7 Faustregeln von Filmkritikern zur Analyse von Kinofilmen und Serien

Filmkritik schreiben Filme analysieren
So schreibst du eine Filmkritik | © Foto: Pavel Sokolow

Man kann einen Film im Kino ansehen und sich nicht viel dabei denken. Oder ihn analysieren, wie ein professioneller Filmkritiker. Oder beides. Denn Filmanalysen haben einen ganz besonderen Reiz: Sie schärfen den Blick für das dramaturgische Handwerk der Filmgestaltung und erlauben kreative Einblicke in das Hirn des Regisseurs. Darum findest du hier eine Anleitung dazu, wie du eine Filmkritik schreibst.

Jede Sprache hat ihre Grammatik. Das ist auch beim Motion Picture Design und damit in der Film- und Videoproduktion so. Die Filmsprache setzt sich zusammen aus bewussten und unbewusst getroffenen Entscheidungen. Sie alle unterwerfen sich einem Ziel: eine Geschichte für das Publikum möglichst spannend zu erzählen. Mit einer Film- und Szenenanalyse bekommst du den Schlüssel für Filmkritiken und zur Beurteilung der Regiearbeit.

Filmkritiker-Regeln zur Analyse von Filmen

Die wichtigsten Regeln der Filmkritiker zur Analyse von Filmen und Videos:
  1. Was sich rechts von der Kamera befindet, wirkt positiver, als wenn es links positioniert ist. Das gilt auch für Bewegungen. Was sich von links nach rechts bewegt, kommt uns natürlich vor.
  2. Die Unterscheidung von rechts und links gilt sogar dann, wenn es um Zukunft oder Vergangenheit geht. Vergangenes ist in der Regel auf der linken Seite zu finden. Die Zukunft lebt auf der rechten Seite.
  3. Ebenso hat, was sich im Vordergrund befindet, auf den Zuschauer eine viel stärkere Wirkung, als Personen oder Dinge im Hintergrund. Auch was in der unteren Bildhälfte liegt, bewegt uns viel weniger als alles in der oberen Bildhälfte.
  4. Diagonalen korrigiert unser Hirn bei der Neigung unseres Kopfes automatisch. Aufnahmen, bei denen die Kamera sich nicht am Horizont orientiert, wirken auf uns darum unnatürlich. Die Welt ist in solchen Aufnahmen aus den Fugen geraten.
  5. Bewegungen, darauf beruht zu einem wesentlichen Teil die Kraft des Filmes, sind unbestrittener Maßen stärker als statische Aufnahmen. Selbst, wenn sich die Kamera nur unmerklich verschiebt, verleiht sie dem Filmbild damit Räumlichkeit. Ein Prinzip, das in hochwertigen Spielfilmen und Serien wie House of the Dragon (HotD) fast in jeder Szene zu beobachten ist.
  6. Einfach nachvollziehbar nicht nur für Filmkritiker ist auch, dass eine Kamera, die auf eine Person hinunterblickt, diese naheliegenderweise verkleinert, während eine Position unterhalb der Augenlinie einen Menschen größer, möglicherweise aber auch gefährlicher wirken lässt. Geht die Kamera extrem in die Höhe, wird der Mensch zu einem Käfer oder einer Ameise und nahe an die Bedeutungslosigkeit verdammt. Im Gegensatz dazu macht die Froschperspektive Personen zu göttergleichen Riesen.
  7. Anspruchsvoller wird es bei der Lichtgestaltung. Der Filmzuschauer fühlt sich zwar eher zu helleren Bereichen hingezogen. Dazu sind aber dunkle Bildzonen notwendig. Der dadurch entstehende Kontrast kann aber auch als Rahmen wirken, der unseren Blick lenkt. Möglicherweise auf lichtschwache Zonen weit im Hintergrund.

Analyse heißt: Film verstehen

Das große Privileg von Film und Video ist es, dass man sie ohne Vorwissen und ohne Analyse ansehen kann. Es braucht keine Anleitung, um Bewegtbild verstehen zu können. Es sei denn, es handle sich um ein hochgradig künstlerisches, oder inhaltlich missglücktes und damit unverständliches, Werk. Oder man schreibt als Filmkritiker zum Broterwerb.

  • Position zur Kamera?
  • Vordergrund?
  • Diagonale?
  • Bewegungen?
  • Perspektive?
  • Lichtgestaltung?

Grafik 1: Elemente der Filmanalyse nach Filmkritiker Roger Ebert

Weil Filme für Menschen gemacht sind, folgen ihre Wahrnehmungsmechanismen der Art, wie wir bewegte Bilder wahrnehmen, fühlen und einordnen. Diese Muster versucht die Filmanalyse zu erkennen.

