemotionen nach Paul Ekman

Nicht nur für Marketing und Kommunikation stellt sich die Frage, inwieweit Emotionen universal sind.

Fühlt jeder Mensch in derselben Situation dasselbe? Sind Gefühle individuell oder können sie objektiv katalogisiert werden?

Schon der Evolutionsforscher Darwin suchte dazu nach Antworten. Er kam 1872 zu Schluss, dass eine Reihe von Gefühlsarten bei allen Menschen gleich ist, andere sich aber wiederum unterscheiden.

Hundert Jahre später legte der amerikanische Psychologe und Emotionsforscher Ekman einen wissenschaftlich belegten Katalog an menschlichen Emotionen vor. Er nannte diese grundlegenden Gefühle, die für alle Menschen Gültigkeit haben, Basisemotionen. Damit wurde Ekman zu einem der wichtigsten und einflussreichsten Gefühlsforscher.

Die sechs Basisemotionen nach Paul Ekman sind:

  1. Freude (Happiness)
  2. Überraschung
  3. Wut
  4. Trauer
  5. Ekel/Verachtung (englisch: Disgust)
  6. Angst

Aus heutiger Sicht fällt auf, dass nur eines dieser Gefühle, nämlich das der Freude, eindeutig positiv ist.

Die Rolle der Spiegelneuronen

Lachen ist ansteckend. Dafür gibt es eine wissenschaftliche Erklärung.

Für die Spezies Mensch (aber auch für viele Tiere) war und ist es überlebenswichtig, auch ohne ausgeklügelte Sprache und lange Erklärungen frei von Missverständnissen kommunizieren zu können. Denn nur so

  • lässt sich in einer Gruppe ein koordiniertes Verhalten angesichts von Gefahren sicherstellen
  • können soziale Interaktionen wie das Gefühl von Zuneigung oder Liebe dem Gegenüber vermittelt werden
  • und entsteht in einem Sozialgefüge ein „Wir“-Gefühl.

Möglich machen dies Emotionen, verbunden mit Spiegelneuronen. Das sind Nervenzellen, die mimische Emotionen von anderen Menschen ohne unser aktives Zutun in einem Sekundenbruchteil lesen und die darin enthaltenen Informationen auf uns selbst übertragen.

Spiegelneuronen erkennen ein visuelles Muster, das einer eigenen, im Hirn gespeicherten Aktivität entspricht. Obwohl wir die Mimik einer Person nur passiv betrachten, übertragen Spiegelneuronen das Gefühl auf uns, als ob wir selbst am eigenen Leib den Grund und Auslöser dieser Emotion erlebt hätten.

Das gilt für Freude ebenso wie für Angst und eine unendliche Zahl von differenzierten Empfindungen.

Begnadete Schauspieler beherrschen diese Gefühlsübertragung meisterhaft. Nicht zuletzt darin liegt die Kraft ihrer Darstellungskunst und die Faszination, die sie mit ihrem Talent in uns auslösen.

Facial Action Coding System (FACS)

Als Forscher gab sich Ekman natürlich nicht mit nur sechs Basisemotionen zufrieden. Er erstellte zusammen mit W.V. Friesen einen riesigen Katalog von Emotionen. Jede dieser Emotion wurde als Mimik (Gesichtsausdruck) erfasst und in Tests in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen auf ihre Gültigkeit verifiziert. Sogar Urvölker wurde in die Prüfung der Gültigkeit dieses Katalogs eingezogen.

Daraus entstand – anschnallen bitte! – eine Sammlung von über 10’000 Gesichtsausdrücken, die alle sorgfältigst katalogisiert und definiert wurden. Sie wurden als FACS, der englischen Abkürzung für Facial Action Coding System (in deutscher Sprache in etwa: System zur Erfassung von Mimik), weltweit zu einem Standard.

Wer Gefühle sät, erntet Gefühle!
Gabriel Palacios

FACS wurde ab den Siebzigerjahren überall dort eingesetzt, wo nonverbale Kommunikation eine entscheidende Rolle spielte. So bei der Psychotherapie, bei der chirurgischen Gesichtsrekonstruktion und Schönheitsoperationen, aber auch für Spielfilme.

