Warum Tom Cruise (höchst­wahr­schein­lich) nie mehr einen neuen Fern­seher kauft!

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Findet automatische Bildglättung am Fernseher wenig lustig: Hollywood-Star Tom Cruise | © Karikatur: Pavel Sokolov

Je größer, desto besser. Zumindest was TV-Geräte betrifft, gilt dieses Motto nach wie vor. Was aber kaum jemand weiß: Die meisten HD-Fernseher sind, technisch betrachtet, große Gleichmacher. Mit automatischen Bildglättungseffekten lassen sie alle Kinofilme wie Dokusoaps aussehen.

Es ist nicht unüblich, dass moderne Flachbildschirm-Fernseher ebenso groß sind, wie der Tisch im Esszimmer. Nur hängt dieser nicht an der Wand. Beworben wird das Heimkino mit maximaler Auflösung, mit immer größerer Bildauflösung. Was dem Laien meist verborgen bleibt:

Diese Hightech-Monitore spielen Filmbilder nicht nur ab. Sie berechnen sie auch neu. Das hat Folgen.

Die Sache mit der Bild­glättung

Perfekt soll es sein, das Bild am Fernseher. Das Problem dabei: bei modernen TV-Geräten ist die Wiedergabetechnik weiter fortgeschritten, als diejenige bei den Filmaufnahmen.

Filmbilder, traditionell und auch heute noch mit den aktuellen Filmkameras in Hollywood mit 24 Bildern pro Sekunde gedreht, entsprechen nicht der Frequenz in den aktuellen TV-Geräten von 50 Hz oder 60 Hz.

Als Folge davon ruckeln schnelle Kameraschwenks oder Bewegungen auf modernen Flatsscreens.

Darum haben sich die Gerätehersteller flugs eine neue Lösung ausgedacht: Eine speziell dazu entwickelte Software berechnet sogenannte Zwischenbilder. Damit erhöht sich die Bildfrequenz. Der Fluss der Einzelbilder auf dem Bildschirm wirkt nun angenehm. Aus 24 aufgezeichneten Einzelbildern werden 50 oder 60 Bilder.

Das Verfahren dazu wird in der Videotechnik als Video Interpolation oder Motion Smoothing bezeichnet; TV-Hersteller sprechen auch von

  • Perfect Picture Rate (Grundig)
  • TruMotion-Effekt (LG)
  • Intelligent Frame Creation (Panasonic)
  • Perfect Natural Motion (Philips)
  • Motion Plus (Samsung)
  • Motion Enhancement (Sharp)
  • Motion Flow (Sony)
  • Movie Sense (Toshiba)

Gleichzeitig verändert sich damit aber auch der Filmlook. Millionenschwere Spielfilme aus Hollywood sehen damit plötzlich aus wie eine TV-Show oder erinnern an eine Fußball-Übertragung.

Tom Cruise und die automatische Zwischen­bild­be­rech­nung

Schauspieler aus Hollywood wie Tom Cruise („Mission: Impossible“, „Top Gun Maverick“) und Regisseure wie Christopher Nolan („Oppenheimer“, „Dark Knight“) haben an dieser Bevormundung überhaupt keine Freude.

So hat Tom Cruise öffentlich seine Fans gebeten, die Berechnung von Zwischenbildern beim Ansehen von Kinofilmen zu deaktivieren.

Aufruf von Tom Cruise auf Twitter:

Star Wars Regisseur Ryan Johnson („Die letzten Jedi“) flippte auf Twitter sogar regelrecht über die Bildverbesserungstechnik aus. Er betitelte diese als „flüssige Scheiße“. (Der Tweet wurde mittlerweile gelöscht.)

Bei der Auseinandersetzung um die Interpolation von Einzelbildern fühlt man sich an die erbitterten Diskussionen vor zwanzig Jahren erinnert. Damals tobte ein wüster Streit um die Frage der Beschneidung des Kinoformats 1 : 1,235 und 16 : 9 auf TV-Geräte mit 3 : 4 Bildformat.

