Seit längerer Zeit sind in der Kommunikation mit Film und Video vermehrt auch Formate anzutreffen, die in ihrem Aufbau und mit ihrer Machart stark an Sendegefäße aus dem Fernsehen, insbesondere an Dokusoaps erinnern.
Für die serielle Herstellung von Video-Content für das Web, YouTube und Social Media kann, innerhalb der bekannten Seriengenre, verstärkt ein Trend zur Dokusoap beobachtet werden. Aber auch für den erfolgreichen Transport von Emotionen orientieren sich Filme und Videos immer wieder an der ebenso erfolgreichen wie bewährten Mechanik von TV-Formaten. Filmpuls legt dabei die Baupläne für eines der weltweit erfolgreichsten Genres im TV – nebst Gameshows /Spielshows – offen.
Dokusoap: Geliebt und gehasst
Als Dokusoap (Seifenoper) bezeichnet man eine Form des Reality-TV, in der die gezeigten („dokumentierten“) Personen in dramaturgisch inszenierter, unterhaltender Weise dargestellt werden. Streng analytisch betrachtet handelt es sich bei diesem Genre um eine Art Dokumentarfilm, die Personen, Gruppen (oder im TV: Familien) in außergewöhnlichen Momenten begleitet.
Typisch sind primär Ereignisse, die an einen bestimmten Ort, eine bestimmte Situation oder eine bestimmte Personengruppe gebunden sind.
Dokusoaps bedienen sich dabei bei Elementen der Unterhaltung und ergänzen diese mit Information. Sie gelten darum als typische Vertreter des Infotainment (deutsch: informierende Unterhaltung) oder Edutainment (deutsch: bildende Unterhaltung).
Wie bei den namensgebenden Seifenopern oder täglichen Talkshows stehen die Emotionen im Vordergrund. Probleme und Konflikte werden damit als treibende Kraft der Geschichten herausgehoben.
Es gibt drei Phasen der TV-Unterhaltung: Zuerst machen kluge Leute Unterhaltung für ihresgleichen. Dann merken sie, dass es mehr dumme als kluge Leute gibt. Darum machen in der zweiten Phase die Klugen dann Unterhaltung für die Dummen. Weil es den Klugen zu dumm wird, Unterhaltung für Doofe zu produzieren, machen am Ende dumme Personen Unterhaltung für ein dummes Publikum.
Harald Schmidt
Die von einzelnen Machern bewusst nicht deklarierte Vermischung von Emotionen und Informationen, oftmals kombiniert mit einer oft heillos übertrieben wirkenden Dramatisierung der Ereignisse, hat der TV-Dokusoap in den Feuilletons nicht ganz zu Unrecht einen schlechten Ruf eingetragen. Tatsachenverfälschungen im Schnitt oder bei Kommentaren oder redaktionell fragwürdige Bauchbinden sind in einzelnen Shows zur Regel geworden, auch weil Quoten und Publikumszahlen dieser Gangart recht geben.
Kennzeichen der Dokusoap
Aus diesen Entgleisungen im Feld der gnadenlosen Publikumsbespaßung kann und darf aber nicht rückgeschlossen werden, dass dieses Genre kein Potenzial für Unternehmenskommunikation hat. Publizistisch-journalistisch sauber produziert, verdient auch die Dokusoap für Marketing mit Bewegtbild eine sorgfältige Evaluation.
Folgende Eigenschaften sind für eine Dokusoap typisch:
Merkmale einer Doku-Soap:
- Konzentration auf wenige Personen (diese dienen als Identifikationsfiguren für den Zuschauer);
- Beobachtung von alltäglichen Menschen in außergewöhnlichen Umständen;
- hohe Emotionalität;
- keine Wertung des Geschehenen;
- Erhöhung des Wiedererkennungsfaktors durch einprägsames Erscheinungsbild;
- Spannungsbögen über das Ende einer Folge oder eine Werbe-Unterbrechung hinaus (Cliffhanger).
Bei Doku-Soaps werden häufig Techniken zur Emotionalisierung und Personalisierung eingesetzt. Die Realität ist gezielt unterhaltsamer dargestellt als in Wirklichkeit. Damit vermischt dieses Genre Information und Unterhaltung. Im Alltag dominieren oftmals Emotionen.
Die Realität als Handlungsrahmen verleiht den präsentierten Geschichten hohe Glaubwürdigkeit und Plausibilität.
Die vier Grundtypologien der Dokusoap:
Unterschieden werden Dokusoaps nach vier Grundtypen. Jede dieser Kategorien arbeitet gewöhnlich auch mit Off-Kommentar. Aus den vier Archetypen der Dokusoap sind mittlerweile auch Mischformen entstanden, welche die Vorteile der nachfolgend aufgeführten Grundformen thematisch und stilistisch zu verbinden versuchen.
