»Cruella« (2021) – Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse überall hin | Disney+

cruella 2021 emma stone disney filmkritik
Bad Girl Vibes: Cruella de Vil (Emma Stone) | © Disney

Die Realverfilmung »Cruella» (2021) von Disney über die Jugendjahre der legendären Dalmatiner-Hasserin Cruella De Vile aus 101 Dalmatiner zeigt, was das Maus-Haus am besten kann: Unterhaltung für alle Altersklassen. Getragen wird der Film von einer überzeugenden Storyline und zwei Powermädels, die ihren Vornamen ebenso teilen wie frühere Oscars als beste Hauptdarstellerinnen: Emma Stone und Emma Thompson.

„Bloody well right“, singen Supertramp im Soundtrack der Live-Action Adaption – so nennt Disney heute seine Realverfilmungen – von «Cruella», und stellen im Refrain fest: „Recht hast du, wenn du denkst, alles hat mit Geld zu tun und damit, woher du kommst!“

Estella (Emma Stone), die als Kind durch den Unfalltod ihrer Mutter traumatisiert wurde, besitzt weder Stammbaum noch ein regelmäßiges Einkommen. Während sie sich mit zwei Freunden durch Ganoventricks durchs Leben schlägt, träumt sie von einer Karriere als Modedesignerin. Durch einen Trick ihrer Freunde bekommt Estella zu ihrem Geburtstagsgeschenk die Chance, sich in das Umfeld der legendären Modeschöpferin Baroness Von Hellman (Emma Thompson) zu schmuggeln. Bald schon entwickelt sich hinter den unschuldigen Rehaugen von Estelle in «Cruella» einen Plan, der auch Wonder Woman, Jessica Jones und Harley Quinn gut anstehen würde. Aber wie schon Wilhelm Busch, Schöpfer des Kinderbuch-Klassikers Max und Moritz, seiner Leserschaft erklärte: Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt!

80%
CRUELLA Trailer German Deutsch (2021)

Cruella

Hello cruel world

Filmtitel
Cruella (2021)
Regie
Craig Gillespie
Filmdauer
2 Std. 14 Min.
Darsteller:in
Emma Stone, Emma Thompson, Joel Fry, Paul Walter Hauser, Mark Strong, Tipper Seifert-Cleveland
Bewertung
★★★★★☆
80 % von 8'930 Menschen lieben diesen Film
Genre
Komödie, Krimi
Box Office vs Budget
Einspielergebnis: 234 Mio. USD (Produktion: 200 Mio. USD)

„Cruella“ erzählt die Vorgeschichte der berüchtigten Disney-Schurkin Cruella De Vil aus „101 Dalmatiner“. Emma Stone spielt die Titelrolle der Estella, einer cleveren und kreativen jungen Frau mit dem Traum, in der Londoner Modewelt der 1970er-Jahre berühmt zu werden.

 

Nachdem sie die Aufmerksamkeit der modebewussten Baronesse von Hellman (gespielt von Emma Thompson) erregt hat, entwickelt sich Estella allmählich zu der rachsüchtigen und stilvollen Cruella De Vil. Der Film ist eine dunkle Komödie, die das Entstehen einer Schurkin und ihre Liebe zur Mode zeigt.

Ansehen
Disney PlusDisney Plus
★★★★★ = empfehlenswert | ★ = kaum sehenswert
Credits & Filmdaten von | Nutzung erfolgt eigenverantwortlich


«Cruella» von Regisseur Craig Gillespie gelingt es, schon nach wenigen Minuten die Anziehungskraft einer Kirmes-Attraktion zu entwickeln. Wer schon einige Jahre auf dem Buckel hat, freut sich darüber, dass die Filmstory im London der Siebzigerjahre angesiedelt ist. Zeitgemäße, stimmige Hits aus dieser Periode in den Originalversionen, «She is a Rainbow» von The Rollings Stones inklusive, folgen sich zur Untermalung des Geschehens Schlag auf Schlag.

 

«101 Dalmatiner» (1996) von Stephen Herek war eine der ersten Realverfilmungen eines Disney-Klassikers. Um an den gigantischen Erfolg anzuschließen, folgt 2000 der Nachfolger «102 Dalmatiner».

 

Statt «103 Dalmatiner» bekommt nun die Böse ein Prequel. Cruella de Vil, in englischer Sprache bewusst ein Wortspiel mit Devil (Teufel), wurde damals von Glenn Close verkörpert. Sie ist auch an «Cruella» beteiligt, diesmal aber als Executive Producer. Den Film tragen diesmal Emma Stone und Emma Thompson.