Die Macher von Pixar’s „Toy Story“, dem weltweit ersten komplett animierten Kinofilm, nutzten das Faction Action Coding System, um ihren digitalen Helden Gefühle und damit Leben einzuhauchen.

Emotionen als Speicher- und Belohnungssystem

Alle grundlegenden Emotionen basieren entweder auf Anziehung oder auf Widerwillen (Abstoßung). Ein Gefühl wird als angenehm oder als unangenehm empfunden.

Emotionen sind ein Feedback darüber, wo ich hinsichtlich einer Zielerreichung stehe.
Dr. Christian Scheier

Positive oder negative Emotionen speichern sich in unseren Erinnerungen ab. Das ist gut und schlecht. Denn damit können sie mit Schlüsselreizen einfach getriggert werden. Aber umgekehrt können ungelenke und nachlässig gesetzte Impulse auch die falschen Gefühle auslösen.

Eine positive Emotion beruht auf einem positiven Erlebnis. Ist dies der Fall, schüttet der menschliche Körper Hormone aus. Die Synapsen in unserem Hirn merken sich diese, weshalb wir bei einer als vergleichbar wahrgenommen Aktion automatisch erneut positive Gefühle haben.

Die Wissenschaft unterscheidet dabei drei Arten der Freude und Hormone:

  1. Vorfreude und das berühmte „Kribbeln im Bauch“ wird durch Dopamin ausgelöst
  2. Zufriedenheit (vergleichbar mit einem Lob) entsteht bei der Ausschüttung von Endorphin
  3. Bindungen und Vertrauen basieren auf Oxytocin.

Übertragen auf die Bedürfnisse von Kommunikation, Marketing und PR bedeutet dies: Je präziser das Gefühl definiert ist, das man mit einer Maßnahme auslösen will, desto erfolgreicher lassen sich die Emotionen audiovisuell in einem Videokonzept planen und beim Zuschauer ansprechen und auslösen.

Fazit

Gefühle und Emotionen sind für die Kommunikation essenziell. Auslösen lassen sich Gefühle am besten durch Storytelling. Immer vorausgesetzt Sinne und Schlüsselerlebnisse des Zuschauers werden angesprochen.

Das musst du wissen

  • Emotionen sind für unser Handeln so wichtig wie Logik und Verstand, wenn nicht wichtiger.
  • Gefühle und Stimmungen sind zu unterscheiden.
  • Der Emotionsforscher Paul Ekman unterscheidet zwischen sechs grundlegenden Emotionen.
  • Emotionen sind neurologisch und hormonell mit unserem körpereigenen Belohnungssystem verknüpft. Sie können über Symbole, Storytelling und Sinne ausgelöst werden.

Im Idealfall verbinden sich dabei Emotionen mit inhaltlicher Tiefe (siehe dazu auch den Artikel: Wie viele Kilogramm Emotionen benötigt ein Video pro Minute?) Video und Film sind dazu geradezu prädestiniert.

Bewegtbild kann diese drei Erfolgsfaktoren für den Transport von Emotionen in viel kürzerer Zeit ansprechen als ein Text oder ein Foto.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 06.08.2019

Volker Reimann 22 Artikel
Mag. Volker Reimann ist TrendScout für virtuelle Realität, Games und interaktives Bewegtbild. Er ist überzeugt davon, dass bald schon über gezielte Nervenstimulation realitätsnahe Projektionen direkt in das menschliche Hirn möglich sind.

2 Kommentare

  1. Moin, ich habe das Gefühl, ein Wort muss geändert werden: „Eine Stimmung wird daher als Definition für ein länger andauerndes Bedürfnis verwendet. Emotionen und Gefühle dagegen für ein länger andauerndes Bedürfnis.“

  2. Danke für die Rückmeldung – das ist natürlich richtig beobachtet! Der Tippfehler ist jetzt korrigiert. Gefühle/Emotionen sind kurzfristiger und impulsiver, als Stimmungen.

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