Video gegen Fake News: ein neues Allein­stellungs­merkmal für Video­journalisten?

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Fotojournalisten: mit Video gegen Fake News? | © Symbolbild: Pavel Sokolov

Jeder kann Video. Darum wird es zunehmend schwieriger, mit Videoaufnahmen Geld zu verdienen. Auch die Fotografen haben dieses Problem. Die weltbekannte Foto-Agentur AFP Agence France Press hat darauf eine ganz spezielle Antwort gefunden.

Die alles entscheidende Frage ist so einfach zu beantworten wie schwierig zu leben: je einzigartiger das ist, was du kannst und tust, desto mehr Geld wirst du damit verdienen. Die Gültigkeit dieses eisernen Gesetzes des Kapitalismus spüren die Fotografen und ihre Agenturen ganz besonders.

AFP Agence France Press gibt es schon seit 184 Jahren. Aber erst in den vergangenen zwei Jahren zwangen die Entwicklung der Dinge die französische Agentur dazu, ihr Angebot und ihre Positionierung komplett neu zu überdenken.

AFP Agence France Press: Match von Fähigkeiten und Bedürfnisse

Was, so fragte sich die Foto-Agentur AFP (das Haus beschäftigt 280 fest angestellte Fotografen und zusätzlich 170 Freelancer), können unsere Fotografen leisten, was andere nicht können. Selbst verständlich sollten dabei weder das bisherige Berufsverständnis noch die Bedürfnisse des Marktes außer Acht gelassen werden.

Was den Markt angeht, hat AFP beschlossen, sich als Alternative zu Fake News zu positionieren. Denn seit jeher haben Fotojournalisten mit ihren Bildern die Wahrnehmung von Ereignissen in der Öffentlichkeit geprägt.

Neu sollen die Fotos aber nur noch Mittel zum Zweck sein. Im Zentrum, ein Betriebswirt würden an dieser Stelle vom „Produkt“ sprechen, stehen neu der Kontext und die Authentizität. Die Bilder sollen bisher versteckte Zusammenhänge zeigen – oder sogar aufdecken. In den Worten der Agentur: „Unsere Bilder dienen nicht mehr nur der Illustration von Texten“.

Für die Fotografen von AFP Agence France Press hat das einige Folgen.

Sie müssen neu in die Ereignisse „eintauchen“. Konkret bedeutet das, für aktuelle Ereignisse nicht nur vor Ort zu sein, sondern auch aus der Perspektive der jeweiligen Bevölkerung zu berichten. Möglich ist das nur, wenn man das Vertrauen der Beteiligten gewinnt. Und dazu reicht es nicht, kurz mal an einen Ort zu fliegen, nur um bereits am nächsten Wochenende schon wieder zu Hause im Bett aufzuwachen.

So verbringen schon heute viele Fotojournalisten von AFP teilweise bis zu einem halben Jahr vor Ort.

K wie Krieg und Katastrophen

Es liegt in der Natur der Sache, dass viele Brennpunkte dieser Welt mit kriegerischen Auseinandersetzungen oder Katastrophen anderer Art verbunden sind. Für die Fotografen, die ihr Berufsleben nun zu einem wesentlichen Teil an solchen Orten verbringen, stellt das eine außerordentliche Belastung dar.

Altgediente Kriegsfotografen und kriegserprobte Fotojournalisten leben nur darum noch, weil sie gelernt haben, sich in Gefahrengebieten zurechtzufinden. Dazu gehört auch ein gehöriges Maß an Instinkt und Erfahrung. Und das Potenzial zur Traumatisierung.

Kriegsfotografen trinken nicht zum Spaß!
W.S.

Alle diese Punkte adressiert AFP im Rahmen eines Weiterbildungsprogramms. Denn auch die Agentur weiß, dass die ersten Opfer des Krieges nicht nur die Wahrheit, sondern auch die Neulinge an der Front sind.