Statt den schwarzen Balken, der für die Beibehaltung des Filmformats erforderlich war, zu zeigen, zoomten die Fernseher automatisch in das Kinobild und schnitten damit ohne viel Federlesen links und rechts einen Teil des Bildinhalts ab. Bei Dialogen mit gezielten platzierten 2er-Einstellungen führte das mitunter zu kaum verständlichen Umschnitten.

48 Bilder pro Sekunde als Antwort auf die Bildglättung?

Regisseure wie Peter Jackson oder Ang Lee haben versucht, der Problematik der Berechnung von Zwischenbildern auf technischer Ebene zu begegnen.

Jackson drehte schon 2014 seinen Trilogie „Der Hobbit“ mit 48 Einzelbildern pro Sekunde. Dies, um die Hoheit über den Look seiner Aufnahmen zu wahren. 2016 filmte auch Lee seinen Spielfilm „Die irre Heldentour des Billy Lynn“ statt mit 24 Bildern mit 48.

Durchsetzen konnte sich dieses Verfahren bis anhin aber nicht.

Bildglättung: Wie du deinem Fernseher den Teufel austreibst

Das Glattbügeln von Kinobildern am Fernseher kann ausgeschalt werden. Die dazu notwendigen Einstellungen sind je nach Gerätetyp an anderen Orten verborgen. Hier findest du eine Auflistung der Namen und Rubriken im Menü handelsüblicher TV-Screens:

Übersicht Hersteller und Funktionsbezeichnung
(mehr Informationen zu deinem TV-Gerät findest du mit einer Internet-Suche).
GrundigBei Grundig heißt die Bildglättung «Picture Perfection Rate». Zur Deaktivierung muss man im Menü in die erweiterten Bildeinstellungen. Dort nach «MEMC» suchen und diese Funktion deaktivieren.
LGLG nennt die Bildglättung «TruMotion-Effekt». Er findet sich unter Bildoptionen unter Bildeinstellungen.
PanasonicPanasonic bezeichnet die Berechnung von Zwischenbildern als «Intelligent Frame Creation». Ausschalten lässt sie sich unter den erweiterten Einstellungen. Ist der THX-Modus aktiviert, ist die Glättung bereits ausgeschaltet.
PhilipsAuch Philips gibt der Berechnung von Zwischenbildern einen eigenen Namen. «Perfect Natural Motion» ist hier der Begriff dafür. Zu finden ist sie unter «Bewegung» in den erweiterten Bildeinstellungen.
SamsungSamsung versteckt die Glättung von Bewegungen, sie heißt hier «Motion Plus», im Bildmenü unter den Optionen.
SharpTV-Geräte vom Hersteller Sharp besitzen die Active Motion-Funktion. Angesteuert werden kann sie in den sog. Experteneinstellungen (was dem Laien schon mal zu Unrecht signalisiert: Finger weg!) unter Bewegungsteigerung oder Motion Enhancement.
Sony«Motion Flow» ist der Begriff, den es bei Screens von Sony zu deaktivieren gilt. Er ist unter Optionen / Bild und dort in den Erweiterungen angesiedelt. Dann den Reiter «Bewegung» deaktivieren.
ToshibaBei Fernsehern von Toshiba ist die Zwischenbildberechnung im Bildmenü unter dem Begriff «Movie Sense» abgespeichert.

Zwischen den Herstellern von Fernsehern und hart gesottenen Kinofans mit Freude an großen und großartigen Filmbildern wird besonders über folgende Frage diskutiert:

Erstens darüber, ob des die Bildglättung und Zwischenbildberechnung überhaupt benötigt. Zweitens, das ist die aktuell wichtigere Diskussion, ob die Funktion nicht bewusst aktiviert werden sollte, statt wie heute standardmäßig beim Kauf schon aktiviert zu sein.

Der Unterschied zwischen Videoglättung und HDR

HDR hat nichts mit der Anzahl Einzelbilder pro Sekunde zu tun. Hier geht es darum, Kontraste und Farben auf dem TV-Screen stärker zur Geltung zu bringen. Mit HDR werden etwa Gegenlichtaufnahmen markant besser erkennbar.