Vor diesem Hintergrund sind auch die bekannten Regeln wie der Goldene Schnitt oder die sogenannte Zwei-Drittel-Regel entstanden. Sie alle teilen sich die Absicht, eine gefühlte Gesetzmäßigkeit zu einer allgemein funktionierenden Regel umzudeuten.

Faustregeln, Wahrnehmung und starke Achsen

Die Positionierung einer Person im Filmbild oder der Blickwinkel der Kamera sind gute Beispiele dafür, wie Wahrnehmung und gestalterische Faustregeln in einer Filmkritik zusammenwirken.

Diese Punkte kannst du bei der Analyse von Film, zur Filmkritik und auch für das Video schneiden nutzen.
  • Ein Schauspieler, der etwas rechts von der Mitte im Bild steht, empfindet das Kinopublikum als ideal positioniert.
  • Zugleich erscheint eine Person, die sich rechts von der Kameraachse befindet, als freundlicher (oder positiver) im Vergleich zu einer Positionierung links der Bildmitte.
  • Umgekehrt wirkt eine Person, die genau zentriert ist, objektiver.
  • Stehen zwei Personen im Bild, so kommt uns die Person auf der rechten Seite dominant vor.

Der bekannte US-Filmkritiker Roger Ebert bezeichnet die rechte Seite darum auch als starke Achse. Er hat als Erster die in diesem Beitrag vorgestellten Filmregeln einfach verständlich als Leseanleitung für Filme und Kritiken zu Papier gebracht und in Worten skizziert.

Natürlich beanspruchen filmische Gesetzmäßigkeiten keine absolute Gültigkeit. Regeln im Unterhaltungsgeschäft folgen bei der Analyse einer Mischung aus Erfahrung, Gefühl und eigener Wahrnehmung.

Trotzdem lassen sich eine erstaunlich hohe Anzahl dieser Regeln immer wieder beobachten.

Die Mehrzahl der Regisseure und Filmgestaltung nutzt sie dazu, die Wirkung bewegter Bilder ganz gezielt auszurichten. Je mehr Filme und Video du analysierst, desto öfter wirst du die hier beschriebenen Mechaniken der Filmwahrnehmung im Alltag und hinter Filmkritiken entdecken.

Warum Filme analysieren?

Wenn du diese Regeln der Filmgestaltung kennst und Filme und Videos regelmäßig analysierst, passieren nicht nur einem Filmkritiker verschiedene gute Dinge:

  • Erstens wirst du Videos mit neuen Augen ansehen und dabei erkennen, dass es viel weniger Zufälligkeiten gibt, als du denkst.
  • Zweitens erarbeitest du dir damit auf einfache Weise einen Schlüssel, mit dem du in den Kopf des Regisseurs oder Kameramanns eintauchtet.
  • Drittens stößt du damit immer wieder auf erzählerische Metaebenen, die dem normalen Zuschauer verborgen bleiben.

Keine Regel ohne Ausnahme auch für Filmkritiker

Abschließend darf man für die Gestaltung Filmwerken feststellen: Es gibt keine Grundsätze, die man nicht auch auf den Kopf stellen kann. Gerade dadurch kann eine besonders starke Wirkung entstehen.

Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass jeder Regelbruch immer im Kontext mit der Handlung erfolgen sollte.

Filmkritik und Filmanalysen:

  • Jeder Film, jeder Filmkritiker und jeder Filmemacher folgt Regeln. Diese kannst du mittels einer Analyse erkennen. Bewusst oder unbewusst sagt uns unser Gefühl in einem erstaunlich hohen Ausmaß, was bei der Filmgestaltung richtig (oder falsch) ist.
  • Weil die Mehrzahl der Regisseure und Kameraleuten diesen Grundregeln bei der Inszenierung folgt, kannst du daraus Rückschlüsse ziehen. Eine Filmanalyse gibt dir Einblick in die „Bauart“ eines Filmes und öffnen dir neuen Verständnis- und Blickwinkel.
  • Die sieben wichtigsten Regeln der Bildgestaltung findest du hier in diesem Artikel zusammen mit einer Schnellanleitung für die Analyse von Filmen und Videos.

Empfohlene Literatur

  • Roger Ebert: Your Movie Sucks
  • Understanding Movies, Buch von Louis D. Giannetti
  • Film Art: An Introduction, Buch von David Bordwell und Kristin Thompson

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 08.10.2019

Zachery Z. 50 Artikel
Zachery Zelluloid war in der Unterhaltungsindustrie tätig. Er schreibt unter Pseudonym, weil er weder vertraglichen Schweigepflichten verletzen, noch das wirtschaftliche Fortkommen der Berufsgattung Anwalt fördern oder Freunde brüskieren will. Sein richtiger Name ist der Redaktion bekannt.

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