 

Emma Stone, die sich nach einem bipolaren Parforceritt als Cruella neu erfindet, kann Heath Ledger als Joker (The Dark Knight, 2008) das Wasser reichen. Dennoch bleibt das seltsame Gefühl, dass damals die mehr überspitzt gezeichnete Figur von Glenn Close mehr Nimbus hatte. Möglicherweise, weil Emma Stone gegen ihre an Vivienne Westwood erinnernde schwarz-weiße Haarpracht anspielen muss. Oder, auch das springt ins Auge, weil das Dilemma, eine durch Hass getriebene Hauptfigur sympathisch und keimfrei zu positionieren, kaum zu lösen ist.

 

Ich wurde klug geboren. Ich wurde als böser Mensch geboren, und … – ich bin etwas verrückt!
Cruella

 

Die in Disney-Produktionen traditionell wichtigen tierischen Helden, die auch bei «Cruella» nicht fehlen, garantieren jüngeren Semestern die erwarteten Knuddel-Impulse, auch wenn es keine 103 Dalmatiner, sondern nur deren drei im Kinofilm vorkommen. Teenager dürfen sich auf Action-Elemente und komödiantische Beigaben freuen, die auch Millennials überzeugen.

 

Kurzum, dieser Film ist eine perfekt inszenierte Wundertüte für alle Altersgruppen. Man kann den Film, wie dies kürzlich ein Filmjournalist getan hat, als Mix aus Disney-Klamotte und Mode-Action bezeichnen. Wer mit Disney-Klassikern groß geworden ist, darf diese Qualifizierung als Kompliment verstehen. Diesbezüglich hat Drehbuchautor Tony McNamara klasse Arbeit geleistet.

 

Nebst den starken Hauptdarstellerinnen Emma Stone und Emma Thompson überzeugt «Cruella» auch mit vielen sorgfältig besetzten Nebenrollen. Allen voran Paul Walter Hauser, der schon in Clint Eastwoods «Der Fall Richard Jewell» brillierte in der Rolle des Horace. Im Duo mit Joel Fry (als Jasper) erinnert das Team in seinen besten Momenten an Nathan Lane mit Lee Evans in MouseHunt (1997). Auch Kirby Howell-Baptiste als Anita Darling überzeugt komödiantisch.

 

Aber auch Kayvan Novak als Anwalt Roger und allen voran Jamie Demetriou in einer liebevoll-komödiantischen Anspielung auf den Modezaren Yves Saint Lauren rechtfertigen das Kinoticket oder ein Streaming-Abo auf Disney+.

 

Ein weiterer Name, der bei diesem Film hervorgehoben werden muss, ist derjenige von Jenny Beavan. Die 70-jährige Kostümdesignerin zeigt hier einmal mehr ihr Meisterschaft. Ihre Kreationen sind opulent, originell und würden auch die Modehäuser Dior oder Prada gut aussehen lassen. Wenn es um Kostüme geht, ist Beavan einer der sichersten Werte in Hollywood. Davon zeugen 2 gewonnene Oscars (u. a. für Mad Max: Fury Road) von insgesamt zehn Nominationen.

 

Fragen muss und darf man sich als Insider – gerade mit Blick auf die angestrebte breit möglichste Zielgruppe –, ob die Laufzeit von 134 Minuten gerade für ganz junge Zuschauer etwas sehr großzügig bemessen wurde. Zumal der Spagat zwischen Komödie, Action und Family-Entertainment nicht jedes sensible Kindergemüt unberührt lässt. Umgekehrt, dafür bürgt das Studiolabel, ist ein guter Ausgang der Geschichte garantiert.

 

Dieses Happy End allerdings hat es in sich.

 

Denn die dem Film unterliegende Botschaft lautet: Gute Mädchen kommen in den Himmel. Böse kommen überall hin. Das allein ist kein Grund, seine Tüte Popcorn im Kino fallen zu lassen. Aber die ergänzend dazu mehrfach eingeflochtene, ergänzende Erklärung, sozial nicht kompatible negative Verhaltensmuster seien entschuldbar, weil eben vererbt, stimmt bedenklich. Zwar sind bei Cruella keine der in Hollywood zur Notwendigkeit gewordenen Anbiederungsversuche an den fernöstlichen Markt feststellbar. Doch diese mentale Naivität der Key Message rückt diesen lustvollen, frohen Film für reflektierende Gemüter ungut an eine andere glücklose Realverfilmung eines harmlosen Trickfilms aus demselben Haus: Disneys Mulan. So betrachtet ist die Story von Cruella zwar konsequent vom Ende her gedacht, aber nicht zu Ende gedacht.

 

Auch das ist mit ein Grund, warum man eine Fortsetzung von Cruella mit Spannung erwarten darf.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Zachery Z. 50 Artikel
Zachery Zelluloid war in der Unterhaltungsindustrie tätig. Er schreibt unter Pseudonym, weil er weder vertraglichen Schweigepflichten verletzen, noch das wirtschaftliche Fortkommen der Berufsgattung Anwalt fördern oder Freunde brüskieren will. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

Teile jetzt deine Erfahrungen

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht. Links zu Werbezwecken werden ausgefiltert.


*