Die vier wichtigsten Arten von Dokusoaps:
Transformation:
Die Protagonisten werden in einem bestimmten, für sie prägenden, Lebensabschnitt filmisch begleitet. Dies können Umzüge, Diäten, Renovierungen oder Auswanderungen sein. Bekannte Beispiele sind: «Auf und davon», «Einsatz in vier Wänden» oder «Jedes Kilo zählt», «Eine Insel wird schlank».
Dokumentation (Unbekanntes, Alltägliches):
Meist bereits bestehende Gruppen von Personen werden filmisch beobachtet. Dies, um Einblick in den (vermeintlich) authentischen Alltag zu gewinnen. Ziel solcher Dokumentationen sind Familien oder Institutionen. Beispiele sind: «Jobtausch», «Die Fussbroichs» oder «Die Ludolfs – 4 Brüder auf’m Schrottplatz».
Sozial-normative Konditionierung
Personen mit normabweichenden Verhalten werden resozialisiert, indem sie in die Gesellschaft oder der Familie zurückgeführt werden. Ebenso erfolgreiche wie bekannte Beispiele in der deutschen TV-Landschaft sind: «Die Super-Nanny», «Das Erziehungscamp» oder «Teenager außer Kontrolle».
Isolation und Bewährung
Personen werden in einer fest begrenzten Umgebung über einen begrenzten Zeitraum von ihren Herkunftsbindungen und -orten isoliert, in der sie sich durch soziales Selbstmanagement unter Beobachtung des Publikums behaupten müssen, von dessen Gunst ihr Verbleib (und damit ein Gewinn) abhängen kann. Sie müssen sich hierbei sozialen und psychischen Extremsituationen stellen. Beispiele sind: «Big Brother», «Dschungelcamp: Ich bin ein Star – holt mich hier raus!» oder «Abenteuer 1900 – Leben im Gutshaus.».
Als Beispiel einer Dokusoap, die sich konzeptuell virtuos aller vier vorgenannten Aspekte bedient und damit alle vier Arten von Doku-Soap kombiniert, kann man «Rach, der Restaurant-Tester» erwähnen. In dieser Serie bieten sich dem Zuschauer eindrückliche Einblicke hinter die Kulissen der Gastronomie-Branche (Dokumentation/unbekanntes alltägliches).
Zugleich stehen in der Erfolgsserie immer wieder auch Renovierungsarbeiten im Vordergrund (Transformation). Es werden Konditionierungsprobleme (Mentalität des Gastronomen) thematisiert, die der Gastronom auf dem harten Weg zum Erfolg zusammen mit anderen Hindernissen bis zum nächsten Besuch des Coaches bewältigen muss (Bewährung).
Abgrenzungen der Dokusoap zu Scripted Reality und weiteren Formaten
Einzelne Fernsehsender bezeichnen auch sogenannte Scripted Reality (frei: „Realität nach Drehbuch“) als Dokusoap. Reality-Soaps weisen von ihrer Machart her zwar eine große Ähnlichkeit zu klassischen Dokusoaps auf. Sie folgen allerdings einem (frei erfundenen oder durch wahre Ereignisse inspirierten) Drehbuch und werden mit Laiendarstellern inszeniert und meist bis an die Schmerzgrenze dramatisiert. Auf Grundlage der hier postulierten Definitionen gehören Formate aus diesem Bereich darum nicht zu den Dokusoaps.
Vom Seriengengenre der Reportage unterscheidet die Doku Soap der Standpunkt: Sie erzählt nicht aus der Perspektive des Reporters.
Das musst du wissen:
- Die Dokusoap verbindet die Dokumentation mit der Inszenierung und Unterhaltung. Dazu werden Personen oder Personengruppen in ungewöhnlichen Lebenssituationen von der Kamera begleitet.
- Einher mit diesem TV-Format geht eine hohe Emotionalität. Ist diese übersteigert dargestellt, kann die Authentizität der Darstellung und die Glaubwürdigkeit der Darsteller leiden.
- Typisch für die Dokusoap ist die fehlende Zuordnung des Geschehens zu einem Wertesystem durch die Sendung. Der Zuschauer soll sich fremdschämen. Die Macher enthalten sich eines Urteils.
- Es gibt vier Grundtypen der Dokusoap: Transformation (Veränderung), Dokumentation, Konditionierung, Isolation und Bewährung.
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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 08.03.2016
Hauptsache Werbeminuten verkaufen. Inhalt = EGAL. Das funktioniert nur, wenn die Hauptschulabbrecher den Mist auch gucken. Tun sie aber nicht! Quote gegen NULL bei dem Schrott. Schickt die Macher für diesen Mist in Quarantäne, lasst sie nicht mehr raus, bringt mal wieder Qualitäts-Programm. Nein? Keine Ahnung was das ist? Willkommen bei den Privaten… Arme Lichter…