Dumm nur, wenn das der dramaturgischen Absicht des Regisseurs entgegen spricht. Ein Beispiel: im Halbschatten im Hintergrund lauert eine Person, über deren Identität der Zuschauer noch im Ungewissen gelassen werden soll. HDR torpediert dieses Ansinnen frontal.

Warum du auf 8K verzichten kannst

Wer auf hochwertige Bildqualität am TV viel Wert legt, stolpert nebst der Frage von Zwischenbildern schnell über die Frage der Auflösung. Aber auch das Bildformat hat nichts mit der automatischen, Software-gesteuerten Bildoptimierung und der Bildglättung zu tun.

Schlimmer noch, hier droht mehr, als nur eine Bevormundung durch die Gerätehersteller. Natürlich ist rein theoretisch eine größtmögliche Auflösung die bessere Wahl. Aber nur dann, wenn auch das Abzuspielen des Mediums in dieser hohen Qualität verfügbar ist.

Und hier beginnen die Probleme.

4K besitzt eine Bildauflösung von 3048 × 2160 Pixeln. Dieser Qualitätsstandard ist auch UHD (Ultra High Definition) bekannt. Er hat das ältere Full-HD-Format erfolgreich abgelöst.

Nun wollen etliche Hersteller von TV-Geräten ein Nachfolgeformat für 4K am Markt etablieren. Dieses heißt naheliegenderweise 8K (oder UHD-II) und weist mit 7680 auf 4320 Bildpunkten eine viermal höhere Auflösung vor.

Bisher nur Demovideos

Aber anders als bei 4K, auf das Netflix und Amazon Video setzen und wo mit UHD-Blu-Ray eine nahezu unendliche Anzahl Filme verfügbar ist, gibt es für 8K fast ohne Ausnahme nur Demo-Videos.

So schnell ändern wird sich das nicht!

Erstens, weil immer mehr Filme und Serien heute mittels Streaming konsumiert werden. Eine vierfach höhere Auflösung bedeutet, dass die Streamingdienste ihre Infrastruktur komplett umbauen müssen, ebenso wie der User seine Internetanschlüsse. Das kostet.

Zweitens, weil nirgends am Horizont Speichermedien erkennbar sind, die solche gewaltigen Datenmengen zu halbwegs vertretbaren Preisen speichern können.

Fazit

Das musst du wissen

  • Moderne TV-Geräte besitzen fast ohne Ausnahme vorab eingebaute Software, mit welcher sie die Bildausgabe neu berechnen.
  • Dabei verleiht die sogenannte Bildglättungsfunktion auch Spielfilmen einen komplett neuen Look.
  • TV-Screens mit einer Bildauflösung von mehr als 8K zu erwerben, ergibt aktuell noch kaum einen Sinn

Gleiche Diskussion wie bei der Bild­glättung, aber andere Baustelle

Netflix hat diese Tage bekannt geben, variable Abspielgeschwindigkeiten für Filme zu testen. Der User kann damit wählen, ob er beim Streaming einen Film mit einer bis zu 1.5 Mal höheren Wiedergabegeschwindigkeit ansehen möchte. So lässt sich ein 100 Minuten langer Film beispielsweise in 85 Minuten ansehen.

Die Reaktionen darauf sind, erneut, heftig. Peyton Reed, Regisseur von Hollywood-Blockbustern wie «Ant-Man», sagt dazu:

Twitter-Message von Peyton Reed zur Manipulation der Abspielgeschwindigkeit:

Der uralte Kampf um die Hoheit der Filmbilder dürfte also über die Bildglättung hinaus noch für lange Zeit die Gemüter beschäftigen!

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 05.11.2019

Pavel Sokolov 49 Artikel
Pavel studiert Film Editing. Er mag François Truffaut, Terrence Malick, Dr Pepper, seinen Thermaltake View 71 TG, Musik von Seeed und alle Dinge, die mit der Farbe Rot zusammenhängen, aber keinem Lebewesen Schmerzen bereiten.

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