Edi? Der Schweizer Auftragsfilmpreis heißt tatsächlich so. Das Kürzel, bei dem man sich erstmals fragt, ob damit auf den Oscar angespielt wird, oder ob Edi der beste Freund von Geissenpeter ist, hat es in sich: EDI steht für Eidgenössisches Departements des Innern. In dessen Auftrag verleiht der Verband der Auftragsfilmer einmal pro Jahr einen nationalen Preis an die besten Schweizer Auftragsproduktionen.
Ich gebe es gerne zu. Zuerst einmal habe ich Bauklötze gestaunt. Nicht darüber, dass man sich mit einem beliebigen Namen als Nobody zu diesem Event anmelden kann. Sondern, weil man das Ticket für die Preisverleihung, Getränke und Verpflegung inklusive, kostenlos kriegt. Und so was in der Schweiz!
EDI – der Schweizer Auftragsfilm und Werbefilmpreis
Organisiert wird die Preisverleihung vom Verband der Schweizer Auftragsproduzenten, der Swissfilm Association. Auch wenn deren Website daherkommt, wie der Internet-Auftritt eines Kaninchenzüchtervereins: Die Preisverleihung selbst war … – großartig! Zwar besitzt der Auftragsfilmpreis keine eigene Webpräsenz. Auch von Webseiten für Smartphones hat man beim eidgenössischen Filmverbandswesen noch nichts gehört.
Das ist schade, weil damit die Filmpreise im Internet weit über die Veranstaltung hinaus strahlen könnten – zusammen mit den Gewinnern. Für Auftraggeber wie Videoproduktionen wäre das an sich eine attraktive Sache. Nur: die Schweiz tickt anders.
Weil auch der Link auf die Sektion „Shortlist“ auf meinem iPhone nicht klickbar war, wusste ich nicht, was mich in Zürich erwarten würde. Darum hatte auch am Abend selbst einige Mühe, die Kategorien den jeweiligen Preisen zuzuordnen. Zumal die Schweizer ja nicht gerade kontaktfreudig sind, wenn man keinen ihrer siebenhundertunddrei Dialekte spricht.
https://filmpuls.info/award-kalender-wettbewerb-auftragsproduktion-imagefilm/
„Es ischt nätt gsihh“ (das war nett), werden die bescheidenen Schweizer über die bereits zum zwanzigsten Mal stattfindende Award-Verleihung vom 7. November morgen im Büro mit müden Äuglein sagen. Und verhalten lächeln. Was ich dazu sage: Es war umwerfend und ich bin echt total begeistert! Am Ende der Nacht hatte ich nur noch eine einzige Frage, zu der mich niemand aufklären konnte oder wollte: Nämlich, ob der Award seiner Form wegen möglicherweise von einem Hersteller für Präservative gesponsert wird? Aber ganz ehrlich, am Ende zählt nur eines: der Abend, die Gewinner und die Qualität der Filme. Und hier gibt es die maximale Anzahl Punkte!
Weil: von dieser Feier kann sich manches Event eine dicke Scheibe abschneiden. Satter Sound, gute Projektion und das alles im Form einer präzise getakteten Show, und soweit ich sie denn verstanden habe, ganz viele nette Leute. Darunter viele Filmschaffende, aber auch Auftraggeber, Produzenten und Werbeagenturen. Sprich: Alle waren sie vor Ort.
Und auch die Filme erstaunten:
Die Gewinnerfilme
Wer hat’s erfunden?
Wenn man Qualität der Videos ansieht, ist die Antwort: die Schweizer! Man konnte an der Award Night da und dort zwischen den Zeilen von sinkenden Videobudgets hören – zeigen tut sich das in den Gewinnerfilmen nicht. Die positiven Erwartungen der Auftragsproduktionen für 2019 sind also wohl mehrheitlich eingetreten.
