Seite 2:
Davide Tiraboschi:
Dann hörte man ihn von oben, wie er mit überspitzter und zackiger Stimme krächzte «… links, links … rechts, rechts! rechts … links! … rechts! …». Es war unverkennbar, dass er mich imitierte, denn so gebe ich als Kameramann Dionys, der die Drohne pilotiert, stets die Anweisungen zur Steuerung durch. Michael Bay hat das am Set von «13 Hours» immer gehört, sobald wir im Einsatz waren. Anscheinend hat er dies – und somit auch unsere Anwesenheit und Arbeit – in guter Erinnerung gehabt. Nach dem ersten Shot, welcher sehr gut verlief, hat er vor versammelter Runde gesagt: «Seht ihr, das ist der Grund, warum ich diese Jungs haben wollte!».Filmpuls:
Bay produziert Blockbuster. Also Filme, welche unter riesigem Druck stehen, Einnahmen und Gewinne in Millionenhöhe zu generieren. Hat so eine Person nicht einen unglaublichen Stress?Dionys Frei:
Michael ist stets auf 180!Davide Tiraboschi:
Er ist ein kompletter Workaholic. Von frühmorgens bis spätabends.Dionys Frei:
Auf dem Set hat er nie Pause. Weil, wenn er Pause macht, geht nichts mehr. Meistens geht er nach dem Dreh nur kurz schlafen, um danach noch stundenlang die Szenen zu schneiden. Am letzten Drehtag ist schon ein ganz gelungener Rohschnitt vorhanden. So haben wir das zumindest bei «13 Hours» erlebt.Filmpuls:
Wirkt seine Energie inspirierend?Dionys Frei:
Er kann die Leute enorm gut antreiben und motivieren. Und er macht es auch nicht allzu kompliziert. Denn er lässt seiner Crew nicht viel Spielraum (lacht). Er sagt klipp und klar, wie und was er will. Oder er sagt dir überhaupt nichts und du musst selbst entscheiden, was passt.What the fuck?! Go up there, find a shot!
Michael Bay
Filmpuls:
Wart ihr also auch zur Improvisation gezwungen?Dionys Frei:
Ich mag mich an eine Szene am Transformers-Set in England erinnern. Er sagte «I need a drone!». Ich ging zu ihm und bat ihn um ein paar Instruktionen, weil die Szene doch recht komplex war. Doch er schaute mich mit großen Augen an und sagte sehr bestimmt: «What the fuck?! Go up there and find a shot!». (beide lachen)Davide Tiraboschi:
Ansonsten schätzt er es jedoch schon, wenn man ihm zwei, drei Vorschläge unterbreitet und er diese annehmen oder ablehnen kann. Aber zu viel erklären und ‚blablabla’, das ist gar nicht gut.Dionys Frei:
Bei den Camera Operators zum Beispiel, hat er in solchen Situationen die Sache schon mal so gelöst, dass er ihnen die Kamera aus der Hand riss und den Shot selbst filmte.
Filmpuls:
Also lieber keine Fragen und Rückfragen am Set?Dionys Frei:
Du musst dir das einfach sehr gut überlegen. Wenn deine Fragen, dem Gesamtprodukt tatsächlich weiterhelfen, ist das völlig OK. Aber überlege dir einfach, ob das deine Frage das tatsächlich tut!Filmpuls:
Ist er auch mal ausgerastet?Davide Tiraboschi:
Es gibt nichts Gröberes als Michael Bay. Schau dir einfach mal ein paar Making-Of’s auf YouTube an …Dionys Frei:
Wenn er dich vor der Crew bloßstellt, darfst du das nicht zu persönlich nehmen. Wie gesagt: Er steht unter Starkstrom. Bei Transformers sind wir davon zum Glück komplett verschont geblieben. Bei «13 Hours» hat Davide einen superschönen ‚Rüffel’ (Schweizerdeutsch für Anschiss, Anm. d. Redaktion) erhalten (lacht). Danach war Davide so klein, wie ich das noch nie vorher bei ihm erlebt habe. Er wollte am liebsten sofort den Rückflug in die Schweiz buchen. Zum Glück war Wochenende! Am Montag war es dann wieder besser.Davide Tiraboschi:
Mann! Das war schon jenseits von Gut und Böse, von Bay eine richtige Standpauke zu erhalten (lacht).Filmpuls:
Gibt es auch Momente, in welchen Michael dir zeigt, dass er die Zusammenarbeit auch schätzt?Dionys Frei:
Es ist schon nicht viel. Aber er zeigt dir trotzdem, dass er dich gerne hat. Sonst wärst du sowieso nicht mehr vor Ort, glaub mir das. Ein schönes Beispiel war zum Beispiel am Transformers-Set. Mein Sohn kam kurz vor dem Dreh zur Welt. Als er uns am Set gesehen hat, fragte Michael sofort nach dem Kleinen. Er hat mir augenzwinkernd gesagt, «So, jetzt hast du keine andere Wahl mehr und musst arbeiten!». Aber klar, groß Zeit, um mit dir einfach so zu plaudern, die hat er nicht. Denn es werden so viele Dinge von ihm erwartet, an allen Ecken und Enden.Davide Tiraboschi:
Es hat mich vor allem auch beeindruckt, wie alles funktioniert, an einem solchen Set. Geschätzte 1’000 Leute, ein riesiges, wirklich riesiges Arsenal an Requisiten. Und alles funktioniert. Dieser riesige logistische Apparat. Das ist auch ein Zeichen, dass die Arbeit geschätzt wird. Da brauchst du die besten Leute, die wiederum für die besten Leute arbeiten. Und das ist auch eine Art von Wertschätzung. Auch unser Hotel in London: 5 Sterne. Top! Da wird schon geschaut, dass es dir gut geht. Aber es wird auch viel von dir verlangt.
Hinterlasse jetzt einen Kommentar