Ebenso überzeugt ist man aber auch, dass der Drang einer aufgeklärten Gesellschaft nach der Wahrheit stärker ist, als alle technologischen Veränderungen und digitalen Revolutionen.

Damit ist AFP nicht allein.

Spezielle Tools gegen Fake Bilder nicht nur bei AFP Agence France Press

Um der Flut von Fake News zu begegnen, haben über 60 Organisationen ein Bekenntnis zum Kampf gegen Falschinformationen abgegeben. Dies in Form der Unterzeichnung eines Grundsatzpapiers des International Fact Checking Networks (IFCN). Zu den Unterzeichnern gehört auch AFP.

AFP hat zugleich selbst interne Ressourcen für Faktenchecks aufgebaut. Rund 30 Spezialisten prüfen weltweit Fotos auf ihre Echtheit. Dazu nutzen sie spezifische Software, wie u. a. Tungstène.

Zugleich unterstützt AFP Agence France Press zwei weitere europäische Projekte und ist daran beteiligt: Horizon 2020 InVID (In Video Veritas), die Video-News verifizieren, und WeVerify (Wider and Enhancement Verification for You), welches die Echtheit von News in den sozialen Medien prüft. Damit will man insbesondere auch Deepfake Videos bekämpfen.

Um ihren Kunden die Authentizität der von den eigenen Fotografen erstellten Fotos garantieren zu können, werden deren Aufnahmen mit spezieller Software codiert. Diese macht jede Art der Nachbearbeitung, und sei es nur die Gradationskurve, transparent.

Was heißt das für Videoproduzenten?

Videos haben gegenüber Fotos den großen Vorteil, dass sie nie nur als Textbeilage funktionieren mussten. Diesen Entwicklungsschritt zu vollziehen, kann darum kein Anspruch sein.

Als Antwort auf Fake News könnten auch Video-Reportagen dienen. Es ist schon heute so, dass oftmals Fotojournalisten und Videojournalisten gemeinsam unterwegs sind. Ist dies in Krisengebieten der Fall, muss man sich bewusst sein, dass man dafür möglicherweise einen hohen Preis bezahlt. Ganz besonders dann, wenn man als Freelance auf eigene Rechnung unterwegs ist. Auch wenn die meisten von uns Film und Video lieben, das eigene Leben dafür riskieren möchte man doch eher nicht.

Man freut sich. Und man staunt.

Wissend, dass die Kriegsfotografie seit jeher eine Männerdomäne war, freut und staunt man gleichzeitig über die Aussage von Marielle Eudes, Global Photo Director von AFP International. Sie betont nämlich in einem Interview mit dem Fachmagazin Nikon News ihr Bedauern über den Mangel an Fotografinnen in ihrer Agentur. Sind die weiblichen Vertreter der Zunft der Fotografen einfach klüger als die Männer, die getrieben vom Testosteron sich in Katastrophen beweisen müssen?

Erstaunlich auch, vielleicht typisch französisch, dass man die Tradition und Identität der Agentur AFP Agence France Press nicht nur beschwört, sondern auch lebt. Dies, indem man aus qualitativen Gründen auf eine große Zahl Mitarbeitende in einer Festanstellung setzt und nicht – wie das wohl eine große Zahl anderer Unternehmen tun würde – das Risiko an Freelancer ausgelagert.

Zugleich ist diese Art der Neuausrichtung mehr als eine Antwort auf Fake News. Sie ist auch ein Bekenntnis zur Kraft des Bildes.

Ob diese Art Strategie, wie sie AFP Agence France Press hat, auch für freie Videojournalisten einen vertretbaren Raum für eine neue Positionierung bietet, ist schwierig zu beantworten. Am Ende gilt wohl, so wie bei den Fotografen: Wer seine Tätigkeit als Berufung und nicht nur als Beruf versteht, wird anders entscheiden als, wer nur Geld verdienen will.

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Dieser Artikel wurde erstmals publiziert am 21.01.2020

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