Gewinner | Kategorie: Online-Spots
Produktion: Shining Pictures
Gewinner | Kategorie: Imagefilm / Brandfilm
Produktionsfirma: Filmgerberei
Gewinner | Kategorie: Branded Content / Serie Online
Produktionsfirma: Stories
Gewinner | Kategorie: TV- / Kino-Spots
Produktionsfirma: Stories
Man darf mit gutem Gewissen behaupten, dass Schweizer Auftragsfilme sich weniger an löchrigem Käse orientieren, als an Schweizer Präzisionsuhren. Auch die den Schweizern oftmals nachgesagte Angst vor Gefühlen lässt sich in den Gewinnerfilmen nicht feststellen.
Die Show an der EDI Award Night 2019
Die Preisverleihung selbst beschreiben ergibt nicht mehr Sinn, als einen Film in Worten zu erzählen. Darum lasse ich es hier und beschränke mich auf einige persönliche Eindrücke.
Stell dir mal vor, Mutti Merkel wäre an einem deutschen Filmpreis für Auftragsproduktionen anwesend. Schwer vorzustellen? Nicht so in der Schweiz!
Zum 20-jährigen Jubiläum des EDI machte der Schweizer Bundesrat Alain Berset seine Aufwartung. Er hielt eine überraschend witzige Rede, in der er die Wichtigkeit von Werbespots und Imagefilmen für die Schweiz betone, und dies in zwei Landessprachen. Die fünfhundert anwesenden Gäste applaudierten begeistert.
Moderiert wurde die Show vom ehemaligen TV-Moderator Max (Dieter) Moor. Dieser fand auf der riesigen Bühne je länger, desto mehr in seine Form. Als Schweizer, der in Deutschland Karriere machte, wechselte auch Max Moor mühelos zwischen den Sprachen.
EDI.19: Gut zu wissen
Wissen muss man, dass es vor und nach der Awards Show einen hart umkämpften Barbetrieb gibt. Hier lässt es sich bei Gratis-Drinks gut networken. Gesprochen wird meist Dialekt, aber auch verständliches Deutsch und natürlich Französisch oder (selten) Italienisch ist zu hören.
Es lohnt sich darum, früh schon vor Ort zu sein. Denn dann gibt es viele Personen, die in der Landschaft herumstehen und die man einfacher anquasseln kann.
Dasselbe wiederholt sich dann am späten Abend, weil auch der Schweizer nach ein paar Bierchen kontaktfreudiger wird.
Wenn und wann es rudeltiert
Nicht abschrecken lassen sollte man sich vom Umstand, dass sich die Vertreter der Szene kurz vor der Preisverleihung – und ebenso unmittelbar danach – meist in geschlossenen Gruppen zusammenrotten. Die Schweiz ist klein und da kennt jede/r eben fast jeden. Viele Informationen fließen, anders als die Drinks, informell.
Angenehm ist die Atmosphäre trotzdem. Sie ist sehr ungezwungen. Nichts mit Dresscode. Jede/r kommt so, wie er mag.
Der Veranstaltungsort des Schweizer Auftragsfilmpreis liegt im einstigen Züricher Trendquartier West. Hier gibt es die Schiffbau-Halle. Sie verleiht der Award-Show seit mehr als einem Jahrzehnt einen stimmigen Rahmen. Man staunt, wie gemütlich es sich anfühlt, wenn die Auftragsproduktionen hier zusammen feiern.
Wer es nach der Party nicht mehr nach Hause schafft, findet in der Nähe diverse auch günstige, Hotelzimmer. Auch die Filmschule ZHDK ist gleich um die Ecke.
Filmproduktionsparadies Schweiz?
Von anwesenden Landsleuten wurde mir aber auch hinter vorgehaltener Hand erzählt: Schweizer Auftragsproduktionen bleiben gerne unter sich. Zumindest, wenn es um das Verteilen des Werbekuchens geht. Aber naja, ist das in Berlin, Hamburg, Frankfurt oder München anders?
Einfach mal so als Deutscher vorbeigehen und dem Kunden sagen: Hallo! Hier ist mein Showreel! bringt selten Erfolg.
Die hiesigen Player am Markt sind gut vernetzt. Und man muss ehrlich sein: viele Filme sind richtig gut gemacht und lassen sich, was den Jahrgang 2019 angeht, nicht so schnell toppen!
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 07.11.2019
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